Savonlinna hat geschrieben:Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:
Das ist doch eines der Hauptthemen hier im Forum.
Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.
Also... Ich halte den Humanismus NICHT für korrumpiert. Man muss ihn nur leben.
Es gibt natürlich auch den nicht-korrumpierten Humanismus, selbstverständlich.
Den nicht-korrumpierten Humanismus können wir im Evangelium erkennen

und Du hast hier auch schon mal einen Atheisten erwähnt, der das gut reflektiert hat: Ernst Bloch mit seinem „
Prinzip Hoffnung“ - im Grunde ist er selbst ein Ketzer in seinen Kreisen gewesen.
Ernst Bloch war "ein Ketzer"
Arno Münster, Schüler des Philosophen, über dessen Hauptwerk und Aktualität
Arno Münster im Gespräch mit Matthias Hanselmann
Hanselmann: Ein Ketzer des Marxismus, vielleicht auch ein Ketzer des Christentums oder irgendwo dazwischen. Bloch hat zu dieser Zeit einmal geschrieben: "Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: Nur ein Christ kann ein guter Atheist sein." Das klingt natürlich plakativ und provokant. Wie war es denn gemeint 1968?
Münster: Ja, wie Sie sagen, es war allerdings eine sehr provokante These: Nur ein guter Christ kann Atheist sein, nur ein Atheist kann ein guter Christ sein. Dahinter steht nichts anderes als das was beispielsweise (Anm. d. Red: schwer verständlich) typisch ist für die Religionsphilosophie von Ernst Bloch. Und man muss dazu schon sagen, dass das herausragende Charakteristikum gerade dieses großen Denkers ist, dass er von allen neomarxistischen Philosophen des 20. Jahrhunderts derjenige ist - vielleicht mit Walter Benjamin -, der sich am meisten für das Phänomen der Religiosität oder auch der Theologie interessiert hat, und der versucht hat eben, Marxismus und Theologie irgendwie zusammenzubringen. Aber dieses Zusammenbringen von beidem hat zur Folge, dass er in den religiösen Bewegungen gerade jene Motive herausstellt, die in der Tradition der Kirchen zurückgedrängt, wenn nicht sogar unterdrückt wurden. Das heißt also Ketzer, die ketzerischen Bewegungen eben. Das heißt, es geht ihm darum, in dem religiösen Bewusstsein auf diese Weise (Anm. d. Red.: Schwer verständlich) utopische Momente ausfindig zu machen, die ein produktives Miteinander oder Zusammengehen zwischen diesen Formen des religiösen Bewusstseins mit den rebellischen Bewegungen, die nicht religiös sind, ermöglichen. Das ist also im Grunde die Quintessenz dieses Buchs oder dieses Aufrufs, "Atheismus im Christentum", ein Buch, das zum Beispiel in Lateinamerika eine ganz außerordentliche Resonanz fand, einfach deswegen, weil es dort ja eben die Theologie der Befreiung gab und die begeistert diese Bloch'schen Theorien aufgenommen hat. In dieser Weise ist Bloch sozusagen ein Vorläufer, ein Vordenker jener Theologie der Befreiung, die dann eben in diesen Ländern Lateinamerikas, in Brasilien, Nicaragua und so weiter ganz groß aufgegangen ist.
http://www.deutschlandradiokultur.de/er ... _id=145432
Es ist interessant, dass ausgerechnet ein jüdischer Atheist einen solchen Einfluss auf die Theologie der Befreiung in Lateinamerika ausübte (ich persönlich sympathisiere mit dieser Art von Theologie, beispielsweise Ernesto Cardenal mit seinem
Buch der Liebe, in dem wirklich sehr schöne Meditationen zum Thema Glaube, Hoffnung und Liebe versammelt sind)
Auf dem nicaraguaportal findet man diese Worte über Cardenal:
„Mit Cardenal beginnt eine neue Ära in der südamerikanischen Lyrik: die Verschmelzung des Himmels mit der Erde, des Menschen mit Gott. Für Cardenal ist das Leiden Christi vor allem das Leiden der Menschheit.“
~ Evgenij AleksandroviÄ EvtuÅ¡enko
Die Poesie Nicaraguas spiegelt sich in ihrer ganzen Vielfalt im Werk des Dichter-Propheten Ernesto Cardenals wider. Geprägt durch die Dichtungen Rubén DarÃos, Pablo Antonio Cuadras und José Coronel Urtechos beginnt Cardenals Leidenschaft für die Poesie schon in den allerfrühesten Jugendjahren. Heute ist es seine Dichtung, die der zeitgenössischen Lyrik Lateinamerikas wichtige Impulse gibt.
