Von einer Jungfrau geboren?

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sven23
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#531 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » So 24. Jan 2016, 08:55

Das "Ideal" der Jungfräulichkeit traf natürlich bei Neurotikern wie Paulus und später Augustinus auf fruchtbaren Boden:

"Stattdessen wird das Ideal der Jungfräulichkeit propagiert. Augustinus empfiehlt die
Josefsehe, also das Zusammenleben mit seiner Ehefrau ohne Sex, wie Bruder und
Schwester und wie angeblich auch Maria und Josef. In absurden, aber durchaus von ihm
ernst gemeinten Überlegungen geht Augustinus der Frage nach, ob es schon im Paradies
Geschlechtsverkehr gegeben hat. Augustinus phantasiert anfangs von einer
geschlechtslosen Verbindung von Mann und Frau, Kinder wurden ohne Geschlechtsakt
gezeugt (Ranke-Heinemann, S. 93). Später meint er dann, dass die Kinder doch
geschlechtlich gezeugt worden seien, denn, so sein Gedankengang: Wozu seien die
Frauen denn sonst geschaffen worden, wenn nicht zum Kinderkriegen? Für geistige und
körperliche Tätigkeiten sind sie bei ihm nicht zu gebrauchen. Aber es steht für ihn fest,
dass es im Paradies zumindest keine Lust gab. Der Geschlechtsakt, wenn er denn
stattfand, war lustlos (mancher Ehefrau mag dies bekannt vorkommen), und die
Geschlechtsorgane haben die Menschen allein durch den Willen beherrscht. Erst nach
dem Sündenfall sei die Libido entstanden. Alles in allem abstruse Spinnereien des
bedeutendsten Kirchenvaters des Westens. Wie kommt ein Mensch zu solchem Unsinn?
Was uns Augustinus hier offenbart, sind nicht göttliche Weisheiten, sondern die
Abgründe seiner eigenen neurotischen Psyche, seines eigenen potenzierten
Schuldkomplexes."

Kubitza, Jesuswahn
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Novas
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#532 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Novas » So 24. Jan 2016, 09:03

:roll: Die "Jungfrau" ist einfach ein Archetyp des Weiblichen. Es gibt auch die Legende von der Jungfrauengeburt des Buddha. Ich zitiere es noch mal:

Die Feier unserer Geburt aus dem zeitlosen Seinsgrund


Als ich zum ersten Mal nach Japan kam, staunte ich über Bilder von der Jungfrauengeburt von Siddharta, Shakyamuni Buddha. Seine Mutter hält sich in graziöser Haltung am Zweig eines Sandelholzbaumes fest und der kleine Shakyamuni tritt aus ihrer rechten Seite heraus. Seine Mutter soll geträumt haben, ein Bodhisattva (eine Gottheit) gehe in ihren Leib ein. Ihr Schoß blieb unverletzt. Nach der Geburt kam ein alter Mann und weissagte, aus diesem Kind werde eine erlösende Gestalt für die Menschheit erwachsen
http://www.benediktushof-holzkirchen.de ... nacht.html

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sven23
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#533 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » So 24. Jan 2016, 09:29

Novalis hat geschrieben::roll: Die "Jungfrau" ist einfach ein Archetyp des Weiblichen. Es gibt auch die Legende von der Jungfrauengeburt des Buddha. Ich zitiere es noch mal:
Eben, es sind Mythologien in vielen Religionen, die keine Begründung in der Realität haben.
Warum die Kirche auf die Schnapsidee kam und daraus ein historisches Ereignis machte und dies auch noch verdogmatisierte, bleibt wohl ihr Geheimnis.
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#534 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Novas » So 24. Jan 2016, 09:47

sven23 hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben::roll: Die "Jungfrau" ist einfach ein Archetyp des Weiblichen. Es gibt auch die Legende von der Jungfrauengeburt des Buddha. Ich zitiere es noch mal:
Eben, es sind Mythologien in vielen Religionen, die keine Begründung in der Realität haben.
Warum die Kirche auf die Schnapsidee kam und daraus ein historisches Ereignis machte und dies auch noch verdogmatisierte, bleibt wohl ihr Geheimnis.

