War der Sündenfall von Gott geplant?

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Thaddäus
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#281 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Thaddäus » Sa 30. Jan 2016, 09:22

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Nicht jeder abolute Blödsinn ist gerechtfertigt, nur weil irgendein Schwachkopf daran glaubt!
Selbstverständlich richtig - wer behauptet anderes?
In der Konsequenz - du.
Wenn du bestreitest, dass korrekte Sachverhalte letztlich nicht von falschen Sachverhalten unterschieden werden können, weil es stets eine Frage der gewählten Prämissen ist, ob ein Sachverhalt korrekt ist oder nicht, dann behauptest du nicht weniger, als das es eben keine wahren Sachverhalte gibt. Damit aber kann Beliebiges mit derselben Berechtigung behauptet werden, ohne die Möglichkeit zu entscheiden, ob das Behauptete einem wahren Sachverhalt entspricht.
Dies ist radikalkonstruktivistischer Unsinn. Es gibt für die meisten philosophischen Behauptungen die Möglichkeit, vernünftig zu entscheiden, ob diese Behauptung plausibel ist oder nicht. Ist sie es nicht, muss sie fallen gelassen werden.

Der radikale Konstruktivismus fällt dagegen eimal mehr einem Retorsionsargument zum Opfer.
Verkürzt behauptet der Konstruktivismus, dass die Welt eine reine Konstruktionsleistung des subjektiven Geistes bzw. des Organs Gehirn ist und der Neurokonstruktivismus versucht diese These durch empirische neurologische, medizinische und biologische Befunde zu erhärten.
Wenn aber die Welt tatsächlich nichts als eine komplexe Konstruktionsleistung des Gehirns ist, dann ist auch all unser empirisches Wissen über die Neurologie und Biologie unseres Gehirns, dann sind alle Untersuchungen des Gehirns in Kernspintomographen oder mit sonstigen bildgebenden Verfahren, auch über EEG usw. ebenfalls nichts anderes als eine bloße Konstruktionsleistung unseres Gehirns! Wenn die Welt letztlich unsicher bis unerkennbar ist, da sie ja nur eine Konstruktion unseres Gehirns ist, dann sind alle unsere empirischen biologischen und neurologischen Befunde über die Beschaffenheit und Arbeitsweise unseres Gehirns, ebenfalls bloße Konstruktion und damit grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.
Insbesondere der radikale Neuro-Konstruktivismus widerlegt sich als philosophische Behauptung selbst in dem Augenblick, in dem man ihn auf sich selbst anwendet (= Retorsion, von lat: "retorquere" = zurückdrehen).

closs hat geschrieben: Dass sie innerhalb dieses Sektors Unsinn von Nicht-Unsinne unterscheiden kann, mag zugestanden sein - aber sie kann es eben nur innerhalb ihres selbst-gewählten Terrains.
Das Terrain der Philosophie ist das vernünftige Denken und damit universell.
Man mag bestreiten, dass es Vernunft überhaupt gibt. Will man diese These aber verteidigen, muss man bereits wieder auf vernünftiges Denken und vernünftige Argumente zurückgreifen. Ansonsten bleibt es lediglich eine unbegründete Behauptung.

closs hat geschrieben: - Das heisst: Sie transportiert die Begrenztheit der Naturwissenschaft in die Philosophie - Fortschritt?
Die Naturwissenschaften haben sich aus der Philosophie entwickelt und nicht umgekehrt. Sie haben dabei das (mehr oder weniger) strenge methodische Vorgehen und das rational-vernünftige Argmentieren aus dieser mitgenommen. Hinzu kamen lediglich das grundsätzliche empirische Vorgehen in den Naturwissenschaften und das wiederholbar sein müssende Experiment.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das zeigt ein Grundproblem des Glaubens selbst auf: sich nämlich abgrenzen zu müssen vom kollossalen Blödsinn.
Korrekt. - Schützen kann man sich nur dagegen, wenn man auf "Glaube" verzichtet und nur noch das als "relevant" versteht, was nachweisbar ist. - Dann allerdings bleibt die Frage, was das Wort "Philosophie" eigentlich noch soll.
Das sollte jetzt klar sein.

