Von einer Jungfrau geboren?

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#821 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Savonlinna » Mo 1. Feb 2016, 15:10

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du bist nicht frei, sondern verbietest Dir bestimmte Gedankengänge.
Ich verstehe nach wie vor nicht, was daran unfrei sein soll, wenn man das menschliche Wahrnehmen NICHT zum Maßstab "der Welt" macht.
Schau noch mal nach, was genau ich als "unfrei" bezeichnet habe.

closs hat geschrieben:Nochmals:
Ich behaupte nicht zu erkennen, WAS der Maßstab der Welt ist (das kann man nur wohlbegründet glauben), sondern behaupte lediglich, dass es etwas geben kann, was jenseits menschlicher Wahrnehmungs-Möglichkeiten "ist".
Und hier schau einfach nach, was das Thema war: Perspektive.

closs hat geschrieben:- Es ist mir ein Rätsel, wie man diesen Gedankengang ideologisieren kann.
Schau nach, woraus ich das geschlossen habe.

closs hat geschrieben:- Meine vorläufige Interpretation: Das Denken kann so eingedampft sein auf das Anthropozentristische, dass man nicht darüber hinaus denken kann.
Du willst also nicht, dass man Prämissen als Prämissen erkennt?
Das Erkennen von Prämissen als Prämissen ist für Dich anthropozentrisch, und darum willst Du Prämissen nicht als Prämissen identifizieren?

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#822 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Mo 1. Feb 2016, 15:42

Savonlinna hat geschrieben:Du willst also nicht, dass man Prämissen als Prämissen erkennt?
Genau das Gegenteil: Ich will, dass "menschliches Wahrnehmungs-Vermögen" als Prämisse erkannt wird.

Tut man dies, sollte man erkennen, dass damit keine absoluten Tatsachen-Aussagen möglich sind, sondern Tatsachen-Aussagen streng genommen immer "Tatsachen-Aussagen-unter-dieser-Prämisse" sind.

Konkret:
Wenn wir die Perspektive des Photons weder praktisch noch theoretisch einnehmen können, heisst dies nicht, dass es diese Perspektive absolut nicht gibt (ontologisch wäre schwer erklärbar, warum eine Entität keine Position/Perspektive hat), sondern nur unter der Prämisse unseres Wahrnehmungs-Vermögen nicht gibt. - Ergo: Es kann andere (uns nicht zugängliche) Prämissen geben, die zu ganz anderen Ergebnissen führen.

Dass diese Erkenntnis nicht Grundlage jeglicher Philosophie zu sein scheint, erschüttert mich (Stichwort: Sophia).

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#823 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Savonlinna » Mo 1. Feb 2016, 15:51

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du willst also nicht, dass man Prämissen als Prämissen erkennt?
Genau das Gegenteil: Ich will, dass "menschliches Wahrnehmungs-Vermögen" als Prämisse erkannt wird.
Diese Forderung hast Du mir als "anthropozentrisch" ausgelegt.

Daraus schließe ich, dass Du Prämissen nicht grundsätzlich als Prämissen erkannt haben willst.
Andere sollen das zwar tun, nach Deiner Auffassung, aber wenn ich das Gleiche von Dir erwarte, dann nennst Du diese Erwartung "anthropozentrisch".

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#824 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Mo 1. Feb 2016, 16:09

Savonlinna hat geschrieben:Diese Forderung hast Du mir als "anthropozentrisch" ausgelegt.
Wenn man Prämissen als verbindlichen Maßstab auslegt, ist es anthropozentrisch. - Das tun oft Anhänger des Kritischen Rationalismus, wenn sie ihn nicht nur als Methodik, sondern auch als Weltanschauung verstehen - bzw. nicht reflektieren, dass "Methodik" und "Weltanschauung" zwei Paar Stiefel sind.

Savonlinna hat geschrieben:Andere sollen das zwar tun, nach Deiner Auffassung, aber wenn ich das Gleiche von Dir erwarte, dann nennst Du diese Erwartung "anthropozentrisch".
:?: Ich frage mich wirklich manchmal, warum so oft das Gegenteil von dem verstehst, was ich sage/meine.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#825 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Mo 1. Feb 2016, 16:17

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil Perspektive immer einen Betrachter impliziert
Das ist genau unser Missverständnis. - Nach meiner Definition kann es Standpunkte geben, selbst wenn sie nicht von Menschen eingenommen werden können. - Dass eine Standpunkt verloren ginge, weil er vom Menschen nicht besetzt werden kann, halte ich für anthropozentristisches Denken, gegen das ich genau - ziemlich vergeblich - angehe.

Achtung: Ich behaupte nie, einen vom Menschen nicht einnehmbaren Standpunkt trotzdem einnehmen zu können. - Die Aussage ist vielmehr: Es GIBT andere Standpunkte, die unsere Wahrnehmungs-Standpunkte relativieren, vielleicht sogar falsifizieren - wir wissen es nicht. - Es geht mir um die Relativierung dessen, was system-gebunden ("Wahrnehmung") als "Tatsachen" verkaufen wollen.
Kann es sein, dass du dich mal wieder in etwas verrannt hast?