Die Möglichkeit von "Wundern" wird von christlicher Seite jedenfalls nicht ausgeschlossen. Nur kann man soetwas eben nicht beweisen. Der Islam spricht übrigens ebenfalls von der Jungfrauengeburt Marias. Hier genauere Informationen:

Maria hat sich von ihrer Familie zurückgezogen; da sendet Gott einen Engel (wörtlich: „unseren Geist“; in Sure 3,45 sind es mehrere Engel) zu ihr in Gestalt eines Mannes, der sich ihr als Gesandter Gottes vorstellt und ihr die Geburt eines „lauteren Jungen“ ankündigt. Ähnlich wie im Neuen Testament fragt Maria: „Wie sollte ich einen Jungen bekommen, wo mich kein Mann berührt hat?“ Sie erhält die Antwort: „Dein Herr sagt: Es fällt mir leicht“ – Wenn Gott etwas beschlossen hat, kann er es auch ausführen.

Jesus wird im Koran als „Sohn der Maria“ bezeichnet, um zu betonen, dass er keinen menschlichen Vater hat, sondern einem Wunder Gottes sein Leben verdankt.

Geschöpf Gottes

In Sure 3,47 wird das noch deutlicher ausgedrückt: „Das ist Gottes Art. Er schafft, was er will. Wenn er eine Sache beschlossen hat, sagt er zu ihr nur: sei!, dann ist sie.“ – Durch das Wort des allmächtigen Schöpfers wird in Maria ein menschliches Wesen geschaffen. Sure 3,59 betont, dass es sich mit Jesus ähnlich verhält wie mit Adam; auch zu diesem sagte Gott nur: „Sei!“ und da war er.

Die Jungfrauengeburt ist nach dem Koran lediglich eine Demonstration der Macht Gottes. Sie ist nicht ein zeichenhafter Hinweis auf einen besonderen, für menschliche Sinne nicht wahrnehmbaren Vorgang von heilsgeschichtlicher Bedeutung: dass das ewige Wort Gottes „Fleisch“ wird (Joh 1,14); dass der Sohn Gottes, der von Ewigkeit her in göttlicher Gestalt war, menschliche Gestalt annimmt (Phil 2,6+7).
https://www.orientdienst.de/muslime/min ... su_geburt/

Aus islamischer Sicht demonstriert die Jungfrauengeburt die Macht Gottes (Sure 3, 47), während sie aus christlicher Sicht ein zeichenhafter Hinweis dafür ist, dass das 'ewige Wort Gottes Fleisch wird'. Das Entscheidende ist: die Geburt Jesu wird in beiden Fällen als Wunder beschrieben.

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sven23
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#535 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » So 24. Jan 2016, 10:00

Novalis hat geschrieben: Aus islamischer Sicht demonstriert die Jungfrauengeburt die Macht Gottes, während sie aus christlicher Sicht ein zeichenhafter Hinweis dafür ist, dass das 'ewige Wort Gottes Fleisch wird'. Das Entscheidende ist: die Geburt Jesu wird in beiden Fällen als Wunder beschrieben.
Das ist richtig, die Jungfrauengeburt wurde aus anderen, älteren Kulten übernommen, der Islam hat sie aus dem Christentum übernommen.
Allerdings wurde sie erst später so stark in den Vordergund gerückt, vielleicht begünstigt durch einen (beabsichtigten?) Übersetzungsfehler. Paulus und Markus kennen sie jedenfalls noch nicht.

"Mehr als dürre Grundlagen zeigen sich auch bei der von der Kirche propagierten
Jungfrauengeburt. Auch von ihr wissen Markus und Paulus noch nichts. Dafür ist es
später dann geradezu peinlich, wie eindringlich und ausführlich sich Theologen (oft
zölibatär lebende Mönche) mit dem Jungfernhäutchen Marias, dem sog. Hymen Mariae,
beschäftigen. Ganze Bücher gibt es zu diesem Thema.
Seinen biblischen Hauptanhalt findet die Vorstellung einer Jungfrauengeburt in einer
Stelle bei Matthäus:
Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, eine Jungfrau ist
schwanger, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott
ist mit uns. (Mt 1,22–23)
Wieder einmal muss man den Kopf schütteln, negativ formuliert über die Schlampigkeit,
positiv über den Erfindungsreichtum dieses Evangelisten, der erneut hier wieder eine
alttestamentliche Stelle an den Haaren herbeizieht, die mit Recht das Licht einer
genaueren Untersuchung scheuen muss. Denn die alttestamentliche Stelle Jesaja 7,14
spricht gar nicht von einer Jungfrau, sondern von einer jungen Frau (hebr. alma). Nun
wurde dieses Wort in der Septuaginta, der griechischen Bibelübersetzung, ungenau mit
dem Wort Jungfrau (gr. parthenos) übersetzt. So hat es offenbar Matthäus gelesen, und
deshalb wird aus einer jungen Frau eine Jungfrau."