closs hat geschrieben: Aus meiner Sicht ist nach wie vor die Grundfrage, ob die Philosophie unabhängig von Methoden (Kritischer Rationalismus) und Gesellschafts-Trends (Säkularisierung) bleiben will oder nicht - konkret: ob man transzendent "über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet" oder ob man es lässt.
Das kann man in der Philosophie alles machen, insofern man vernünftig und plausibel-nachvollziehbar argumentiert. Dann sind auch plausible Einsichten und Abwägungen darüber möglich, welche Behautung sinnvoll ist und welche nicht sowie welche Sachverhalte entweder sicher oder mit Wahrscheinlichkeit korrekt sind und welche falsch. Nicht immer ist das eindeutig, aber oft!
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 30. Jan 2016, 09:54, insgesamt 3-mal geändert.

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Thaddäus
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#282 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Thaddäus » Sa 30. Jan 2016, 09:40

Münek hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Na - von allen möglichen Allerweltssünden, die er wie jeder andere auch (in den dreißig Jahren) begangen hatte.
Mit Behauptungen bist Du immer vorne weg-gelle? :shock: Spucke es aus-wo hat Jesus je gesündigt? :roll:
Na da, wo er aufgewachsen ist - in seiner Heimat in Galiläa. Du stellst Fragen.
Frage mal lieber, weshalb Jesus sich von Johannes taufen ließ. Das wäre mal `ne gescheite Frage.
In der Tat.
Welche Sünden Jesus seiner eigenen Meinung nach begangen hat, wird nicht erwähnt. Aber die Tatsache, dass er sich der Taufe Johannes des Täufers unterzog belegt, dass er selbst glaubte, gesündigt zu haben. Ansonsten macht der Taufakt durch Johannes nämlich keinerlei Sinn.
Die Johannestaufe symbolisierte Vergebung von Sünden und rief den Getauften zur Umkehr wegen der Nähe des Reiches Gottes auf. Dies kontrastiert bei der Taufe Jesu mit dessen Akklamation als Sohn Gottes. Auch die mit dem Akt der Taufe verbundene Unterordnung Jesu unter Johannes, vielleicht auch längere Zeit einer Jüngerschaft Jesu wurde schon von Urchristen als anstößig empfunden. Daher gilt das Ereignis selbst als historisch gesichert (Differenzkriterium). [aus: Wiki, zum Stichwort: "Taufe Jesus"]
Erst nachdem Ur-Christen angefangen hatten, Jesus als Gottesohn und damit als sündlos sein müssend zu verstehen, wurde das historische Faktum der Taufe Jesu zum großen Problem. Dieses Problem wurde nachfolgend dadurch zu lösen versucht, dass Jesus zwar sündlos war, sich aber trotzdem von Johannes taufen ließ. Das ergibt zwar hinten und vorne keinen rechten Sinn (wenn überhaupt hätte sich Johannes von Jesus taufen lassen müssen!), aber anders kam man aus der Nummer nicht mehr heraus. Die Taufe Jesu durch Johannes muss auch allgemein bekannt gewesen sein, denn man konnte sie offenbar nicht einfach verschweigen. Also musste sie umgedeutet werden.

Dasselbe liegt vor bei dem Sachverhalt, dass Jesus Schüler des Johannes war und nicht umgekehrt.

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Savonlinna
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#283 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Savonlinna » Sa 30. Jan 2016, 10:28

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Das soll wohl so sein. Jahwe wollte schließlich von seinem Volk verstanden werden.

Die Verfasser der Erzählung vollten von ihrem jeweiligen Adressaten verstanden werden.
Ratzinger spricht von den Verfassern der Erzählung, deren Niederschrift auf göttliche Offenbarung beruhe, aber gefiltert von den Bedingungen der Schreiber.

Da hast Du Ratzinger wohl falsch verstanden.