"Perspektive (von lateinisch perspicere‚ hindurchsehen, hindurchblicken) bezeichnet die räumlichen, insbesondere linearen Verhältnisse von Objekten im Raum: das Abstandsverhältnis von Objekten im Raum in Bezug auf den Standort des Betrachters. Damit ist die Perspektive stets an den Ort des Betrachters gebunden und kann nur durch Veränderung der Orte der Objekte und des Betrachters im Raum verändert werden."
Quelle: Wikipedia

Das heißt: Die räumliche Perspektive benötigt einen Betrachter. Das gilt sogar im übertragenen Sinn. Ein Standpunkt vertritt sich nicht von selbst, er bedarf eines Verfechters, der diesen Standpunkt vertritt.
Im Falle der Photonen ist die Annahme einer Perspektive sogar noch unsinniger, weil physikalisch unmöglich.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#826 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Savonlinna » Mo 1. Feb 2016, 16:24

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Diese Forderung hast Du mir als "anthropozentrisch" ausgelegt.
Wenn man Prämissen als verbindlichen Maßstab auslegt, ist es anthropozentrisch. - Das tun oft Anhänger des Kritischen Rationalismus
Ich bin aber kein Anhänger des Kritischen Rationalismus.
Du hast es ja mir unterstellt, weil ich sagte, dass auch die Bedingtheit durch die Sprache erkannt werden muss.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Andere sollen das zwar tun, nach Deiner Auffassung, aber wenn ich das Gleiche von Dir erwarte, dann nennst Du diese Erwartung "anthropozentrisch".
:?: Ich frage mich wirklich manchmal, warum so oft das Gegenteil von dem verstehst, was ich sage/meine.
Ich verstehe Dich da keineswegs falsch. Du weigerst Dich durch die Bank, Bedingheit durch sprachliche Begriffe anzuerkennen.
Weil Du diese Prämissen nicht sehen willst, meinst Du, ich sähe das auch nicht.
Darum forderst Du von anderen, was Du bei Dir selber verweigerst.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#827 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Mo 1. Feb 2016, 16:55

sven23 hat geschrieben:Die räumliche Perspektive benötigt einen Betrachter.
Das muss aber nicht der Mensch sein. - Wäre Dir der Satz genehm: Aus jeder Entität im Raum-Zeit-Kontinuum gibt es eine räumlich-zeitliche Perspektive - egal ob wir diese besetzen können oder nicht. - Wenn dies meine Aussage deutlicher macht, dann mag dies eine Formulierung dazu sein.

Oder wäre es möglich, dass es Entitäten im Raum-Zeit-Kontinuum gibt, aus denen es NICHT eine räumlich-zeitliche Perspektive gibt? Nochmals: Völlig unabhängig davon, ob WIR diese Perspektive einnehmen können. - Was ist an dieser Frage so schwer? - Wie kann man diese Frage NICHT verstehen?

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#828 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Mo 1. Feb 2016, 16:56

Savonlinna hat geschrieben: Du weigerst Dich durch die Bank, Bedingheit durch sprachliche Begriffe anzuerkennen.
Ich weigere mich nicht, Bedingtheit der Wahrnehmung durch sprachliche Begriffe anzuerkennen. - Das ist Normalität (übrigens nicht die einzige Bedingtheit).

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#829 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Savonlinna » Mo 1. Feb 2016, 17:10

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Du weigerst Dich durch die Bank, Bedingheit durch sprachliche Begriffe anzuerkennen.
Ich weigere mich nicht, Bedingtheit der Wahrnehmung durch sprachliche Begriffe anzuerkennen.
Du weigerst Dich also, Bedingheit durch sprachliche Begriffe anzuerkennen.
Okay, verstanden.

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#830 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Janina » Mo 1. Feb 2016, 17:30

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Ja.
Da verwechselst Du möglicherweise "Standort"/"Perspektive" mit "wahrnehmungs-mäßig von besetzbare/n Standort/Perspektive".
Nein. Offenbar hast du ja auch keine Probleme damit, dich in ein Proton hin zu versetzen, obwohl du nicht durch die Ionenquelle passt, oder im Strahlrohr (Vakuum) nicht überleben könntest, abgesehen von der Klaustrophobie im Beschleuniger. Es geht hier nur um die mathematisch denkbare Einnahme einer Perspektive, die beim Photon unmöglich ist. Das ist ja wohl von Anthropozentrismus so weit entfernt wie clausadi vom Abitur.

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Was irgendwelche philosophischen Strömungen in etwas hineininterpretieren, spielt für die Physik keine Rolle.
System-bedingt: Zustimmung. - Das ändert nichts daran, dass damit diese Fragge offen bleibt.
Dass Fragen offen bleiben sind wir gewohnt. Oft beruhigt es die Nerven, die Fragen aufzugeben, wenn sie nicht zur Physik passen.

closs hat geschrieben:Es geht allenfalls darum zu ermitteln, wie weit Physik Fragen abdecken kann.
Idealerweise nicht weiter als über den Labortisch. (Vorsicht, das Labor kann groß sein, besonders bei Kosmologen ;-) )

Antworten