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Thaddäus
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#536 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Thaddäus » So 24. Jan 2016, 10:15

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Aber was ist damit gewonnen, außer der Festsellung, dass wir uns solches vorstellen können?
Allein die Erkenntnis, dass es so sein kann, ist hilfreich für die Selbst-Einordnung menschlicher Maßstäbe.
Die Vorstellung und die Hoffnung, dass es etwas geben möge, welches über den Menschen weit hinaus geht und ihn - den Menschen - stellvertretend transzendiert, begleitet die Menschen seit es sie gibt und wird sie immer begleiten. Dieser Wunsch und diese Hoffnung entspringt nämlich dem Gefühl der Ohnmächtigkeit angesichts all dessen, über das der Mensch nicht verfügen kann und dem gegenüber er sich existenziell ausgeliefert sieht. Sowohl Ludwig Feuerbach als auch Albert Camus haben insofern völlig recht. Es gibt zwei Möglichkeiten, auf die Absurditätserfahrung im eigenen Leben zu reagieren: den Glauben (vor allem an ein Jenseits, als die bessere Welt, in welcher alle Geheimnisse dereinst offenbart sind) oder diese Absurdität bewusst zu akzeptieren und den "Fels des Lebens" den Berg immer wieder hoch zu wuchten, auch dann, wenn er stets wieder hinunterrollt und man von vorne anfangen muss. Auf dem Weg zurück zu seinem Fels erkennt Sisyphos, dass den Stein einmal mehr den Berg hoch zu stemmen genau seine sinnvolle Aufgabe ist. Diese Einsicht lässt ihn lächeln, denn sie erhebt ihn über die Götter, die ihn durch diese ewige sinnleere Aufgabe bestrafen wollten. "Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen."

closs hat geschrieben:"Offenbarung" ist das Zurechtlegen einer Entität auf das Wahrnehmungs-Vermögen einer Zielgruppe - einverstanden?
Etwas merkwürdig ausgedrückt, - aber meinetwegen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Und das ist eine wahre, aber banale Aussage.
Du weisst aber, dass es in der Bibel dimensional anders gemeint ist.
Ja, aber deshalb wird die Aussage nicht weniger banal.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Auch die dialektische Methode kann nicht grundsätzliche Erkenntnisgrenzen des Menschen aufheben.
Das sage ich auch nicht. - Sie kann aber zeigen, dass es "etwas" jenseits der eigenen Erkenntnisgrenzen gibt.
Das zeigt nicht die dialektische Methode (als These - Antithese - Synthese) auf, sondern viel mehr die Erkenntnistheorie, wobei zwischen Grenzen der Erkenntnis und Grenzen der Erkenntnistheorie zu unterscheiden ist. Es gibt Grenzen dessen, was wir erkennen können und Grenzen unserer theoretischen Überlegungen darüber, was wir erkennen können. Grenzen dessen, was wir sinnlich erkennen können hängen unmittelbar von unserem sinnlichen Erkenntnisapparat ab. Die Grenzen der Erkenntnistheorie hängen davon ab, dass auch unsere Vernunft etwas anderes sein könnte, als wie sie sich uns darstellt.
Es ist leicht zu verstehen, dass eine Grenze meiner sinnlichen Erkenntnis darin besteht, dass der Mensch z.B. kein ultraviolettes Licht sehen kann. Stellt man sich diese Grenze bildlich vor, so können wir über diese Grenzlinie gleichsam hinausschauen. Wir erkennen, was vor und was hinter der Erkenntnisgrenze liegt. Dann gibt es aber auch Grenzen, die wir gedanklich sozusagen nur "berühren" können, wie Kants "Ding an sich" Wir erkennen, dass das "Ding an sich" aus logischen Gründen postuliert werden muss, damit wir die Erscheinungen der Dinge mit unserem speziellen Sinnesapparat wahrnehmen können. Wir erkennen in diesem Falle die Grenze unserer Erkenntnisfähigkeit und wissen nur noch, dass jenseits dieser Grenze etwas da sein muss, welches sich unserer Erkenntnis aber ansonsten grundsätzlich entzieht. Wir können also nicht - wie im Falle ultravioletten Lichts - erkennen, WAS hinter der Grenzlinie ist.