Ratzinger schrieb, dass die göttlich inspirierten Verfasser der biblischen Texte - weil sie unterschiedlichen Epochen angehörten - sich in Sprache und Stil unterschieden. Diese Unterschiedlichkeit fungiert doch nicht als Filter.

Es gäbe diesen Unterschied nicht - und das meint Ratzinger - , wenn der "Heilige Geist" den Schreibern den Text wortwörtlich eingegeben, sozusagen diktiert hätte. Das lehnt er ab. Es geht lediglich um die Unterschiedlichkeit in Sprache und Stil, nicht
um den "göttlichen" Inhalt der Texte
.

Ich versuche noch einmal zu beschreiben, was Ratzinger meiner Sicht nach sagt:

Jeder Mensch ist gebunden an seine Epoche und sein persönliches Verstehen.
Wenn ihm etwas "offenbart" wird, das göttlicher Herkunft sei - im Schreibprozess -, dann wirkt dieses Gebundensein an sein persönliches Verstehen wie ein Filter, der das Offenbarte nicht "pur" durchkommen lässt, sondern entsprechend seines Verstehens gefiltert wird.

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#284 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » Sa 30. Jan 2016, 10:59

Münek hat geschrieben:Auf jeden Fall werden Esoteriker, Okkultisten und Spiritisten Deiner Sichtweise aus vollstem Herzen zustimmen.
Das ist die Gefahr dabei. - Will man sich dieser Gefahr nicht aussetzen, muss man halt dumpf naturalistisch bleiben nach dem Motto: "Kennen wir nicht, essen wir nicht".

Münek hat geschrieben:Gegen diese Auffassung wird sich unser lieber Kurt mit Händen und Füßen wehren.
Ja - denn eine Disziplin, die per Selbst-Definition nicht wissen darf, was "geistig" ist (es sei denn, man unterzieht dieses Wort einer gewaltsamer Bedeutungs-Änderung), kann auch nicht unterscheiden, was geistig ist und was nicht geistig ist.

Es reicht nicht, aus Nicht-Historizität zu schließen, dass etwas geistig ist. - Denn erstens kann auch Historizität geistig sein, außerdem kann Nicht-Historizität umgekehrt genauso geistig wie ungeistig sein. - Das haut nicht hin.

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Thaddäus
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#285 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Thaddäus » Sa 30. Jan 2016, 11:12

Savonlinna hat geschrieben: Ich versuche noch einmal zu beschreiben, was Ratzinger meiner Sicht nach sagt:

Jeder Mensch ist gebunden an seine Epoche und sein persönliches Verstehen.
Wenn ihm etwas "offenbart" wird, das göttlicher Herkunft sei - im Schreibprozess -, dann wirkt dieses Gebundensein an sein persönliches Verstehen wie ein Filter, der das Offenbarte nicht "pur" durchkommen lässt, sondern entsprechend seines Verstehens gefiltert wird.
Ja, das möchte sein, doch geht diese christliche Argumentation stillschweigend immer davon aus, dass sich Gott ausschließlich in den christlichen Texten offenbart.
Die Begründung der Heiligkeit eines Textes mit der Verbalinspiration kann jederzeit auch auf einen mit göttlicher Inspiration niedergeschriebenen Koran oder die Bücher Mormons angewendet werden, so dass sich göttliche Offenbarung über Verbalinspiration in jeder Schrift finden lässt, die von sich auch nur behauptet, sie sei verbalinspiriert oder von der irgendein Gläubiger dies behauptet. Ja selbst die radikal-islamistische Interpretation des Koran durch die ISIS läßt sich so begründen, da sie sich ebenfalls auf einen verbalinspirierten Koran bezieht.

Eine Berufung auf göttliche Verbalinspiration kann jederzeit für jede vermeintlich hl. Schrift beansprucht werden. Sie klärt nicht die Frage, auf welche der zahllosen hl. Schriften der Religionen dieser Welt sie denn nun faktisch zutreffen soll. Die Verbalinspirationslehre ist damit eine Behauptung, die nicht einmal plausibel erklären kann, auf welche hl. Schrift sie angewendet werden soll.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 30. Jan 2016, 11:38, insgesamt 1-mal geändert.

