Das ist eine rein wissenschafts-theoretische Frage, die unterschiedlich beantwortet wird. - Würdest Du sagen: Es gibt nur eine Art, kritisch-rationalistisch im Sinne Poppers zu arbeiten, würde ich Dir zustimmen - dann aber könnte man Jesus nicht unter dem Aspekt "Inkarnation Gottes" untersuchen, da selbigen nicht falsifizierbar ist.Thaddäus hat geschrieben:Es gibt nur eine Art Physik oder Theologie wissenschaftlich zu betreiben.
Ist anders gemeint: Der Mensch baut sich Systeme zusammen, nach denen er seine Wahrnehmungen sortiert - das meine ich damit (Du kannst gerne ein besseres Wort dafür finden).Thaddäus hat geschrieben:Der Begriff "Wahrnehmungssystem" ist ohnehin falsch, denn alle Menschen verfüen über dasselbe Wahrnehmungssystem
Das verkenne ich gerade NICHT (im Sinne der KR).Thaddäus hat geschrieben:Der besteht genau darin, zu intersubjektiv vermittelbaren, wahren oder möglichst wahrscheinlich wahren Aussagen zu gelangen.

Das haut nicht hin - denn: ein Gedanken-Experiment:Thaddäus hat geschrieben:Will man sich dem historischen Jesus nähern, dann geht das ausschließlich über die Methoden, die die Theologie zu einer Wissenschaft machen
Stelle Dir vor,
a) Jesus wäre ein ganz normaler Mensch wie Thaddäus und Closs, der später von einigen Schlaumeiern hochgeschrieben wurde.
Dann würde ich Dir zustimmen.
b) Jesus wäre wirklich inkarnierter Gott im Sinne des Christentums
Wie willst Du dann noch der Regeln der HKM anwenden? - Wie wolltest Du überhaupt Gott (in Jesus) per HKM erkennen wollen (unter Verzicht auf einen spirituell-geistigen Approach)? - Wie wolltest Du die Erfahrungs-Regeln der HKM, wonach ältere Quellen authentischer sind als jüngere, anwenden, wenn Gott Dir bedeuten würde, dass die Menschen leider wieder mal Jahrhunderte gebraucht haben, bis sie zum Kern des NT-Paradigmenwechsels vorgedrungen sind - also mit der Zeit authentischer in ihrer Rezeption wurden - gegen alle HKM-Regeln. ---???--- Etc., etc.
Mit anderen Worten: Wenn die historische Person Jesus WIRKLICH Gott (in Jesus) war, kann man ihn historisch nur geistig erkennen ("So war er WIRKLICH") - allerdings mit freundlicher Unterstützung der HKM, aber nicht unter deren Deutungs-Hohheit. - Wenn die historische Person Jesus ein Hochstapler war, hast Du allerdings recht.
Aber wie willst Du das ausschließen? - Tja, man macht es per KR-Kriterien (Nicht-Falsifizierbares = irrelevant). - Insofern ist ThomasM schon zuzustimmen, dass eine deutungs-hohheitliche HKM dazu neigt, Gott in diesem ganzen Spiel wegzukürzen (das sind jetzt meine Worte).
Zunächst: Es geht unterm Strich nicht um wissenschaftliche oder nicht-wissenschaftliche Einsichten, sondern um authentische Einsichten in Bezug auf die Wirklichkeit. - Diese kann man mit und ohne Wissenschaft gewinnen oder verfehlen - der einzige Unterschied: Der Weg zu Wahrheit oder Irrtum ist in der Wissenschaft intersubjektiv nachvollziehbar aufgezeigt.Thaddäus hat geschrieben:Noch einmal: du kannst nicht vorgeben, zu wissenschaftlichen Einsichten zu gelangen, ohne dafür die wissenschaftlichen Methoden anzuwenden.
Im übrigen ist dies auch der Fall bei einem professionellen Exegeten aus der fundamental-theologischen Fraktion. - Es ist wirklich nicht so, dass sich diese Leute verzückt von englischen Erscheinungen die Feder führen lassen. - Ich habe immer noch nicht im Ansatz verstanden, wie Du glaubst, per HKM zu geistigen Erkenntnissen in Bezug auf die Bibel-Substanz zu kommen.
