Alles Teufelszeug?

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#331 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Fr 12. Feb 2016, 20:09

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie Savonlinna richtigerweise darauf hinweist, muss Jesus zunächst mal aus der jüdischen Tradition heraus verstanden werden.
Korrekt - man KANN ihn so sehen. - Was hat das mit Deiner Unterstellung zu tun, der "christliche Jesus" sei Ergebnis einer Legendenbildung?

Entweder die Rezeptionsgeschichte kommt dem wirklichen Jesus nahe oder nicht - schwer bis nicht falsifizierbar. - Auch durch die HKM lässt sich dies nicht klären.

"Theißen und Merz legen besonderen Wert darauf, dass Jesus geschichtlich ins Judentum gehört und die Jesus-Bewegung als inner-, nicht antijü-dische Erneuerungsbewegung aufgefasst wird. Im Zentrum der von Jesus verkündeten Botschaft steht der jüdische Gottesglaube: „Gott war für ihn eine ungeheure, ethische Energie, die bald zur Rettung der Armen, Schwachen und Kranken die Welt verwan-deln werde, die aber für alle, die sich nicht von ihm ergreifen lie-ßen, zum ,Höllenfeuer’ des Gerichts werden konnte ... Jeder hatte eine Chance, gerade die nach religiösen Maßstäben Versager und Verlierer waren."
Herrmann Detering, "EINE ART METAMORPHOSE DES MENSCHLICHEN”
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#332 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Fr 12. Feb 2016, 20:12

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist das exakte Gegenteil der kanonischen Exegese, denn wie wir inzwischen wissen, interessiert sie sich nicht für den urprünglichen Sinn eines Textes, sondern für dessen spätere Rezeption.
Aus bisheriger Erfahrung ist es genau umgekehrt: Denn es wird hier ohne Unterlass der Eindruck erweckt, als seien Rezeptions-Untersuchungen der HKM der Maßstab für den WIRKLICHEN Ursprungs-Sinn à Jesus.

"Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus."
Quelle
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#333 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Novas » Fr 12. Feb 2016, 20:14

sven23 hat geschrieben:Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet[...]

Aufklärung ist ein Prozess an dem WIR ALLE beteiligt sind. Niemand besitzt „die“ Aufklärung - und sie ermöglicht sehr viele verschiedene Auffassungen, „die“ Aufklärung schreibt mir also gar nichts vor und hier kann auch niemand im Namen „der“ Aufklärung sprechen :) - da ich weiß, dass Du die Giordano Bruno-Stiftung unterstützt: ein wirklich „evolutionärer Humanismus“ muss Religion mit denken, anstatt sie feindselig zu betrachten.

Denn die ist ganz offenbar das Ergebnis einer geistigen Evolution.

Der Begriff des evolutionären Humanismus bezeichnet eine neuere, szientistisch geprägte Strömung innerhalb der humanistischen Weltanschauungen. Sie wird historisch zurückgeführt auf Julian Huxley, den ersten Generaldirektor der UNESCO, welcher dieser Strömung ihren Namen gab und sich für eine neue Religion aussprach, die kompatibel mit der Wissenschaft sei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution ... Humanismus

Julian Huxley - der offenbar zuerst diesen Begriff prägte (?) - sprach sich für eine neues Verständnis von Religion aus, das kompatibel mit der Wissenschaft sei, er hat sich aber nicht gegen Religion ausgesprochen. Warum auch? Religion gehört selbst zur menschlichen Evolution.

Hemul
Beiträge: 19835
Registriert: So 21. Apr 2013, 11:57

#334 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Hemul » Fr 12. Feb 2016, 20:59

Savonlinna hat geschrieben:Ich bin kein Christ. Ich lehne das Christentum komplett für mich ab. Ich kann im Prinzip das Christentum nicht einmal ausstehen.
Und ich kann im Prinzip Personen nicht ausstehen-die laufend dicke Backen machen aber offensichtlich das wahre Christentum
nicht von der heidnischen Staatskirche (Christenheit) unterscheiden können. :thumbdown:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#335 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Fr 12. Feb 2016, 21:23

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Die älteste Überlieferungsschicht des NT und deren Jesus-Logien bestätigen also ausdrücklich nicht, dass Jesus sich selbst als Gottesohn oder gar Gott gesehen hätte.
Wie mehrmals begründet, gilt hier nicht die an sich bewährte Verfahrensweise, pauschal die älteste Quelle als die sinn-näheste zu verstehen. - Jesus KANN sich so oder anders gesehen haben - vollkommen offen. - Je nach eigener Weltanschauung wird man so oder anders interpretieren. - Mehr ist hier nicht rauszuholen.

