Alles Teufelszeug?

closs
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#1251 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 27. Feb 2016, 12:28

sven23 hat geschrieben:Genau das hat die Forschung doch seit der Aufklärung getan.
Im Rahmen ihres Mandats hat sie dies getan und dort sehr erfolgreich und hilfreich.

sven23 hat geschrieben:Dass der galiläische Wanderprediger ein Mensch wie du und ich war und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der "Sohn Gottes"
Darüber kann die HKM nichts aussagen - jenseits ihres Mandats.

sven23 hat geschrieben: "Richtiges Hineinrufen" geht eben nur mit historisch-kritischer Methode.
Nur im Rahmen ihres Mandats - bezöge man es auf die Substanz der Bibel, wäre es pure Ideologie, mindestens aber ein Irrtum.

sven23 hat geschrieben: "Richtiges Hineinrufen" geht eben nur mit historisch-kritischer Methode.
Das nun ist uneingeschränkt ein ideologischer Satz.

sven23 hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode wird in der Leben-Jesu-Forschung nicht dazu "mißbraucht", ein Glaubenskonstrukt zu untermauern.
Das soll sie auch nicht - aber sonst ist halt kaum was zu untermauern.

sven23 hat geschrieben:Gutes Beispiel
Du drehst auf bewährte Weise die Dinge um 180°.

sven23 hat geschrieben:Dann müßte Ratzinger die Forschung mit dem Antichristen gleich setzen.
Du übertreibst. - Die HKM ist auch innerhalb ihres Mandats wertvoll.

sven23 hat geschrieben:Er scheint nicht mal zu bemerken, dass er - wissenschaftlich gesehen- auf dem Holzweg ist.
Er gehört zu denen, die "Wissenschaft" nicht nur kritisch-rationalistisch definieren - eine rein wissenschafts-theoretische Frage.

Wird diese Frage in "Deinem" Sinne gelöst, verliert Wissenschaft an Bedeutung innerhalb der Theologie. - Wenn dies der Preis ist und zu einer Klärung führt, ist der Saldo positiv.

sven23 hat geschrieben:Ratzinger will das meiste im NT als historisch verstanden wissen.
Da sehe ich auch einen SChwachpunkt - aber wie mehrfach erwähnt: Da würde ich gerne mal mit den Betroffenen gerne selbst sprechen, denn: Es hat sich herausgestellt, dass Leute anders zitiert werden, als sie sich erweisen, wenn man tiefer einsteigt.

sven23 hat geschrieben:Genau, und ich füge hinzu: davor möge uns Gott bewahren.
Dieser Rückzug der Wissenschaft aus der Theologie ist schade, aber verkraftbar.

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sven23
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#1252 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Sa 27. Feb 2016, 12:56

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau das hat die Forschung doch seit der Aufklärung getan.
Im Rahmen ihres Mandats hat sie dies getan und dort sehr erfolgreich und hilfreich.
Das klingt so nach gönnerhafter Großzügigkeit oder Scheinanerkennung. Sobald die Ergebnisse aber nicht in den Kram passen, wird lauthals geschrien: Mandatsüberschreitung! :lol:
Selbst die konservative "Bibelwissenschaft" leugnet die Forschungsergebnisse nicht, angefangen bei den Geburtslegenden.

"Jesus wurde in Nazaret geboren. Darin sind sich mit Ausnahme der Kindheitserzählungen alle Traditionsstränge einig. Die Betlehem-Tradition dürfte deshalb Ergebnis nachösterlicher christologischer Reflexion (Davidssohn) sein.
...
Die weiteren Angaben in den Kindheitserzählungen (Zensus im Lk, Stern im Mt) tragen für die Chronologie nichts aus. Lukas verwechselt mehrere historische Ereignisse miteinander."