Und schließlich ist es denkbar, dass es für uns Erkenntnisgrenzen gibt, von denen wir nicht einmal wissen können, ob sie existieren. Wir erkennen also nicht einmal die Grenzlinie. Dies wäre z.B. der Fall, wenn unsere Vernunft und Logik nicht das sind, was wir von ihnen zu erkennen glauben.

Kant hat dieses radikalskeptische Erkenntnisproblem als erster erkenntnistheoretisch vollständig begriffen und zu seiner Bewältigung das Primat des Praktischen eingeführt (in seiner Kritik der praktischen Vernunft). Es läuft darauf hinaus, dass selbst dann, wenn wir einer Illusion des (vernünftigen) Denkens aufsitzen sollten, diese Illusion selbst gleichwohl existiert und uns nichtsdestotrotz handlungsfähig sein lässt.
Auch, wenn all mein Denken irrtümlich und nur eine Illusion ist, so ist es dennoch eine Illusion des Denkens und praktisch sind wir trotzdem in der Lage, begründet zu handeln. Es macht letztlich keinen praktischen Unterschied, ob wir aus Gründen handeln, die eine Illusion sind oder eben keine Illusion sind.

closs hat geschrieben: - Manche Naturalisten bestreiten dies (es können nichts geben, was nicht grundsätzlich vom Menschen intersubjektiv wahrnehmbar ist).
Das ist Unsinn und erkenntnistheoretisch leicht zu widerlegen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Genau so, wie wir zwar begrifflich formulieren können: "Es gibt runde Dreiecke", aber wir vermögen uns runde Dreiecke nicht vorzustellen und sie ergäben auch keinen Sinn, weil es eine in sich widerspruchsvolle Formulierung ist.
Zustimmung - meine Begründung dafür: Logische Widersprüche (die WIRKLICH welche sind!!) sind "Nicht-Sein". - insofern kann es eine Nicht-Sein-Welt nicht geben.
Das hypostasiert trotzdem den verneinenden Partikel "nicht" in unzulässiger Weise.
Wenn ich dir nichts zum Geburtstag schenke, dann schenke ich dir kein nicht-seiendes Geschenk mit einer nicht-seienden Schleife drum herum. Dann kriegst du zum Geburtstag von mir einfach kein Geschenk.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Da dies vernünftig in der Tat nicht plausibel zu machen ist
Widerspruch. -Wenn man Gott als über-zeitlich annimmt (wofür viel spricht), ist er vom Wesen her nicht in der Zeit, sondern über dem, was wir Zeit nennen. - Dann ist von dort alles "gleichzeitig", was uns als Zeit erscheint.
Wir können uns keinen Begriff davon machen, was es bedeuten soll, dass alles gleichzeitig ist, insofern können wir einen solchen, vermeintlich göttlichen Standpunkt auch nicht einnehmen. Einfach zu behaupten, bei Gott ginge das irgendwie, ist darum keine Erklärung dafür, wie Freiheit und göttliche Fügung zusammengedacht werden sollen. Jedes Paradox ließe sich so mit dem schlichten Verweis auf Gott entparadoxieren.
Immer, wenn etwas auch nur unverständlich ist, kann nach deiner Ansicht einfach Gott herangezogen werden. Das führt zu gar nichts ... und schon gar nicht zu ernst zu nehmenden Erklärungen.

