Savonlinna hat geschrieben:Nein, das ist nicht die Alternative. Die Alternative liegt ganz woanders.
Bisher habe ich nicht verstanden, was Du damit meinst.
SilverBullet hat geschrieben:Ich kann mich auch mal wieder kurz zu Wort melden.
Schön.
SilverBullet hat geschrieben: Hier soll dann der (aus meiner Sicht) richtige obige Grundsatz auf einmal nicht mehr gelten und „wir sollen Experten in eigener Sache, bei gleichzeitig (zähneknirschend) zugegebener Ahnungslosigkeit sein“.
Zunächst einmal ist es zwar ebenfalls Glaube - andererseits kommt man ihn nicht rum: Nämlich dass man pragmatischerweise davon ausgeht, dass die eigene Wahrnehmung etwas mit der Realität zu tun hat. - Ich glaube, dass dies jeder tut.
Trotzdem ist individuelle Welt-Erkennung immer ein Entwurf, begleitet von der Hoffnung, dass man möglichst authentisch das erkennt, was ist.
SilverBullet hat geschrieben:„Ich“, als Bedeutungsanteil innerhalb der Steuerung eines Lebewesens, „bin“ Teil des Wahrnehmungssystems.
Zustimmung. - Das haben ja schon Augustinus und Descartes erkannt, sagen aber, dass alle damit verbundenen Zweifel genau deshalb authentisch sind.
SilverBullet hat geschrieben:Zu diesen Fähigkeiten gehört die Absicherung durch Wechselwirkungs- und Testkontrolle.
Pragmatisch ja. - Nur darf man den Schritt nicht übergehen, dass auch diese "Absicherung durch Wechselwirkungs- und Testkontrolle" Wahrnehmung ist, also nicht sicher ist (es könnte genauso Täuschung sein - was wir aber nicht glauben, weil wir pragmatischerweise davon ausgehen (also setzen), dass die eigene Wahrnehmung etwas mit der Realität zu tun hat.
SilverBullet hat geschrieben:aber die Erfahrung zeigt eindeutig, dass durch Absicherung und Testkontrolle funktionierende Wirklichkeitsergebnisse relativ sicher erreichbar sind.
Hier würde ich zwischen naturalistischen und geistigen Phänomen unterscheiden. - Geht es um naturalistische Phänomene ("Wie schnell fahre ich gerade auf der Straße") sollte man dem Tacho mehr vertrauen als seinem Gefühl - geht es um geistige Phänomene ("Wie ist das AT geistig zu verstehen?"), kann man diese Frage nur beantworten, wenn man - um es christlich zu sagen - vom HG inspiriert ist (wobei man selber NICHT sicher sein darf, ob es in einer Situation x auf einen selber zutrifft).
SilverBullet hat geschrieben:kann dieses „Ich“ nicht den Status „Wirklichkeit“ vergeben.
Man kann per Wahrnehmung streng genommen sowieso nicht diesen Status vergeben - man setzt, dass die eigene Wahrnehmung prinzipiell etwas mit der Realität zu tun hat und findet heraus, dass Naturwissenschaft bei dieser Setzung die sicherste Methodik bereit hält, diese Setzung erfolgreich einzulösen. - Aber alles immer unter dem Vorbehalt dieser Setzung.
Bei geistigen Dingen sieht es unvermeidlicherweise nicht so gut aus, weil naturgemäß "Geist" im christlichen Sinne immer eine transzendente Größe ist - und Transzendentes kann man nun mal nicht falsifizierbar machen - da scheint mir der hermeneutische Weg der vielversprechendste zu sein ("Per aspera ad astra").
SilverBullet hat geschrieben:„Wirklichkeit“ ist (aus meiner Sicht) eine Art Gütesiegel, für dessen Vergabe die Wahrnehmungsunabhängigkeit eindeutig feststellbar sein muss.
Fundamental können wir das NIE - bei obiger Setzung kann man es ziemlich gut per Kritischem Rationalismus.
SilverBullet hat geschrieben: denn „über die eigene Wahrnehmung hinaus projeziert“ ist für eine Wahrnehmung natürlich nicht möglich.
Das ist jetzt ein Sprachproblem.