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Savonlinna
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#286 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Savonlinna » Sa 30. Jan 2016, 11:31

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ob diese Verfasser historisch getreu sein wollten oder ob sie eine mythische Erzählung schrieben, die von vornherein nichts oder nur wenig Historisches enthalten sollte - das zu klären, dazu ist die historisch-kritische Methode da.

Nach einem Artikel "Das Exodus-Buch" in bibelwissenschaft.de beinhaltet das Buch Exodus weniger Historisches, sondern vor allem Theologisches.
Wer oder was Jahwe ist, sei diesen Schriftstellern "offenbart" worden, das heißt, beim Schreiben sind sie, nun laut Ratzinger, inspiriert.
http://www.bibelwissenschaft.de/de/wibi ... 692f0/#h13

Man kann übrigens hier sehr schon sehen, dass es nicht extra einer "geistigen Deutung" der Bibel bedarf, denn die historisch-kritische Methode versteht zu klären, ob etwas von den Verfassern geistig gemeint sei oder nicht.

Gegen diese Auffassung wird sich unser lieber Kurt mit Händen und Füßen wehren. :)

Die historisch-kritische Methode leistet eben sehr viel mehr, als man sich als Laie so vorstellt.
Sie versucht vor allem zu rekonstruieren, wie in der jeweiligen Zeit das Verständnis von "Literatur" war, also von literarischer Dichtung.

Mein Lieblingsbeispiel dazu ist die Erzählung von der "Opferung" des Isaak.
Die wird gerade von Bekämpfern des Glaubens leidenschaftlich gerne als Beispiel für die Grausamkeit und Unmenschlichkeit des Jahwe zitiert.
Dieses Wörtlich-Lesen - worauf gerade neue Atheisten so gerne bestehen - verfehlt aber den Text.

Zu meiner Freude hat gestern Thaddaus weiter oben in diesem Thread - Fr 29. Jan 2016, 19:12 - genau dieses Beispiel aufgegriffen und das Ergebnis theologischer Forschung in diesem Punkt angeführt; ich zitiere:

Thaddäus hat geschrieben:Die Beinahe-Opferung Isaaks durch Abraham wird theologisch als eine ätiologische Erzählung angesehen, die also nachträglich erklärt und begründet, warum Menschenopfer nicht mehr nötig sind und durch Tieropfer ersetzt werden können. Das bedeutet natürlich, dass es eine Zeit gegeben haben muss, wo möglicherweise auch YHWH Menschenopfer dargebracht wurden. Dies ist aber nicht durch andere Textstellen oder archeologisch erwiesen.

Die Isaak-Erzählung wurde zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft - oder später - "erfunden", um eben die Menschenopfer gerade zu überwinden.
Der naive Leser wirft dem Gott der jüdischen Bevölkerung vor, dass er Isaak draufgehen lassen wollte - aber es ist eben kein historisches Ereignis, sondern eine literarische Veranschaulichung, dass Gottesbilder sich ändern.

Die Erzählung selber ist also bereits "geistig", der Verfasser schreibt geistig, also mythisch, also bildhaft, was - und das ist das Entscheidende - damals von den Zuhörern oder Lesern noch als geistig verstanden wurde.

Man las und verstand nicht konkretistisch wie heute, sondern "mythisch", sah also eine Erzählung als Erzählung an, deren Inhalt allerdings "geistig wahr" war, auch wenn es nie diesen Befehl Jahwes, Isaak zu töten, gegeben hat, ja, selbst wenn es Isaak nie gegeben hat.

Die historisch-kritische Methode also als "ungeistig" anzusehen, kann nur auf Unkenntnis oder Unverstehen beruhen.
Es ist doch gerade umgekehrt das Tolle an ihr, dass sie freizuschaufeln sucht, wie man früher Dichtung empfand.