closs hat geschrieben: Ich halte dies dialektisch für gut begründbar, wenn man Hegels Dialektik (mit einem anderen ERgebnis als Hegels) "vertikal" anwendet. - Ist es aus Deiner Vernunft zwingend, dass wir von MENSCHLICHER Vernunft sprechen? Aus meiner NICHT.
Du kannst soviel von göttlicher Vernunft sprechen, wie du willst, ob dialektisch begründet oder nicht. Am Ende kannst du nicht angeben, was göttliche Vernunft sein soll.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Im Grunde sagst du nichts anderes, als dass runde Dreiecke bei Gott irgendwie doch möglich sind.
Eben nicht. - Runde Dreiecke sind ein Nicht-Sein.
Eben doch - und genau das ist dein Dilemma. Am Ende zauberst du stets Gott aus dem Hut, um das Unbegründbare irgendwie doch zu begründen.
Runde Dreiecke sind kein Nicht-Sein. Die Rede von runden Dreiecken ist einfach nur sinnlos.

closs hat geschrieben:Entscheidend ist nicht, was WIR glauben begründen zu können, sondern was die Entität, die es betrifft für authentisch zu ihre hält. - Da muss man sich zwangsläufig ein Stück ausliefern - Menschenmaß ist da nicht mehr.
Da du nicht wissen kannst, was Gott für authentisch zu seiner Position hält, da du diese göttliche Position gar nicht einnehmen kannst, erübrigt sich jede Spekulation über Menschenmaß im Verhältnis zu Gottesmaß.

closs hat geschrieben:"Ontologie" rein innerweltlich zu verstehen (ich weiss, man tut das inzwischen) ist aus meiner Sicht an sich ein Oxymoron.
Du kannst von Ontologie zu Metaphysik übergehen und Kant hat gezeigt, innerhalb welcher sehr engen Grenzen Metaphysik möglich ist.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Wir können nur denken, dass eine göttliche Sicht so anders sein muss, dass wir sie uns schlechterdings nicht vorstellen können.
Das meine ich damit.
Ja, aber hieraus können keine weiteren Schlussfolgerungen gezogen werden. Schon gar nicht solche Spekulationen über die Gleichzeitigkeit von allem bei Gott, aus der du auch noch ableiten können willst, dass es das Problem von Freiheit vs. Fügung auflöst.
Was du da an Metaphysik treibst hat in der Scholastik dazu geführt, auszurechnen, wieviele Engel auf die Nadelspitze passen. Kurzum, du machst genau das, was Kant als metaphysischen Unsinn entlarvt hat.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 24. Jan 2016, 12:07, insgesamt 4-mal geändert.

Novas
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#537 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Novas » So 24. Jan 2016, 10:34

Thaddäus hat geschrieben:
closs hat geschrieben:"Offenbarung" ist das Zurechtlegen einer Entität auf das Wahrnehmungs-Vermögen einer Zielgruppe - einverstanden?
Etwas merkwürdig ausgedrückt, - aber meinetwegen.

:D

closs
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#538 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » So 24. Jan 2016, 11:20

sven23 hat geschrieben:Und, hast du ein anderes als das menschliche Maß zur Verfügung?
Nein - aber weil ich weiss, dass es ein anderes geben kann, das eine höhere Vernunft als die unsrige haben kann, gehe ich mit dem eigenen Maß relativ um. - Das ist das Entscheidende.

sven23 hat geschrieben:Indem Menschen glaubten, ein göttiches Maß zu kennen
Niemand kennt es - aber man kann daran glauben, dass es eines gibt.

sven23 hat geschrieben:Warum soll der Mensch nicht unabhängig von Göttern erkennen können, was gut und böse ist?
Innerhalb von Gesellschafts-Normen geht dies, weil es dann gesellschaftliche Normen gibt, die vorgeben, was gut und böse ist. - Damit kann man durchaus weit kommen - spritituelle Fragen sind damit nicht lösbar.

sven23 hat geschrieben: Eben weil dieser Gott vom Menschen moralisches Verhalten (10 Gebote) einfordert, sollte er mit gutem Beispiel vorangehen. In der Hiobgeschichte tut er das Gegenteil.
Das ist ein Menschen-Maß-Urteil. - Außerdem ist "moralisch" ein säkular besetzter Begriff, der hier gar nicht anwendbar ist - es geht um etwas anderes.

sven23 hat geschrieben:Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. Merkst du, wie zutreffend solche Binsenweisheiten sind?
Traditionell untescheidet man im säkularen Denken nicht zwischen "Meinungs"- Unterschieden und qualitativen Unterschieden - genau darum geht es aber.