Nachösterliche christologische Reflexion ist natürlich ein verharmlosender Begriff für Verfälschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass der galiläische Wanderprediger ein Mensch wie du und ich war und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der "Sohn Gottes"
Darüber kann die HKM nichts aussagen - jenseits ihres Mandats.
Nur wenn man alles ignorieren würde, was die Forschung an Erkenntnissen gesammelt hat. Das verbietet sich aber aus wissenschaftlicher Redlichkeit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: "Richtiges Hineinrufen" geht eben nur mit historisch-kritischer Methode.
Nur im Rahmen ihres Mandats - bezöge man es auf die Substanz der Bibel, wäre es pure Ideologie, mindestens aber ein Irrtum.
Wie gesagt: zur zirkelreferenten Glaubensunterstützung der Bibel gibt es ja die kanonische Exegese. Genau dafür ist sie entwickelt worden. In der Leben Jesu Forschung hat sie aber nichts zu suchen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gutes Beispiel
Du drehst auf bewährte Weise die Dinge um 180°.
Wenn du immer mit schrägen Vergleichen kommst, muss man sie halt wieder einnorden. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann müßte Ratzinger die Forschung mit dem Antichristen gleich setzen.
Du übertreibst. - Die HKM ist auch innerhalb ihres Mandats wertvoll.
Und das Mandat haben ihr wohl die Kanoniker erteilt. :lol:
Wer soll denn der große unbekannte Antichrist sein, der die Forschungsergebnisse so gestaltet, dass sie das Glaubenskonstrukt in Gefahr bringen?


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ratzinger will das meiste im NT als historisch verstanden wissen.
Da sehe ich auch einen SChwachpunkt - aber wie mehrfach erwähnt: Da würde ich gerne mal mit den Betroffenen gerne selbst sprechen, denn: Es hat sich herausgestellt, dass Leute anders zitiert werden, als sie sich erweisen, wenn man tiefer einsteigt.
Natürlich, im Zweifelfall immer falsch zitiert.
Das erinnert ein wenig an die AFD. Deren Vertreter geben auch so einiges von sich, von dem sich hinterher immer herausstellt, dass es nicht so gemeint war, wenn es öffentlich wurde. Der eine ist falsch zitiert oder aus dem Zusammenhang gerissen worden, die andere ist von der Maus abgerutscht. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau, und ich füge hinzu: davor möge uns Gott bewahren.
Dieser Rückzug der Wissenschaft aus der Theologie ist schade, aber verkraftbar.
Eben, die Wissenschaft ist nicht auf die Theologie angewiesen.
Zuletzt geändert von sven23 am Sa 27. Feb 2016, 13:07, insgesamt 1-mal geändert.
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#1253 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Sa 27. Feb 2016, 13:04

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ratzinger will das meiste im NT als historisch verstanden wissen.
Da sehe ich auch einen SChwachpunkt - aber wie mehrfach erwähnt: Da würde ich gerne mal mit den Betroffenen gerne selbst sprechen, denn: Es hat sich herausgestellt, dass Leute anders zitiert werden, als sie sich erweisen, wenn man tiefer einsteigt.

Dogmatiker neigen bekanntlich nicht dazu, Aussagen in den Evangelien in Frage zu stellen. ;)

Ratzinger betont in seinem Jesusbuch ausdrücklich, dass er den Berichten der Evangelisten
vertraut. Deine gegenteilige Auffassung ("sie verstanden ihn nicht") lehnt er ab.

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#1254 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Sa 27. Feb 2016, 13:18

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode wird in der Leben-Jesu-Forschung nicht dazu "mißbraucht", ein Glaubenskonstrukt zu untermauern.
Das soll sie auch nicht - aber sonst ist halt kaum was zu untermauern.

Hast Du `ne Ahnung! Das Buch "Der historische Jesus" von Theißen/Merz umfasst schlappe 570 Seiten.

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#1255 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 27. Feb 2016, 13:19

Thaddäus hat geschrieben:Es ist, als spräche man mit einem Kind, das überhaupt nicht versteht, worum es geht.
Ich sehe das genau umgekehrt: Du bist derart betoniert in Deiner Wissenschafts-Religion/-Ideologie, dass Du grundlegende ontologische Fragen gar nicht mehr stellst. -Nochmal zum Mitschreiben: WIssenschaft ist wie alles andere auch ein "Was-wäre,-wenn-meine-Setzungen-zutreffend-wären".