Damit wird eine Mentalität versucht zu rekonstruieren, die mythisches Geschehen als real empfand.
Wirklich verloren ist heute diese Mentalität allerdings nicht, weil gerade dichterische Schriftsteller und Künstler der darstellenden Künste - Schauspieler, Opernsänger - dies in sich wiederbeleben müssen, um überhaupt künstlerisch tätig sein zu können.

Jetzt kommt aber noch ein weiterer Punkt:
viele lesen ja heute diese alten mythischen Geschichten.
Und da ist gerade die katholische Kirche darin stark, dass sie Wege zu finden sucht, wie sie in den heutigen Christen "vergegenwärtigt" werden können. ->

Ich kann mich an eine Fernsehübertragung erinnern, zur Zeit, als Benedikt Papst war, wo vor dem Kolosseum Roms an Karfreitag der jährliche sogenannte "Kreuzweg" zelebriert wurde.

Da hatte Benedikt in Auftrag gegeben, dass eine Künstlerin die Texte dazu neu schrieb. Diese Texte hatten das Ziel, das Karfreitaggeschehen so zu aktualisieren, als geschehe es jetzt gerade. Und so wurde es auch vor dem Kolosseum inszeniert:
man versuchte sich in Pilatus und seine inneren Schwierigkeiten hineinzuversetzen, indem man diese Problematik als moderne, heutige umsetzte.

closs
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#287 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » Sa 30. Jan 2016, 11:44

Thaddäus hat geschrieben: Die Wahl der Methode ist keine Prämisse, sondern die Wahl einer Perspektive auf unterschiedliche Problemstellungen.
Das ist aus meiner Sicht dasselbe - denn man entscheidet damit, was man sehen kann und was nicht.

Thaddäus hat geschrieben: Die unhintergehbare Prämisse in der Philosophie besteht allein darin, dass vernünftiges Argumentieren und Logik angewendet werden, so dass in jedem Falle also an die Vernunfteinsichtsfähigkeit des Menschen appelliert wird.
Zustimmung - allerdings wird es kritisch, wenn philosophisch definiert wird, was "vernünftig" sei. - Es gibt bspw. analytische Philosophen, die "Vernunft" nur unter kritisch-rationalistischen Gesichtspunkten gegeben sehen. - Setzt man dies für die eigene Disziplin, ist dies ok - setzt man es als Voraussetzung für alle philosophischen Disiziplinen, ist es un-philosophisch.

Thaddäus hat geschrieben:Die analytische Philosophie schließt Transzendenz keineswegs aus!
Dein Wort in Gottes Ohr - da würde mich einmal ein Ergebnis analytischer Philosophie zu "Transzendenz" interessieren. - Oder wie man "transzendent" überhaupt dort definiert - denn die größten Eingriffe geschehen meistens nicht in der Argumentation, sondern in den Definitionen vorher.

Thaddäus hat geschrieben:Sophia, also Weisheit gründet sich in der Philosophie und in jeder einzelnen ihrer historischen Strömungen stets auf die unhintergehbare Vernunfteinsicht.
Absolut einverstanden, wenn man "Vernunft" als das definiert, das seine Grenzen zu erkennen in der Lage ist.

Thaddäus hat geschrieben: nachvollziehbaren Schlüssen
Ich glaube zu beobachten, dass vieles an "Vernunft" (in meinem Verständnis) heute aufgrund von streng normatierten Denkweisen (Materialismus) nicht mehr nachvollziehbar ist. - Es besteht also die Gefahr, dass man den Geltungsbereich der Philosophie ("Nachvollziehbarkeit") seinen eigenen schwindenden Möglichkeiten ("normierte Denkweisen") anpasst.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du bestreitest, dass korrekte Sachverhalte letztlich nicht von falschen Sachverhalten unterschieden werden können, weil es stets eine Frage der gewählten Prämissen ist, ob ein Sachverhalt korrekt ist oder nicht, dann behauptest du nicht weniger, als das es eben keine wahren Sachverhalte gibt.
Wenn DU das nicht kapierst, hast Du meiner Ansicht nach DIE Voraussetzung zum Eintritt in die Philosophie verfehlt - aber vielleicht verstehen wir uns ja auch nur falsch - also der Reihe nach:

Aus menschlicher Sicht gibt es NUR System-Wahrheiten, also Wahrheiten infolge von EIGENEN Setzungen. - Im Grunde ist dies leicht mit Descartes leicht erklärt, der meint, dass der Mensch über das "Cogito" nichts sicher wissen kann, weil er SETZEN muss, dass jegliche Res extensa authentisch durch die Wahrnehmung gefasst werden können. "Res extensa" fangen schon bei Deinem Bauch an, wenn Du an Dir runterguckst. - Descartes löst dieses Problem mit seinem Postulat/Prämisse, dass wir glauben (!) müssen, es mit einem "wohlwollende Gott" zu tun zu haben, der dies so eingerichtet hat. - Aber "Glaube" ist nun mal halt immer "Setzung"/"Prämisse".

Nun kommen schlaue Philosophen, die dies faslifizieren - aber auch falsifizieren kann man nur auf Basis einer Setzung. - Die Setzung hier scheint mir zu sein (bin noch nicht ganz durch), dass die Welt als physikalisch angenommen wird - dann kann man falsifizieren. - Aber das ist eben lediglich eine Falsifizierung auf Basis eines Glaubens.

Unter "Vernunft" versteht dann der nächste, sei zu verstehen, was - salopp gesagt - ohne Berücksichtigung der Erkenntnisse von Descartes nachvollziehbar ist - dann misst man die Welt anhand des Materialismus. - Das ist aber eine Präjudizierung, die einem Philosophen nicht passieren darf - es sei denn, er verabsolutiert diese Präjudizierung nicht, sondern versteht diese als EINEN Ansatz für eine bestimmte philosophische Disziplin. - Das scheint aber gerade NICHT zu geschehen, wenn man diese Präjudizierung als Grundlage dafür verwendet, was sich "Philosophie" nennen dürfe und was nicht.

Aus meiner Sicht beinhaltet "Vernunft" auch die Untersuchung der Vernunft selbst - eigentlich die Voraussetzung zum Einstieg in die Philosophie. - Konkret zu Deiner Anmerkung:
Ja - ob ein Sachverhalt korrekt ist oder nicht, ist tatsächlich stes eine Frage der gewählten Prämisse. Im Gegensatz zu Deiner Auffassung ist diese Erkenntnis nicht der Ausstieg aus der Philosophie, sondern der Einstieg in die Philosophie. - Korrekte Sachverhalte können selbstverständlich von nicht-korrekten unterschieden werden - aber nur auf Basis einer "perspektivischen Kalibrierung", wenn ich mir erlauben darf, diesen Begriff hier mal zu einzuführen.

Thaddäus hat geschrieben:Es gibt für die meisten philosophischen Behauptungen die Möglichkeit, vernünftig zu entscheiden, ob diese Behauptung plausibel ist oder nicht.
Im Rahmen ihres Perspektive - ja. - Aber nicht notwendigerweise absolut - was wäre überhaupt "absolut"?

Thaddäus hat geschrieben:Insbesondere der radikale Neuro-Konstruktivismus widerlegt sich als philosophische Behauptung selbst in dem Augenblick, in dem man ihn auf sich selbst anwendet (= Retorsion, von lat: "retorquere" = zurückdrehen).
Prinzipiell ist es so - es sei denn, man glaubt (!), dass menschliche Wahrnehmung grundsätzlich keine Täuschung ist.

Insofern würde ich nach meinem Begriffs-Verständnis sagen: Praktisch hast Du recht, philosophisch :) ich.

Thaddäus hat geschrieben:Der radikale Konstruktivismus fällt dagegen eimal mehr einem Retorsionsargument zum Opfer.
Tja - das Retorsionsargument kann zweierlei bedeuten:
1) Wenn man dieses Argument zu Ende denkt, bleib ja nix mehr übrig - also drehen wir den Spieß um, und interpretieren, dass es einfach so nicht zu sein hat. - Das scheint gängig zu sein.
2) Man landet bei Sokrates ("Ich weiss, dass ich nichts weiss") oder bei Augustinus ("Si enim fallor, sum") oder bei Descartes ("Cogito" - alles andere sind Res extensa).

