closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Sowohl closs, als auch Ratzinger berufen sich bei der kanonischen Exegese auf Erkenntnisquellen (bei closs heißt das "anderes Wahrnehmungssystem"), die wissenschaftlich nicht zulässig sind, weil sie nur gesetzt, aber nicht begründet werden können.
Erneut: Die Wissenschafts-Theorie sieht dies heute differenzierter.
Ähm, - nein. Mir ist keine Wissenschaftstheorie bekannt, in der es erlaubt wäre, übersinnliche, wahrheitsgarantierende Erkenntnisquellen zu setzen, um mit diesen die eigenen Ergebnisse und Einsichten zu begründen.
Das ist schon darum undenkbar, weil sich die Wissenschaften von solchen Setzungen übersinnlicher, wahrheitsgarantierende Erkenntnisquellen überhaupt erst im Laufe ihrer Geschichte befreien mussten! So ist es heute in allen Wissenschaften dezidiert nicht einmal mehr erlaubt, sich auf Autoritäten als wahrheitsgarantierend zu stützen, wie das in der Scholastik noch selbstverständlich war.
closs hat geschrieben:Erneut: Die Wissenschafts-Theorie sieht dies heute differenzierter.
Erneut: Nein ...
closs hat geschrieben:
Außerdem muss man AUCH wissenschaftlich nachvollziehen können, wie die Bibel zu verstehen wäre, wäre Jesus wirklich der, für den ihn die Christen halten.
Ähm, nein! Das wäre sogar eine wissenschaftlich streng verbotene
petitio principii, bei der man voraussetzt, was man erst herausfinden will.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Mit exakt einer solchen Berufung auf angeblich wahrheitsgarantierende Erkenntnisquellen, könnte man jederzeit auch Anhänger der angeblichen Prophetin Gabriele Wittek werden
Du kommst auf diese absurden Ideen, weil für Dich die Bibel nur wissenschaftlich analysiert werden kann, wenn man davon ausgeht, dass es Gott NICHT gibt. - Das KANN man machen, sollte aber auch den Fall exegestisch durchspielen, dass Jesus tatsächlich Gott ist.
Nein. Ich schreibe das Obige, weil du und Ratzinger letztlich genau das tun, was diese Gabriele Wittek tut: eine übersinnliche, wahrheitsgarantierende Erkenntnisquelle setzen. Dass diese Wittek vorgibt,
direkte Eingebungen von Gott zu bekommen, ist nur besonders kurios. Im Grunde ist es aber nicht weniger kurios, ein anderes, übersinnliches und wahrheitsgarantierendes "Wahrnehmungssystem" als Erkenntnisquelle zu setzen oder zu glauben, die katholische Tradition müsse schon darum richtig sein und zur Wahrheit führen, weil angeblich der hl. Geist in ihr wirkt.
Jede Wissenschaft, die Wissenschaft bleiben will, muss sich von solchen willkürlich gesetzten, unfehlbaren und intersubjetiv nicht vermittelbaren Erkenntnisquellen streng distanzieren.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Wissenschaftlichkeit ist überhaupt nur möglich, wenn solche willkürlichen Setzungen angeblich wahrheitsgarantierender Erkenntnisquellen konsequent ausgeschlossen wird!
Dieses Mantra ist selbst eine Setzung, weil dann die Bibel nicht wissenschaftlich unter dem Aspekt analysiert werden kann, dass Jesus Gott ist.
Nein, das ist kein Mantra, sondern es gehört zur Wesenbestimmung von Wissenschaft.
Und es ist auch gerade keine Setzung, sondern es ist das zentrale
Ergebnis der historischen Entwicklung der Wissenschaften selbst, der Natur-, wie der Geisteswissenschaften. Noch bis tief in das christliche Spätmittelalter hinein, wurde nämlich auch in den Wissenschaften noch selbstverständlich davon ausgegangen, dass z.B. Gott existiert und die Bibel sogar jede naturwissenschaftliche Wahrheit enthält. Bert Brechts
Leben des Galilei greift die Emanzipation zuerst der Naturwissenschaften, später auch der Geisteswissenschaften von diesem Glauben als Drama auf. In Brechts
Galilei fordert dieser die anwesenden Kirchenvertreter auf, durch sein Fernrohr zu schauen, wo sie selbst sehen können, dass der Jupiter Monde hat, die ihn umkreisen, was belegt, dass auch die Erde um die Sonne kreisen kann. Aber die Kirchenvertreter weigern sich hindurchzusehen, weil sie es nicht für nötig halten, denn in der Bibel stehe ja bereits die Wahrheit, dass dies nicht sein kann. Genau das bedeutet es, sich auf eine übersinnliche, wahrheitsgarantierende Erkenntnisquelle zu berufen. Und genau davon haben sich die Wissenschaften ab der Neuzeit emanzipieren können, wodurch sie überhaupt erst zu wirklichen Wissenschaften werden konnten.
closs hat geschrieben:
Das scheint mir der Grund zu sein, warum die christliche Theologie die HKM (in ihrer Eigenschaft als rein historische und nicht theologische Wissenschaft) als Hilfswissenschaft versteht.
Hilfswissenschaft hin oder her: wenn die christliche Theologie etwas als Glaubensinhalt deklariert, was den Ergebnissen der HKM eindeutig widerspricht (Beispiel: Naherwartung), dann vertritt sie etwas, wozu es keine wissenschaftliche Berechtigung gibt. Die Logik ist ebenfalls eine Hilfswissenschaft. Wenn aber Theorien formuliert werden, die der Logik widersprechen, dann sind diese Theorien eben inkonsistent und müssen verworfen werden.
Was du und Ratzinger aber versuchen ist (im übertragenen Sinne) einfach die logischen Gesetze umzudefinieren, was nicht möglich ist, da sie nur in genau ihrer logischen Form zu wahren Aussagen führen.