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du svens Äußerung anzweifeln möchtest, dann musst du erklären, inwiefern du nicht glaubst, dass seit der Aufklärung die Vorstellung des Jesus als Gottessohn durch die Ergebnisse der Leben-Jesu-Forschung immer weiter in den Hintergrund getreten ist.
Stop: Selbstverständlich glaube ich, dass diese Vorstellung in den Hintergrund getreten ist, weil es aufklärungs-system-immanent nicht anders sein kann.

Es KANN gar nicht herauskommen, dass Jesus Gottes Sohn ist, wenn man an anderer Stelle Metaphysik methodisch ausschließt - ich bin wirklich fassungslos, dass dieser offensichtliche logische Gedankenschritt nicht verstanden wird. (davon abgesehen, dass "Gottes Sohn" selbst eine Chiffre ist - aber diese Diskussion haben wir hier nicht).

Thaddäus hat geschrieben:Es ist aber keine sinnvolle Antwort zu schreiben: Was sagt das über die Wirklichkeit aus?
Ihr versteht den "1.SChritt" nicht, weil ihr ihn gar nicht gehen wollt. - Dieser erste Schritt lautet: "Was kann man mit welcher Methodik über die Wirklichkeit aussagen?"

Per HKM kann man mit großer Wahrscheinlichkeit etwas über die Wirklichkeit der Textverfasser aussagen, aber nur "über die Bande" über Jesus. - Wie vielfach erläutert, ist diese Bande besonders kritisch, wenn ansonsten bewährte Modelle ("Älteste Quelle = authentischste Quelle") hier gut begründet NICHT funktionieren (können).

Thaddäus hat geschrieben:Bibel-Fundamentalisten rufen nachweislich falsch in die Bibel hinein
Woher willst Du beurteilen, dass ein geistiger Zugang zur Bibel falsch ist - und auch noch NACHWEISLICH falsch ist?

Thaddäus hat geschrieben: Die HKM ruft nachweislich richtig in die Bibel hinein
Zirkelschluss: "WEnn ich setze, dass meine Methodik die richtige ist, ist es nachweislich richtig, dass mein HKM-Approach richtig ist".

Thaddäus hat geschrieben:Die HKM/Leben-Jesu-Forschung beantwortet faktisch aber Fragen über das Wesen Jesu
Exakt das KANN sie nicht können - nach eigenen Prämissen. - Sie würde sich widersprechen, wenn sie es könnte.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du ihr aber absprechen willst, dass ihre Antworten korrekt sind, dann musst du konkret aufweisen, inwiefern ihre Antworten inkorrekt sind.
Schin x-mal gemacht - gerne nochmal:
Closs hat geschrieben:Es KANN gar nicht herauskommen, dass Jesus Gottes Sohn ist, wenn man an anderer Stelle Metaphysik methodisch ausschließt - ich bin wirklich fassungslos, dass dieser offensichtliche logische Gedankenschritt nicht verstanden wird.

Thaddäus hat geschrieben:In diesen drei Antworten von dir, zeigt sich die ganze Tragik deines Unverständnisses.
Aus Deinem ideologischen Standpunkt heraus mag Dir es so erscheinen. - Mir geht es mit Dir genau umgekehrt.

Im Grunde dreht sich's jetzt langsam im Kreis, weil wir unterschiedliche Grundstrukturen haben, die mit jeweiligen Setzungen in Methodik und Urteil gehen. - Ein Unterschied, wie mir scheint: Ich weiss um meine Prämissen und Du nicht. - Es scheint eine Eigenschaft dessen, was man heute "Aufklärung" nennt, zu sein, die Prämissen zu setzen, bevor man anfängt, Fragen zu stellen - das ist, was ICH als perfekte Selbst-Immunisierung bezeichne.

Um den Ball wieder tiefer zu spielen: Natürlich hat die kirchliche Theologie vor der Aufklärung einige Bolzen als wahr hingestellt, die die Aufklärung korrigieren konnte - es geht nicht gegen Aufklärung. - Es geht gegen eine Ideologisierung im Namen der Aufklärung.

Denn eines wird mir immer unerklärlicher:
Wie kann eine Disziplin, die für sich Metaphysik ausschließt (no problem), andererseits Befindlichkeiten über Fragen äußern (bspw. die Chiffre "Gottes Sohn"), die überhaupt nur dann verstehbar sind, wenn man Metaphysik hinzuzieht? - Wie kann man diesen brutalen Widerspruch NICHT hinterfragen? - DAS wäre "Aufklärung"? - Njet.