Würdest Du sagen, dass Sokrates, Augustinus und Descartes aus dem philosophischen Kanon rausgenommen werden sollten, weil sie DInge zu Ende denken? :D

Thaddäus hat geschrieben:Ansonsten bleibt es lediglich eine unbegründete Behauptung.
Allein dialektisch ist die Frage möglich: Was ist die Aufhebung/Synthese von Vernunft. - Ich kenne die Antwort nicht, aber da läge die Begründung.

Thaddäus hat geschrieben:Man mag bestreiten, dass es Vernunft überhaupt gibt.
Das nicht - aber wie Du siehst, muss man definitorische Vorprägungen des Wortes "Vernunft" genau untersuchen. - "Vernunft" wir vom einen als reine Wahrnehmung-Größe (= menschliche Vernunft) verstanden - anderes projezieren "menschliche Vernunft" (verstanden als "ebenbildiche Vernunft") dialektisch hoch un kommen zum Ergebnis, dass die göttliche Vernunft dimensional größer ist. - Deshalb die Frage: Versteht die heutige Philosophie "Vernunft" rein unter anthropozentrischen Gesichtspunkten? Das wäre eine Prämisse. - Oder als universalen Begriff?

Thaddäus hat geschrieben:Das kann man in der Philosophie alles machen, insofern man vernünftig und plausibel-nachvollziehbar argumentiert.
Unsere Diskussion zeigt mir, dass da der Hase im Pfeffer liegt. - Was versteht eine Zeit unter "plausibel-nachvollziehbar"? - Was "plausibel-nachvollziehbar" "ist", oder was sie dafür hält?

closs
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#288 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » Sa 30. Jan 2016, 11:48

Thaddäus hat geschrieben:Die Verbalinspirationslehre ist damit eine Behauptung, die nicht einmal plausibel erklären kann, auf welche hl. Schrift sie angewendet werden soll.
Stimmt - zumal "Licht der Wahrheit" und "brillanter Schein" für den Menschen ziemlich gleich aussehen. - Die "Verbal-Inspiration" schafft mehr Fragen als Antworten.

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#289 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Novas » Sa 30. Jan 2016, 12:01

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Thaddäus hat geschrieben:auch die Metaphysik muss also vernünftig argumentieren, was die Philosophen-Theologen der Scholastik ja auch versucht haben, z.B. in Form ausgearbeiteter Gottesbeweise u.a. Die wurden wiederum von Kant nachhaltig vernünftig krisitisert.
Die analytische Philosophie schließt Transzendenz keineswegs aus!

Damit haben wir schon eine gemeinsame Basis.... ;) Wir können grundsätzlich vier Wege der Erkenntnis unterscheiden:

1. Durch sinnliche Wahrnehmung (fehlbar aufgrund möglicher Sinnestäuschung)
2. Durch den Verstand (sehr nützlich, aber selbst die beste Argumentation ist fehlbar und kann wieder bezweifelt werden)
3. Die Überlieferung durch "Heilige Schriften" (was ebenfalls fehlbar ist, da der menschliche Verstand interpretiert)
4. ERKENNTNIS.durch den "HEILIGEN GEIST" (es gibt die Möglichkeit 'göttliches Wissen' zu gewinnen)

Die Frage ist eben: glaube ich daran, dass Wissen ausschließlich durch sinnliche Wahrnehmung und den Verstand gewonnen werden kann? Oder gibt es in meinem Weltbild und Denken auch Raum für den HEILIGEN GEIST?

Mir genügt es schon, wenn jemand dafür offen ist.

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Thaddäus
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#290 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Thaddäus » Sa 30. Jan 2016, 12:04

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Die Wahl der Methode ist keine Prämisse, sondern die Wahl einer Perspektive auf unterschiedliche Problemstellungen.
Das ist aus meiner Sicht dasselbe - denn man entscheidet damit, was man sehen kann und was nicht.
Ich trenne die Antwort auf folgende Einwände von dir ab, denn sie sind wesentlich.
Nein, eine Methode ist keine Prämisse!