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sven23
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#539 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » So 24. Jan 2016, 11:50

closs hat geschrieben:Nein - aber weil ich weiss, dass es ein anderes geben kann, das eine höhere Vernunft als die unsrige haben kann, gehe ich mit dem eigenen Maß relativ um. - Das ist das Entscheidende.
Was bedeutet dieses "relativ" im täglichen Leben?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Indem Menschen glaubten, ein göttiches Maß zu kennen
Niemand kennt es - aber man kann daran glauben, dass es eines gibt.
Trotzdem finden sie den "Willen Gottes" in ihren heiligen Schriften. Das Fatale ist halt nur, daß auch viel Unsinn drin steht.

closs hat geschrieben: Innerhalb von Gesellschafts-Normen geht dies, weil es dann gesellschaftliche Normen gibt, die vorgeben, was gut und böse ist. - Damit kann man durchaus weit kommen - spritituelle Fragen sind damit nicht lösbar.
Nun haben wir aber heute die Situation, daß säkuläre, demokratische Gesellschaften weitaus humanistischer sein können als sog. Gottesstaaten, die sich gerade diesen spirituellen Fragen verpflichtet fühlen.

closs hat geschrieben: Das ist ein Menschen-Maß-Urteil. -
Das ist richtig, weil die Schreiber auch Menschen waren und ebensowenig das göttliche Maß kannten wie Menschen vor und nach ihnen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. Merkst du, wie zutreffend solche Binsenweisheiten sind?
Traditionell untescheidet man im säkularen Denken nicht zwischen "Meinungs"- Unterschieden und qualitativen Unterschieden - genau darum geht es aber.
Was hat das mit der Aussage zu tun? Sie gilt eigentlich immer, da jeder andere Gedanken im Kopf hat.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#540 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » So 24. Jan 2016, 11:55

Thaddäus hat geschrieben:Diese Einsicht lässt ihn lächeln, denn sie erhebt ihn über die Götter, die ihn durch diese ewige sinnleere Aufgabe bestrafen wollten. "Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen."
Das ist der Versuch einer Sinnsuche des Existenzialisten. - Wenn die Kraft einmal weniger wird, bricht so etwas zusammen. - Aber ich stimme Dir zu: Der Verlust transzendenter Erklärungs-Möglichkeiten führt zu säkular-philosophischen Erklärungs-Versuchen. - Aus meiner Sicht wird damit der Tatbestand der Ersatz-Religion erfüllt.

Thaddäus hat geschrieben: Die Grenzen der Erkenntnistheorie hängen davon ab, dass auch unsere Vernunft etwas anderes sein könnte, als wie sie sich uns darstellt.
Es wäre schön, wenn die Erkenntnis-Theorie dies diskutiert. - Tut sie es? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Thaddäus hat geschrieben:Wir erkennen in diesem Falle die Grenze unserer Erkenntnisfähigkeit und wissen nur noch, dass jenseits dieser Grenze etwas da sein muss, welches sich unserer Erkenntnis aber ansonsten grundsätzlich entzieht. Wir können also nicht - wie im Falle ultravioletten Lichts - erkennen, WAS hinter der Grenzlinie ist.
Sehr gut - aus meiner Sicht ist es geistig auf anderer Ebene dasselbe: Man erkennt, dass man NICHT erkennt/erkennen kann.

Thaddäus hat geschrieben: Dies wäre z.B. der Fall, wenn unsere Vernunft und Logik nicht das sind, was wir von ihnen zu erkennen glauben.
Oder wenn unsere Vernunft in unserem Wahrnehmungs-Kosmos aufgehoben ist in eine höhere Vernunft eines anderen Wahrnehmungs-Kosmos.

Thaddäus hat geschrieben: Es läuft darauf hinaus, dass selbst dann, wenn wir einer Illusion des (vernünftigen) Denkens aufsitzen sollten, diese Illusion selbst gleichwohl existiert und uns nichtsdestotrotz handlungsfähig sein lässt.
So ist es - "Primat des Praktischen" ist dazu ein guter Titel.

