Die HKM ist mitten unter euch

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Thaddäus
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#301 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Thaddäus » Mo 18. Jan 2016, 08:24

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die kirchlichen Dogmen sind nicht Rezeptionen eines "Urbildes", sondern Rezeptionen von Rezeptionen.
Korrekt. - Das ändert nichts an meiner Aussage. - Sowohl für eine Rezeption als auch für die Rezeption einer Rezeption stellt sich die entscheidende Frage, ob sie (geistig) authentisch ist in Bezug auf das Urbild. - Solche Fragen kann die HKM gar nicht stellen und somit gar nicht in medias res des Christentums eindringen.
Diese deine Frage, ist keine sinnvolle Frage, denn ein solches "Urbild", womit offenbar die Summe aller religiösen Ansichten des historischen Jesus gemeint ist, an dem sich Interpretationen zu messen hätten, existiert nicht und kann deshalb auch nicht relevant sein.
Dies ist übrigens die wichtigste Einsicht der literaturwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik.
Jesus hat nichts Schriftliches hinterlassen, aus dem man ableiten könnte, welche religiösen Auffassungen er selbst vertrat. Und selbst, wenn er etwas hinterlassen hätte, wären das lediglich seine religiösen Überzeugungen zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Wirkens, ließe also die Möglichkeit unberücksichtigt, dass sich Überzeugungen im Laufe seines Lebens geändert haben können (die er nicht mehr schriftlich fixiert hat oder fixieren konnte). Deswegen unterscheidet man bei Autoren in der Regel unterschiedliche Schaffensperioden und betrachtet das Gesamtwerk in seiner Entwicklung.

Zudem müsste auch ein authentisches Jesus-Evangelium interpretiert werden, und wie bei jedem Text wären unterschiedliche Interpretationen möglich, so dass auch ein authentisches Ev. von Jesus selbst, kein zweifelsfreies "Urbild" seiner religiösen Ansichten wäre.

Hinzu kommt, dass die religiösen Überzeugungen des Juden Jesu selbst eine Rezeption seines jüdischen Glaubens und des AT wären, denn jeder Autor baut auf früheren Texten und deren Inhalten auf. Kein Autor schreibt außerhalb der Geistesgeschichte. Kein Autor kann ausßerhalb der Ideen- und Geistesgeschichte seiner Zeit schreiben. Diese hat immer Einfluss darauf, was der Autor überhaupt denken kann und was nicht. So muss man alle erkenntnistheoretischen Argumentationen Kants bezüglich der Anschauungsformen Raum und Zeit stets vor dem Hintergrund Interpretieren, dass zu dieser Zeit die Relativitätstheorie Einseins mit ihrer Neudefintion der Begriffe Raum und Zeit unbekannt war. Usw.

Und als Letztes kommt auch noch hinzu, dass die Interpretation eines Autors über die Intention des Autors hinausgehen muss, die Intention eines Autoren also zwar wichtig ist, sie aber sein Werk nicht vollständig erschließt, denn in die Werke von Autoren fließen auch Intentionen ein, die diesem gar nicht bewusst sein müssen. So erklärt sich das Werk Kafkas nicht zuletzt aus dem gestörten Verhältnis zu seinem Vater.

Selbst also, wenn man in den Kopf Jesu nachträglich hineinschauen könnte, ergäbe sich kein "Urbild" seiner religiösen Überzeugungen.

Die HKM ist die einzige mögliche Methode, sich annäherungsweise dem zu nähern, was Jesus aus Nazareth mit Wahrscheinlichkeit gelehrt hat. Und jeder, der sich dieser Methode nicht bedient, hat von vornherein keinerlei Möglichkeit, auch nur annäherungsweise Wissen zu können, was er gelehrt hat. Die Naherwartung Jesu gehört in diesem Sinne zu den sichersten Ergebnissen der HKM-Forschung.

Deine Ansicht, closs, irgendwer können exklusiven Zugang zu irgendeinem "Urbild" der religiösen Überzeugungen Jesu haben, ist grundsätzlich und komplett auszuschließen.

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#302 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Mo 18. Jan 2016, 08:40

sven23 hat geschrieben:Richtig, es "ist" Wunschdenken.
Man kann das nicht einfach weltanschaulich entscheiden.

sven23 hat geschrieben:Er ist aber zutreffend, weil die Forschung zu genau diesem Ergebnis kommt
Ist DAS eine hinreichende Begründung? - Christliche Theologen kommen mit ähnlich "klaren" Ergebnissen zum Gegenteiligen Ergebnis - man muss nur das Modell resp. die Perspektive verändern. - So einfach darf man es sich wirklich nicht machen.