Dies hängt - erneut - von der wissenschafts-theoretischen Definition ab - es gibt unterschiedliche. - Weiterhin versteht sich kanonische Exegese nicht als Konkurrenz zur HKM, sondern als Anschluss-Disziplin zur geistigen Deutung.Thaddäus hat geschrieben:Die kanonische Exegese ist nicht wissenschaftlich und kann es gar nicht sein
Du hast noch nicht begriffen, dass es nicht primär um Wissenschaft, sondern um Erkenntnis geht. - Wie bereits ausführlich gesagt: Man kann durchaus Bibel-Wissenschaft im strengen KR-Sinne verstehen - aber man muss sich dann des Preises bewusst sein, dass man dann ausschließlich peripher unterwegs ist. - Suum cuique.Thaddäus hat geschrieben:Du verstehst nicht, dass du keine Wissenschaftlichkeit für dich beanspruchen kannst, wenn du keine wissenschaftlichen Methoden anwendest.
Korrekt - das wurde auch nicht gefordert. - Es ist jedoch Sache der Ontologie, ein Verhältnis zwischen dem zu erkennen, was unwiderruflich und einmalig der Fall ist/war (also nicht je nach Perspektiven-Erkenntnis geklont werden kann, nur damit jeder zufrieden ist) und den Systemen, mit denen der Mensch wahrnimmt (nenne es "Modelle", "Methodiken", etc., wenn Dir "Systeme" nicht gefällt). - Konkret:Thaddäus hat geschrieben: Es ist keine Frage der Ontologie, wie Wissenschaft definiert ist und worin ihre Aufgabe besteht.
Das "System"/"Methodik-Gebilde"/"Konstrukt"/etc. "HKM" auf Basis des KR kann nur auf DIE Weise wahrnehmen, wie es fragen darf (es darf bspw. NICHT fragen: "Bist Du Gott", obwohl dies das Kindlich-Naheliegendste wäre). - Das ist meinerseits kein Vorwurf und keine Häme - es GEHT einfach nicht anders als methodik-konform.
Das "System"/"Methodik-Gebilde"/"Konstrukt"/etc. "Musik" geht ganz anders vor - und darf dafür nicht beanspruchen, intersubjektiv nachvollziehbar zu sein. - Dasselbe gilt für den spirituell-geistigen Ansatz, der Gott als Entität voraussetzt, was die HKM nicht darf - um den Preis, dass diese spirituell-geistige Ansatz nicht ergebnisoffen in Bezug auf das Ergebnis ("Es gibt Gott") ist.
Ach so - die Frage, was WIRKLICH wahr ist, haben wir jetzt gar nicht behandelt.


Sollte sich herausstellen, dass Jesus ein Hochstapler war, hat die HKM gewonnen. - Sollte sich herausstellen, dass Jesus tatsächlich inkarnierter Gott war, hat die kanonisches Exegese gewonnen. - Und sollte sich herausstellen, dass der Mensch aufhören soll zu denken und mehr zu fühlen, werden die Musiker mit ihrem Wahrnehmungs-Segment (besser?) gewonnen.
Es stellt sich erst danach heraus, wer die ganze Zeit authentisch in Bezug auf die Wirklichkeit war. - Du stellst es aber so hin, als hätte Wissenschaft in Deinem Sinne ein Patent darauf - hat sie nicht. - Wobei wir wieder bei der Frage wäre, weshalb es die ontologische Ebene auch noch gibt.
Wenn die heutigen Geistes-Wissenschaft so mit Geist umgehen wie die von Dir dargestellte Theologie mit Gott umgeht, kannst Du recht haben. - Allerdings würde ich (im Ernst) unter diesen Umständen vorschlagen, dass man all das unter "Naturwissenschaft" subsummiert. - Wie lange wird es dauern bis man Goethes "Faust" neuronal interpretiert?Thaddäus hat geschrieben:Natürlich ist dieser wissenschaftliche Anspruch auch in geistigen Dingen umsetzbar, sonst gäbe es ja keine Geisteswissenschaften, sondern nur Naturwissenschaften.