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#1256 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Sa 27. Feb 2016, 13:29

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Insofern hat closs Recht - er wird durch das Selbstverständnis der historischen Wissenschaften bestätigt -, dass die HKM niemals das Wesen Jesu rekonstruieren kann. Sie kann immer nur Ansichten über Jesus rekonstruieren.
Zustimmung! :thumbup:
Aber was haben wir anderes, wonach wir uns richten sollen? Also wird die Deutung als Faktum interpretiert.
Jetzt wird es spannend.

In der Literaturforschung haben wir neben der historisch-kritischen Forschung auch die Rezeptionsforschung.
Das heißt, man hält es im Extremfall für möglich, dass eine literarische Figur des Mittelalters erst im 21. Jahrhundert wirklich in ihrer Tiefe erfasst wird.
Deutung heißt also immer: Begegnung eines lebendigen Menschen mit einem Text.
"Begegnung" ist insgesamt in den heutigen Wissenschaften ein wesentlicher Faktor. Erst die Begegnung erschließt etwas.

Mit der Jesus-Gestalt ist es auch so, und sogar noch mehr.
Wenn Menschen dem Jesus "begegnen" - damals wie heute -, dann wird oft eine Erschütterung während dieser Begegnung ausgelöst.
Was ist das Wesen dieser Erschütterung?
Ich denke, dass in dem Fall ein Archetypus ausgelöst wird - ein Archetypus, der im menschlichen Unterbewussten vorhanden ist und durch diese Begegnung aktiviert wird.

Viele Christen wollen streng zwischen Mensch und Gott unterscheiden und das Wissen über "Gott" nur als Offenbarung zulassen.
Ich selber sehe mich an dieses Denkverbot nicht gebunden, kann aber nachvollziehen, warum dieses Denkverbot erteilt wird, verstehe es eventuell sogar als historisch notwendig.

Ich sehe in der Anwesenheit dieses "Archetypus" im menschlichen Unterbewussten eine Ahnung von dem, was der Mensch noch werden kann.
Dieser Archetypus - Mensch und Gott als Einheit - wurde in Jesus gsehen, und man konnte ihn so nur sehen, weil er als Archetypus in uns Menschen enthalten ist.
Das heißt, ich kann mühelos den Begriff "Gott" weglassen und trotzdem diesen Archetypus in uns als real existent anerkennen.
Wie in Deinem "Spiritualität"-Thread schon erörtert: die Bezeichnung ist nicht so wichtig.

Es ist also auch in diesem Fall möglich - so wie oben bei einer literarischen Figur aus dem Mittelalter -, dass erst Jahrtausende später dieser Archetypus als in uns wirksam erkannt wird.
Wir Menschen also haben das Bestreben, diesen Archetypus historisch - also körperlich-existent - werden zu lassen.

Es besteht allerdings eine große Gefahr:
dass herrschsüchtige Führergestalten in diesen Archetypus reinspringen und Menschen von sich mental abhängig machen wollen.
Sie bezeichnen sich selber als von Gott berufen oder werden fast wie Gott verehrt - Hitler z.B.

Um das zurückzuweisen, erklären viele Christen Gott als wesensfremd dem menschlichen Wesen. Das heißt, kein Mensch darf sich als Gott aufspielen und andere unterwerfen.
Das hat seine Berechtigung - zahlt aber den Preis, dass dem Menschen untersagt wird, diesen in Jesus erahnten Archetypus in sich nach und zu realisieren.

Und doch könnte gerade diese Komponente der Sinn der Jesus-Erzählungen sein: dass dieser Archetypus eines Tages historisch-leibhaftig ist.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Sa 27. Feb 2016, 13:37, insgesamt 1-mal geändert.