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sven23
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#303 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von sven23 » Mo 18. Jan 2016, 10:06

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Er ist aber zutreffend, weil die Forschung zu genau diesem Ergebnis kommt
Ist DAS eine hinreichende Begründung? - Christliche Theologen kommen mit ähnlich "klaren" Ergebnissen zum Gegenteiligen Ergebnis - man muss nur das Modell resp. die Perspektive verändern. - So einfach darf man es sich wirklich nicht machen.
Warum die Forschung zu diesem Ergebnis kommt, ist ja schon ausgiebig dargelegt worden. Kanonische Exegese ist ja nichts, was man aus wissenschaftlicher Sicht ernst nehmen müßte.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Münek
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#304 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » Mo 18. Jan 2016, 13:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Er ist aber zutreffend, weil die Forschung zu genau diesem Ergebnis kommt
Ist DAS eine hinreichende Begründung? - Christliche Theologen kommen mit ähnlich "klaren" Ergebnissen zum Gegenteiligen Ergebnis - man muss nur das Modell resp. die Perspektive verändern. - So einfach darf man es sich wirklich nicht machen.

Für diese Behauptung bist Du bisher jeden Beweis schuldig geblieben.

In der Frage der Naherwartung Jesu besteht unter Theologen Konsens.
Nimm es einfach zur Kenntnis - auch wenn es schmerzt.

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#305 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Mo 18. Jan 2016, 16:03

Thaddäus hat geschrieben:Diese deine Frage, ist keine sinnvolle Frage, denn ein solches "Urbild", womit offenbar die Summe aller religiösen Ansichten des historischen Jesus gemeint ist, an dem sich Interpretationen zu messen hätten, existiert nicht
Das "Urbild" ist das, was die Person Jesus WIRKLICH gemeint hat. - Das dies nicht als Autograph vorhanden ist, also nie objektiv nachweisbar ist, ändert doch nichts daran, DASS Jesus etwas WIRKLICH gemeint hat.

Thaddäus hat geschrieben:Jesus hat nichts Schriftliches hinterlassen, aus dem man ableiten könnte, welche religiösen Auffassungen er selbst vertrat.
E-ben.

Thaddäus hat geschrieben: Und selbst, wenn er etwas hinterlassen hätte, wären das lediglich seine religiösen Überzeugungen zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Wirkens, ließe also die Möglichkeit unberücksichtigt, dass sich Überzeugungen im Laufe seines Lebens geändert haben können (die er nicht mehr schriftlich fixiert hat oder fixieren konnte).
Das kommt noch dazu. - Trotzdem ist das, was er gemeint hat, nicht diffus, weil dieses lediglich indirekt erschlossen werden kann.

Thaddäus hat geschrieben:Zudem müsste auch ein authentisches Jesus-Evangelium interpretiert werden, und wie bei jedem Text wären unterschiedliche Interpretationen möglich, so dass auch ein authentisches Ev. von Jesus selbst, kein zweifelsfreies "Urbild" seiner religiösen Ansichten wäre.
Dieses Evangelium wäre ja bereits Rezeption resp. Interpretation des gedachten Origninals seiens Jesus - insofern Zustimmung.

Thaddäus hat geschrieben:Hinzu kommt, dass die religiösen Überzeugungen des Juden Jesu selbst eine Rezeption seines jüdischen Glaubens und des AT wären, denn jeder Autor baut auf früheren Texten und deren Inhalten auf.
Das wäre dann UNSERE Rezeption resp. Interpretation, die ja ohnenhin kontaminierend sein kann. - Auch das ändert nichts daran, dass Jesus etwas gemeint hat, was als virtuelles Urbild zu verstehen ist.

Thaddäus hat geschrieben:Selbst also, wenn man in den Kopf Jesu nachträglich hineinschauen könnte, ergäbe sich kein "Urbild" seiner religiösen Überzeugungen.
Das wiederum denke ich schon. - Wenn man dann begriffsfrei das spüren würde, was er meint, würde man verstehen, bevor dieses begriffsfrei Gespürte in eine zeitbezogen kontaminierte Umsetzungs-Formulierung kommt. - Sobald Inhalte zu Sprachen werden, geschieht bereits die erste Kontaminierung.

Thaddäus hat geschrieben: Und jeder, der sich dieser Methode nicht bedient, hat von vornherein keinerlei Möglichkeit, auch nur annäherungsweise Wissen zu können, was er gelehrt hat.
Da widerspreche ich. - HKM kann nach ihrer Methode sauber arbeiten und tut dies ganz sicher auch. - Aber sie kann nicht mehr als das. - Konkret:

Die HKM saetzt im gegebenen Fall Rezeptionen als "Urbild-Ersatz" und kalibiriert jede Interpretation danach. - Nur deshalb kann sie sagen, Jesus habe selbst eine Naherwartung gehabt. - Was Jesus WIRKLICH gehabt hat, spielt dabei nur eine sekundäre Rolle.

Dass die Urgemeinden aus dem Zeitgeist heraus in der Tat eine Naherwartung hatte, unterstreicht auch die kirchliche Theologie - sie hält es auch für wahrscheinlich, dass dies auf Paulus zutrifft. Aber sie rechnet es aus dem gesamt-biblischen Kontext dem Umstand zu, dass Jesu NT-Paradigmen-Wechsel einfach noch nicht verstanden wurde - auch von den Jüngern nur nach und nach. - Dies kommt (nicht nur im AT, sondern auch im NT) im Motiv des "Und sie verstanden ihn <Jesus> nicht" zum Ausdruck (dankenswerterweise hast Du diesbezüglich an die 10 Zitate eingestellt).