Ob der historische Jesus sich als "Sohn Gottes" angesehen hat, ist eine historische Frage.

Mehr als die neutestamentlichen Quellen, hier insbesondere die Evangelien, stehen für die Beantwortung dieser Frage nicht zur Verfügung. Glaubensbasierte Spekulationen oder gar Behauptungen sind hier völlig fehl am Platz..

Im Judentum ist "Sohn Gottes" die Bezeichnung für den König (Ps. 2,7; 89,28), aber offenbar nicht der Titel des echatologischen Heilbringers. Im Neuen Testament spielt diese Bezeichnung besonders im Markusevangelium - also im ältesten Evangelium (!) - eine bedeutende Rolle (vgl. schon Mk. 1,1).

Dafür aber, dass der historische Jesus sich selbst als "Sohn" Gottes verstand, fehlen in den Evangelien jegliche direkte Anhaltspunkte. Er selbst hat sich nach den Quellen nie so bezeichnet. Er sprach stattdessen in der dritten Person vom Menschensohn, wobei unklar bleibt, ob er sich oder einen Dritten meinte.
Zuletzt geändert von Münek am Fr 12. Feb 2016, 21:25, insgesamt 1-mal geändert.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#336 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Fr 12. Feb 2016, 21:23

sven23 hat geschrieben:Nein, es war Tante Wiki:
Wieso "nein"? - Du bestätigst also, dass es wiki wahr - nicht wahr?

Meine Interpretation, wie man diese Aussage inhaltlich retten könnte, habe ich gegeben - was meinst Du dazu? - Ansonsten halte ich es für möglich, dass der wiki-SChreiber hier etwas missverstanden hat.

sven23 hat geschrieben:"Exegese oder Bibelauslegung nennt man die Hermeneutik der Heiligen Schrift. Die Bibel wird seitens der Kirche als vom Heiligen Geist inspiriert und darum in Glaubensfragen und auch allen wesentlichen historischen Aussagen als irrtumslos vorausgesetzt."Quelle: Kathpedia
Das ist einerseits ein Ei, wenn man es historisch versteht - es wäre zu prüfen, was hier als "wesentlich" verstanden wird. - Die Krippengeschichte? Wohl nein. - Das Kreuz? Sicher ja. ---- Aber hier hast Du recht: Das kann mit der HKM kollidieren.

sven23 hat geschrieben:Fällt dir der Unterschied auf?
Nicht erst heute. ;) --- Das Problem: Die HKM ist nur innerhalb ihres methodischen Korsetts ergebnis-offen. - Unterm Strich als gehupft wie getupft.


Sven hat geschrieben: Hast du mal ein Beispiel für einen toten Ursprungstext?
Bspw. ein Ursprungs-Text, den es gar nicht gibt, den man aber methodisch postulieren muss, um sein Verfahren durchzuführen - exakt das Problem beim NT.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#337 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Fr 12. Feb 2016, 21:28

sven23 hat geschrieben:"Theißen und Merz legen besonderen Wert darauf, ...
Wieso zitierst Du das? - Wo ist der Zusammenhang zu meiner Aussage?

sven23 hat geschrieben:"Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus."
Das klingt gut, ist aber im Fall Bibel unrealistisch.

Du hältst Dich an der Irrtumslosigkeit der HK-Methode genauso fest wie die RKK an der Inspiriertheit der SChrift.

Münek hat geschrieben:Ob der historische Jesus sich als "Sohn Gottes" angesehen hat, ist eine historische Frage.
Kann man so sehen, wenn man klärt, was man mit "Sohn Gottes" meint. - Und: Man wird es NICHT herausfinden, weil man nur Rezeptionen seiner Aussagen hat.

Münek hat geschrieben:Glaubensbasierte Spekulationen oder gar Behauptungen sind hier völlig fehl am Platz..
Behauptungen aus Bearbeitungen eines NICHT-vorhandenen Urtexts sind genauso glaubens-basierte Spekulationen - wie gesagt: gehupft wie getupft.

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#338 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Novas » Fr 12. Feb 2016, 21:43

Hemul hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich bin kein Christ. Ich lehne das Christentum komplett für mich ab. Ich kann im Prinzip das Christentum nicht einmal ausstehen.
Und ich kann im Prinzip Personen nicht ausstehen-die laufend dicke Backen machen aber offensichtlich das wahre Christentum
nicht von der heidnischen Staatskirche (Christenheit) unterscheiden können. :thumbdown:

Du hast Recht, es wurden heidnische Gebräuche übernommen. Da kontere ich gerne: gerade die integrale Kraft des Christentums spricht für seine tieferliegende Wahrheit. Nur eine entwicklungsoffene Religion ist überlebensfähig (und nur dann ist sie im Sinne des eschatologischen Denkens glaubwürdig und kann als vom Heiligen Geist inspiriert gelten)

Prüfet aber alles und das Gute behaltet. 1. Thessalonicher 5.21.