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#1257 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Sa 27. Feb 2016, 13:35

closs hat geschrieben: Um den Ball wieder tiefer zu spielen: Natürlich hat die kirchliche Theologie vor der Aufklärung einige Bolzen als wahr hingestellt, die die Aufklärung korrigieren konnte - es geht nicht gegen Aufklärung. - Es geht gegen eine Ideologisierung im Namen der Aufklärung.
Es geht aber nicht um Evolution. Das Thema ist auch bei Ratzinger selbstverständlich längst durch. Es geht um die Leben Jesu Forschung. Auch da sind einige Bolzen identifiziert worden.

closs hat geschrieben: Denn eines wird mir immer unerklärlicher:
Wie kann eine Disziplin, die für sich Metaphysik ausschließt (no problem), andererseits Befindlichkeiten über Fragen äußern (bspw. die Chiffre "Gottes Sohn"), die überhaupt nur dann verstehbar sind, wenn man Metaphysik hinzuzieht? - Wie kann man diesen brutalen Widerspruch NICHT hinterfragen? - DAS wäre "Aufklärung"? - Njet.
Wissenschaft kann sich gar nicht mit der Frage nach Gott oder dessen unehelichen Söhnen beschäftigen. Es hat aber auch schon eine enorme Aussagekraft, wenn man die behauptete Gottessohnschaft als Produkt literatischer Legendenbildung enttarnt. Man kann nicht so tun, als gäbe es diese Legendenbildungen nicht. Gut, Ratziner tut es, indem er alles biblische in Bezug auf Jesus als irrtumsfrei und historisch vorraussetzt, aber das ist sein hausgemachtes Problem.
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#1258 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 27. Feb 2016, 13:36

sven23 hat geschrieben: Sobald die Ergebnisse aber nicht in den Kram passen, wird lauthals geschrien: Mandatsüberschreitung!
Nein - sobald der Bäcker einem Megatroniker erklärt, wie man Autos repariert, dann sagt man "stop".

sven23 hat geschrieben:"Jesus wurde in Nazaret geboren. Darin sind sich mit Ausnahme der Kindheitserzählungen alle Traditionsstränge einig. Die Betlehem-Tradition dürfte deshalb Ergebnis nachösterlicher christologischer Reflexion (Davidssohn) sein.
Spontan würde ich das glauben - denn wir wissen inzwischen hoffentlich, dass die Textverfasser das aufgeschrieben haben, was sie verstanden haben und insofern nur bedingt authentisch zur Wirklichkeit sind.

sven23 hat geschrieben:Nachösterliche christologische Reflexion ist natürlich ein verharmlosender Begriff für Verfälschung.
Das wiederum ist eine Mandats-Überschreitung. - Denn "Reflexion" steht für "Verstehen-Wollen" - und es gibt gute Gründe, dass die Nachfolger Jesu erst mit der Zeit den Paradigmen-Wechsel Jesu verstanden haben. - Spätere Quellen können also in Bezug auf Jesu Position und Intention authentischer sein als ältere.

Hier müsste man zwischen "politischen" Verfälschungen und erfolgreichen geistigen Reflexionen unterscheiden - was nun die HKM ganz bestimmt nicht kann - per Selbstverständnis.

sven23 hat geschrieben:Das verbietet sich aber aus wissenschaftlicher Redlichkeit.
"Wissenschaftliche Redlichkeit" ist ein Kampfbegriff geworden, um die Selbstimmunisierung bewahren zu können.

sven23 hat geschrieben:zirkelreferenten Glaubensunterstützung der Bibel gibt es ja die kanonische Exegese
Hermeneutik ist keine Zirkelreferenz - das müsste längst begriffen worden sein.

sven23 hat geschrieben:Und das Mandat haben ihr wohl die Kanoniker erteilt.
Nein - die HKM hat es selber gemacht, hält sich aber nach Euren Worten nicht daran. - Ich zitiere etwas, was ich an Thaddäus geschrieben habe:
"Denn eines wird mir immer unerklärlicher:
Wie kann eine Disziplin, die für sich Metaphysik ausschließt (no problem), andererseits Befindlichkeiten über Fragen äußern (bspw. die Chiffre "Gottes Sohn"), die überhaupt nur dann verstehbar sind, wenn man Metaphysik hinzuzieht? - Wie kann man diesen brutalen Widerspruch NICHT hinterfragen? - DAS wäre "Aufklärung"? - Njet".

sven23 hat geschrieben:Natürlich, im Zweifelfall immer falsch zitiert.
Nein - einseitig. - Das Problem: Man müsste Gesamt-Werke lesen, um Euch zu widerlegen. - Aber Stichproben waren bisher regelmäßig erfolgreich: Ratzinger, Conzelmann, etc.

sven23 hat geschrieben:Eben, die Wissenschaft ist nicht auf die Theologie angewiesen.
Das muss sie auch nicht - es gibt genug anderes, was sie erfassen kann.