Thaddäus hat geschrieben:Das ist Unsinn und erkenntnistheoretisch leicht zu widerlegen.
Das freut mich.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn ich dir nichts zum Geburtstag schenke, dann schenke ich dir kein nicht-seiendes Geschenk mit einer nicht-seienden Schleife drum herum. Dann kriegst du zum Geburtstag von mir einfach kein Geschenk.
Ja - das ist ein sprachliches Problem. - Wie soll man ausdrücken, dass dieses Geschenk dann "nicht-ist" - das habe ich mit "Nicht-Sein" gemeint.

Thaddäus hat geschrieben:Wir können uns keinen Begriff davon machen, was es bedeuten soll, dass alles gleichzeitig ist, insofern können wir einen solchen, vermeintlich göttlichen Standpunkt auch nicht einnehmen.
Wie das genau geht, wissen wir natürlich nicht. - Aber wir können dialektisch hochrechnen, welche Folgen es haben kann, wenn Zeit dialektisch aufgehoben wird in etwas, in dem Zeit aufgeht, nicht aber selbst Zeit ist.

Thaddäus hat geschrieben:Einfach zu behaupten, bei Gott ginge das irgendwie, ist darum keine Erklärung dafür, wie Freiheit und göttliche Fügung zusammengedacht werden sollen.
Korrekt. - Wenn man die dialektische Erklärung nicht nachvollzieht, sollte man aber wenigstens konzedieren, dass es eine vernünftige (!) Erklärung geben kann, die wir mit unserem Vernunft-Repertoire nicht nachvollziehen können. - Dass man mit damit auch Unsinn begründen kann, ist nicht vermeidbar - deshalb muss der Gesamt-Kontext stimmen - und die eigene geistige Abstraktions-Fähigkeit.

Thaddäus hat geschrieben:Du kannst soviel von göttlicher Vernunft sprechen, wie du willst, ob dialektisch begründet oder nicht. Am Ende kannst du nicht angeben, was göttliche Vernunft sein soll.
Korrekt. - Naturalisten würden daraus schließen, dass "göttliche Vernunft" irrelevant sei, WEIL sie von und nicht verstanden werden kann - dies wäre aus meiner Sicht wieder einmal das Postulat des Primats der menschlichen Wahrnehmung über (mögliche) Entität. - Das geht nur unter dem "Primat des Praktischen" und hat dann aber nichts mehr mit Philosophie (nach meinem Verständnis) und "Geist" ohnehin nicht zu tun.

Thaddäus hat geschrieben:Runde Dreiecke sind kein Nicht-Sein.
Das runde Dreieck "ist-nicht" - einverstanden?

Thaddäus hat geschrieben: Am Ende zauberst du stets Gott aus dem Hut, um das Unbegründbare irgendwie doch zu begründen.
In diesem Zusammenhang nicht - "ist-nicht" kann man nicht mit Gott begründen.

Thaddäus hat geschrieben:Da du nicht wissen kannst, was Gott für authentisch zu seiner Position hält
Stimmt - behaupte ich doch auch nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Du kannst von Ontologie zu Metaphysik übergehen und Kant hat gezeigt, innerhalb welcher sehr engen Grenzen Metaphysik möglich ist.
Wenn diese Grenzen ausreichend sind für das Wesentliche, ist das egal. - Korrekt finde ich, dass man nicht aus purem diesseitigen Vernunft-Unvermögen bei jeder Gelegenheit den Vorhang des "göttlichen Geheimnisses" hochzieht - das stört mich gelegentlich bei der christlichen Theologie.

Thaddäus hat geschrieben:Schon gar nicht solche Spekulationen über die Gleichzeitigkeit von allem bei Gott, aus der du auch noch ableiten können willst, dass es das Problem von Freiheit vs. Fügung auflöst.
Siehe oben: Ich meine, dass es dialektisch indirekt geht.

Thaddäus hat geschrieben: Kurzum, du machts genau das, was Kant als metaphysischen Unsinn entlarvt hat.
Ich bin nicht überzeugt, dass ich das tue, was Du meinst. - Unabhängig davon: Auch Kant ist kein Gott.

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