Die Wiki-Def. macht das geich im ersten Satz deutlich:
Als Prämisse (lat. praemissa „das Vorausgeschickte“) oder Vordersatz bezeichnet man in der Logik eine Voraussetzung oder Annahme. Sie ist eine Aussage, aus der eine logische Schlussfolgerung gezogen wird.
Das Anwenden einer Methode ist keine Aussage, aus der eine Schlussfolgerung gezogen wird, sondern lediglich ein bestimmtes methodisches Vorgehen, welches in sich natürlich vernünftig sein muss.
Dies stellt selbstverständlich eine Methodenauswahl statt, jedoch garantieren die Methoden der Philosophie in ihrer Gesamtheit einen umfassenden Blick auf das zu untersuchende Problem. Am Ende versucht jede philosophische Strömung aber möglichst vernünftig und einleuchtend zu sein, um den Wettstreit der besten Erklärung eines philosophischen Problems zu gewinnen - eben weil es die einleuchtendste und damit beste Erklärung ist. Gelingt dies nicht, weil zwei unterschiedliche Methoden und Erklärungen ähnlich plausibel sind, dann bleiben sie bis auf Weiteres so stehen und zeigen aber auf, welche anderen Erklärungen möglicherweise aus diesem Wettstreit herausfallen, da sie eben nicht so einleuchtend sind.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die unhintergehbare Prämisse in der Philosophie besteht allein darin, dass vernünftiges Argumentieren und Logik angewendet werden, so dass in jedem Falle also an die Vernunfteinsichtsfähigkeit des Menschen appelliert wird.
Zustimmung - allerdings wird es kritisch, wenn philosophisch definiert wird, was "vernünftig" sei. -
Nein, die Philosophie bestimmt den Vernunftbegriff wiederum mit den den Mitteln der Vernunft. Insofern sind die Vernünftigkeit und die Vernunfteinsicht unhintergehbar. In einem allgemeinsprachlichen und auch im strengen Sinne bedeutet es, einen Begründungszusammenhang als vernünftig zu verstehen, ihn als unmittelbar einleuchtend zu bewerten. Wie das überhaupt möglich ist, steht dabei zunächst nicht zu Debatte. Klar ist nämlich, das auch deine hier zitierte Kritik an meiner Darstellung an meine Vernünftigkeit und Vernunfteinsicht und die anderer Leser appelliert.

closs hat geschrieben: Es gibt bspw. analytische Philosophen, die "Vernunft" nur unter kritisch-rationalistischen Gesichtspunkten gegeben sehen. - Setzt man dies für die eigene Disziplin, ist dies ok - setzt man es als Voraussetzung für alle philosophischen Disiziplinen, ist es un-philosophisch.
Die Vernunft funktioniert für analytische Philosophen grundsätzlich genau so wie für Existenzialisten oder Metaphysiker oder Hegel oder dem Mann und die Frau auf der Straße. Wäre dem nämlich nicht so, könnten philosophisch-vernünftige Argumente nicht überzeugen, wie überhaupt vernünftige Überlegungen zu was auch immer niemanden überzeugen könnten, da jeder seinen eigenen Vernunftbegriff hätte. Auch die mathematische Schlüsse müssen prinzipiell für alle gleich überzeugend sein. Sind sie das nicht, sind diese mathematischen Konstrukte und Schlussfolgerungen für manche Menschen vielleicht einfach zu kompliziert.

Du verwechselst die Diskussionen über den Vernunftbegriff zb. in der Aufklärung oder in der kritischen Theorie etc. mit der Vernünftigkeit und die unmittelbare Vernunftseinsichtsfähigkeit, die grundsätzlich jedem Menschen zukommt (obwohl diese Einsichtsfähigkeit unterschiedlich ausgeprägt sein kann).
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 30. Jan 2016, 12:45, insgesamt 7-mal geändert.

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