Jede Religion ist aus vielen Elementen zusammengewachsen. Das Christentum ist von Anfang an synkretistisch gewesen.
Michael von Brück

„Synkretismus“ kann man auch positiv als kreative Integration beschreiben. Wen wundert es wirklich, dass es soetwas gibt? „Identität“ - und eben auch die christliche Identität - befindet sich im Werden und ereignet sich in einem Zeitfluss. Thomas Morus sagte ganz richtig:

„Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.“

Das Evangelium ist dieses Weitergeben der Flamme. Sie wurde an mich weiter gegeben und ich werde sie an meine Kinder weiter geben. Was sie dann mit ihrer Flamme machen, wie sie ihr Licht und ihre Wärme gebrauchen, um die Welt zu erhellen und zu gestalten, das ist dann ihre ganz persönliche Freiheit.


Das ist mein Verständnis einer lebendigen, schöpferischen und entflammenden Tradition, die das „Wort Gottes“ immer wieder neu in den Augenblick bringt. ;) Oder mit den Worten dieser Userin:

Savonlinna hat geschrieben:Tot ist ein Text dann, wenn man nur seinen Ursprung rekonstruiert und wie ein Gralshüter darüber wacht, dass er tot bleibt und nicht lebendig weiterentwickelt wird.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#339 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Fr 12. Feb 2016, 23:05

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ob der historische Jesus sich als "Sohn Gottes" angesehen hat, ist eine historische Frage.
Kann man so sehen, wenn man klärt, was man mit "Sohn Gottes" meint. - Und: Man wird es NICHT herausfinden, weil man nur Rezeptionen seiner Aussagen hat.

Man kann sich der historischen Wirklichkeit annähern. Was das Judentum unter dem Be-
griff "Sohn Gottes" verstand, ist im Alten Testament hinreichend dokumentiert.


Da braucht man nichts herauszufinden.

Jesus war Jude. In den überlieferten Quellen bezeichnet er sich selbst nie als "Sohn Gottes".
Das verwundert nicht - schließlich war er nicht wirklich der "König der Juden". Dass er sich
als Teil einer göttlichen Trinität ansah, ist abwegig, auch wenn Ratzinger so etwas aus dog-
matischer Sicht behauptet. Für Jesus und seine Landsleute gab es keine trinitarischen Gott.

Fernab solch blasphemischer Gedanken sagte Petrus über Jesus in seiner Pfingstpredigt:

"Gott hat ihn [durch seine Auferstehung und Erhöhung] zum Herrn und Messias gemacht."

Dass Jesus der präexistente eingeborene Sohn Gottes war, ist eine Erfindung des Johannes-
Evangelisten. Das ist breiter Konsens in der exegetischen Wissenschaft.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#340 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Fr 12. Feb 2016, 23:29

Münek hat geschrieben: Was das Judentum unter dem Begriff "Sohn Gottes" verstand, ist im Alten Testament hinreichend dokumentiert.
Schon - aber das ist doch in der Theologie längst hinreichend bekannt und sicherlich nicht Gegenstand von Kontroversen zwischen kanonischen und historisch-kritischen Exegeten.

Ich verstehe nicht den Zusammenhang mit der Diskussion hier.

Münek hat geschrieben: Für Jesus und seine Landsleute gab es keine trinitarischen Gott.
Natürlich nicht - auch das weiss die kanonische Exegese. - "Trinität" ist ein Begriff zur theologischen Erklärung von etwas.

Münek hat geschrieben:Dass Jesus der präexistente eingeborene Sohn Gottes war, ist eine Erfindung des Johannes- Evangelisten.
Kein historisch-kritischer Exeget kann entscheiden, ob etwas "Findung" oder "Erfindung" ist - auch ein kanonischer kann es nur aus seinem Gesamt-Kontext glauben.


Übrigens: Was ist mit: “Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ Matthäus 27,54 ---???---

Münek hat geschrieben:Das ist breiter Konsens in der exegetischen Wissenschaft.
Man kann Konsens haben, wann etwas zuerst historisch-kritisch greifbar auftaucht. - Daraus ein Ad Hominem zu machen ", es sei eine Erfindung des Johannes-Evangelisten" gewesen, wäre extrem unwissenschaftlich.

Antworten