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#1259 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 27. Feb 2016, 13:41

Münek hat geschrieben:Ratzinger betont in seinem Jesusbuch ausdrücklich, dass er den Berichten der Evangelisten vertraut.
Das tue ich unterm Strich bei kontextueller ("kanonischer") Lesart auch - allerdings muss man Einzel-Irrtümer und Widersprüche aussortieren.

Münek hat geschrieben: Deine gegenteilige Auffassung ("sie verstanden ihn nicht") lehnt er ab.
Dann würde er anders denken, als es die katholischen Theologen tun, die ich kenne - ich kann es nicht nachprüfen, weil ich mit Ratzinger nicht sprechen kann.

Münek hat geschrieben:Das Buch "Der historische Jesus" von Theißen/Merz umfasst schlappe 570 Seiten.
Wenn Theißen/Merz so vernünftig sind, wie es in einigen Zitaten rüberkommt, sind das sicherlich interessante 570 Seiten sein. - Selbstverständlich wird auch dieses Buch bei Einzelaussagen auf Widersprüche stoßen - alles andere wäre mehr als überraschend.

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#1260 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Sa 27. Feb 2016, 13:48

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Sobald die Ergebnisse aber nicht in den Kram passen, wird lauthals geschrien: Mandatsüberschreitung!
Nein - sobald der Bäcker einem Megatroniker erklärt, wie man Autos repariert, dann sagt man "stop".
Du meinst wohl Mechatroniker? :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Jesus wurde in Nazaret geboren. Darin sind sich mit Ausnahme der Kindheitserzählungen alle Traditionsstränge einig. Die Betlehem-Tradition dürfte deshalb Ergebnis nachösterlicher christologischer Reflexion (Davidssohn) sein.
Spontan würde ich das glauben - denn wir wissen inzwischen hoffentlich, dass die Textverfasser das aufgeschrieben haben, was sie verstanden haben und insofern nur bedingt authentisch zur Wirklichkeit sind.
Hier handelt es sich aber nicht um eine versehentliche Verfälschung, sondern diese war sehr berechnend, um Bezug zu AT-Prophezeiungen zu erzeugen. Ratzinger ignoriert dies und spricht von "wartenden Herrenworten" im AT. Schlimmer gehts nimmer.

closs hat geschrieben: - Spätere Quellen können also in Bezug auf Jesu Position und Intention authentischer sein als ältere.
Natürlich, je weiter sich die Quellen zeitlich entfernen, desto authentischer werden sie. Wer hätte das nicht schon selbst erlebt? :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:zirkelreferenten Glaubensunterstützung der Bibel gibt es ja die kanonische Exegese
Hermeneutik ist keine Zirkelreferenz - das müsste längst begriffen worden sein.
Kanonische Exegese zur Bestätigung des Glaubenskonstrukts schon.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und das Mandat haben ihr wohl die Kanoniker erteilt.
Nein - die HKM hat es selber gemacht, hält sich aber nach Euren Worten nicht daran. - Ich zitiere etwas, was ich an Thaddäus geschrieben habe:
"Denn eines wird mir immer unerklärlicher:
Wie kann eine Disziplin, die für sich Metaphysik ausschließt (no problem), andererseits Befindlichkeiten über Fragen äußern (bspw. die Chiffre "Gottes Sohn"), die überhaupt nur dann verstehbar sind, wenn man Metaphysik hinzuzieht? - Wie kann man diesen brutalen Widerspruch NICHT hinterfragen? - DAS wäre "Aufklärung"? - Njet".
Antwort siehe oben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich, im Zweifelfall immer falsch zitiert.
Nein - einseitig. - Das Problem: Man müsste Gesamt-Werke lesen, um Euch zu widerlegen. - Aber Stichproben waren bisher regelmäßig erfolgreich: Ratzinger, Conzelmann, etc.
Das entspringt wohl eher deinem Wunschdenken. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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