Grob gesehen kann Cardenals poetisches Werk in drei maßgebliche Etappen bzw. Inhaltsbereiche unterteilt werden:
1. Angriff auf die sozial-politischen Mißstände wie etwa die der Somoza-Diktatur
2. Romantisch-impressionistische Liebesgedichte
3. Mystisch-religiöse Gedichte der pantheistischen, zuweilen panerotischen Naturphilosophie wie sie im späteren Cántico Cósmico zu finden sind.
Politik und Poetik, die Suche nach einer alternativen Lebensform, die den neuen Bedürfnissen nicht nur des nicaraguanischen Volkes gerecht wird, dies durchzieht sich durch sein ganzes künstlerisches wie auch kulturpolitisches Schaffen.
»Für Ernesto Cardenal gibt es kein größeres Geheimnis als die Liebe. Als junger Student schreibt er seine Gedichte getrieben von seiner Sehnsucht nach dem geliebten Mädchen, das sich ihm entzieht. Als Novize im Kloster richtet sich sein Sehnen auf die Begegnung mit Gott und am meisten berühren jene Verse, deren Eros nicht zu unterscheiden ist von männlichem Begehren. Die „Gesänge des Universums“ des reifen Dichters schließlich rücken die Liebe als Gestaltungsprinzip ins Zentrum der gesamten Schöpfung.
Liebe - ob zu den Menschen oder zu Gott - ist für Cardenal nicht zu trennen von Sinnlichkeit, auch darum hat er nie ein jenseitiges Paradies beschworen. Dorothee Sölle schrieb an ihren Freund Ernesto: „Du hast sie beieinander gelassen: Religion, Politik und Liebe, Deine Liebeslieder sind politisch, Deine Psalmen erotisch. Deine Bejahung, deine Feier des Lebens ist umfassend“.«
http://www.nicaraguaportal.de/kunst-und ... -werk.html
Hier können wir also schon ein schöpferisches Zusammenspiel erkennen, welches nicht nur zukunftsfähig ist, sondern diese bejahenswerte Zukunft wirklich feiert und prophetisch erahnen lässt, sie überhaupt erst ermöglicht und mit-schöpft. Sie ermutigt Menschen mit der ihnen innewohnenden kreativen Energie die Welt selbstbewusst zu gestalten, anstatt sich von anderen Mächten dieser Welt leben zu lassen.
Jesus folgen bedeutet für mich: den aufrechten Gang wagen.

Wagen ein „Ich“ zu sein, nicht nur ein „tadelloses“ Mitglied einer Schafsherde, denn das kann man ohnehin nur sein, wenn man ein Schaf ist. Wir sind aber Menschen und aus dem Menschen sollte man kein dressiertes Schaf machen. Christus wird in der religiösen Sprache als „
Lamm Gottes“ bezeichnet, aber auch als der „
Löwe von Judah“, der geradezu das Sinnbild eines echten
Citoyen ist.
Der Citoyen (französisch citoyen zu altfranzösisch citeain, einer Ableitungsform von cité ‚Stadt‘, dies aus lateinisch civitas ‚Bürgerschaft‘, ‚Staat‘) bezeichnet den Bürger bzw. Staatsbürger, der in der Tradition und im Geist der Aufklärung aktiv und eigenverantwortlich am Gemeinwesen teilnimmt und dieses mitgestaltet.
Sein Selbstverständnis basiert historisch auf den Werten der Französischen Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
https://de.wikipedia.org/wiki/Citoyen
Für mich gehört dieses Bewusstsein zu einer zukunftsfähigen Religion. Glaubwürdig ist das Christentum wieder, wenn es nicht nur an Jesus glaubt, sondern ihm nachfolgt.