Zunächst: Ja, Du hast natürlich recht - man kann nicht wahrnehmen, was man nicht wahrnehmen kann. - Jedoch: Man kann denkerisch mit dem, was man nicht wahrnehmen kann, umgehen. - Einfaches Beispiel: Der 6-dimensionale "Raum", der trotzdem mathematisch darstellbar, aber eben nicht vorstellbar ist. - Vielleicht ein etwas schwierigeres Beispiel: Gott, den man nur über geistig erschlossene Eigenschaften definieren kann, und dann in etwa weiss, in welcher Richtung er im Wahrnehmungs-Nebel anzupeilen ist.
SilverBullet hat geschrieben:dann wird daraus geschlossen, dass diese „Instanz“ die aktuell angewandte Wahrnehmung „überwinden“ könnte.
Nee - Erfolgsgarantie gibt es hier nicht. - Allenfalls kann für einen überwunden WERDEN - selber geht nicht.
SilverBullet hat geschrieben:D.h. für den elementaren Anfangsschritt, kann die Korrektheit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit nicht festgestellt werden.
Das wäre auch ein Missverständnis: Mit "Wahrnehmungsunabhängigkeit" ist aus meiner Sicht ausschließlich zu verstehen, dass man für versagende Wahrnehmungs-Möglichkeiten denkerisch (oder "fühlerisch") einspringt und sozusagen die "Brosamen" dessen, was man nicht versteht, zu fassen bekommt.
SilverBullet hat geschrieben:Es ist somit aus meiner Sicht falsch, die „Beschränkung auf natürliche Phänomene“ als eine Art „kleine Alternative“ zu deklarieren.
Was aber, wenn das damit verbundene Wahrnehmungs-Inventar nur dafür und nicht für geistige Dinge taugt?
SilverBullet hat geschrieben:Wenn ein „Weltbild“-Entwurf gegen diesen Sachverhalt verstösst, in dem Zusammenhänge aufgebaut werden, die das Verhalten stark beeinflussen und den eigentlichen Lebenssinn darstellen sollen, aber gleichzeitig die Unmöglichkeit einer „Wirklichkeitsfeststellung“ eingestanden werden muss, dann ist dieser Entwurf für eine sensorische Wahrnehmung untauglich
Geistige Wahrnehmung ist primär KEINE sensorische Wahrnehmung - vielleicht liegt hier das Missverständnis. - Geistige Wahrnehmung ist exklusiv eine Sache der "Res cogitans" (dass geistige Gründe sekundär sensorische Folgen haben, ist etwas anderes - das stellt dann die Neurowissenschaft fest).
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SilverBullet hat geschrieben:Es ist dann (aus meiner Sicht) auch sehr vernünftig, dass eine Analyse durchgeführt wird, bei der die „alten Schriften“ eines solchen „Weltbildes“ genau untersucht werden, um herauszufinden, wer, wo, wann „Entwurfs-Ideen“ beigesteuert hat.
Das wäre historisch-kritische Arbeit, hat aber primär nichts mit der geistigen (im Sinne des Christentums) Substanz zu tun (soweit es ein Sujet ist, das geistige Substanz beanspruchen kann).
SilverBullet hat geschrieben:Das Nicht-Vergeben-Können des Gütesiegels „Wirklichkeit“ liegt dann nicht an der Wahrnehmung, sondern muss dem Entwurf angelastet werden.
Wie gesagt: WIR können dieses Siegel eh nur auf Basis nicht falsifizierbarer Prämissen vergeben - und bei transzendenten Dingen kann es prinzipiell (!) nicht einmal sich selbst erfüllende Methoden geben.
SilverBullet hat geschrieben:Letztlich kann dem „christlichen Schöpfer-Verdacht“ entgegengehalten werden, dass hier eine Macht, Lebewesen erzeugt haben und von ihnen ein „Mentalverhalten“ verlangen soll, ohne dafür zu sorgen, dass die Macht und diese Zusammenhänge (von den Lebewesen) als „Wirklichkeit“ eingestuft werden können.
Es geht aber nicht anders - wir könnten diese mögliche Realität nur dann methodisch sicher in den Griff bekommen, wenn wir selber auf der selben Ebene wären - genau das sind wir aber eben nicht.