Nun muss man dieser kirchlich-theologische Version nicht zustimmen, weil ja auch die HKM-Variante die authentische sein KÖNNTE. - Aber ehrlich: Als ich das NT OHNE Kenntnis der Parusie-Diskussion erstmals gelesen habe, bin ich von mir nicht im Ansatz auf diese HKM-Interpretation gekommen - weil ich neustestamentarisch denke. - Und da sind die äußeren Zeichen durch innere Zeichen ersetzt - das ist doch gerade der Gag (innere Beschneidung/Beschneidung des Herzen/etc - die auch im AT erwähnt werden, aber erst im NT eingelöst werden). - Wie die HKM solche Fragestellungen rein methodisch und ohne geistigen Approach lösen kann, ist mir nach wie vor ein Rätsel.

Thaddäus hat geschrieben:Die Naherwartung Jesu gehört in diesem Sinne zu den sichersten Ergebnissen der HKM-Forschung.
Siehe oben: Allenfalls im Sinne der eigenen Methodik, aber nicht unbedingt (persönlich würde ich sagen: mit großer Wahrscheinlichkeit NICHT) in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Wirklichkeit Jesu.

Thaddäus hat geschrieben:Deine Ansicht, closs, irgendwer können exklusiven Zugang zu irgendeinem "Urbild" der religiösen Überzeugungen Jesu haben, ist grundsätzlich und komplett auszuschließen.
Methodisch im Sinne der HKM ist dies sicherlich richtig. - Die Frage ist, was man überhaupt ohne spirituellen Zugang substantiell bei der Bibel rausfinden kann.

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Münek
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#306 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » Mo 18. Jan 2016, 20:33

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Naherwartung Jesu wird auf dessen eigene Worte zurückgeführt, die aus wissenschaftlich- historischer Sicht als authentisch überliefert gelten und somit keine Rezeptionen sind.
Hä? :o :?:

Davon abgesehen: Selbst wenn etwas richtig verstanden worden WÄRE, würde es "Rezeption" sein - halt eine authentische Rezeption (= Rezeption konizidiert inhaltlich mit dem Original).

Aber Dein Eingangssatz ist echt ein Hammer - mein lieber Herr Gesangsverein.

Eine Rezeption ist die geistige Aufnahme und Verarbeitung von etwas, z.B. eines literarischen Werkes.

Die kommentarlose wörtliche Wiedergabe von etwas Gesagtem/Gehörtem/Gelesenem ist keine
Rezeption, sondern ein Zitat.

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#307 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Mo 18. Jan 2016, 20:40

Münek hat geschrieben:Eine Rezeption ist die geistige Aufnahme und Verarbeitung von etwas, z.B. eines literarischen Werkes.
Genau - oder einer gehörten Oper - oder gehörten Aussagen von Jesus. - Genau das trifft bereits für die ersten Evangelien zu.

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#308 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Thaddäus » Mo 18. Jan 2016, 20:44

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Diese deine Frage, ist keine sinnvolle Frage, denn ein solches "Urbild", womit offenbar die Summe aller religiösen Ansichten des historischen Jesus gemeint ist, an dem sich Interpretationen zu messen hätten, existiert nicht
Das "Urbild" ist das, was die Person Jesus WIRKLICH gemeint hat. - Das dies nicht als Autograph vorhanden ist, also nie objektiv nachweisbar ist, ändert doch nichts daran, DASS Jesus etwas WIRKLICH gemeint hat.
Das Jesus irgendetwas gemeint hat, was er mit seiner Lehre vebreitete, steht außer Frage, wobei nicht auszuschließen ist, dass er seine Lehre im Laufe seiner Lehrtätigkeit auch geändert haben kann (weshalb es auch kein Urbild dessen geben kann, was er gelehrt hat, sondern allenfalls, was er zu einem bestimmten Zeitpunkt gelehrt hat).
Ebenfalls steht außer Frage, dass das, was Jesus WIRKLICH gmeint hat, NIEMANDEM zugänglich ist, noch jemals zugänglich sein wird. Die Rede von rgendwelchen "Urbildern" ist damit sinnlos!
Und selbst, wenn wir ein Jesus-Ev. fänden im Staube Palästinas, müsste dieses originale Jesus-Ev. interpretiert werden. Auch mit einem solchen originalen Ev. wüssten wir nicht zweifelsfrei, was er gemeint hat. Und dann kommt noch hinzu, dass Jesu Lehre selbst immer SEINE Rezeption jüdischer Glaubeninhalte wäre.

Kurzum: du kannst es drehen und wenden, wie du willst, ein "Urbild" dessen, was Jesus WIRKLICH meinte und lehrte, kann gar nicht existieren. Damit ist dein ganzer Ansatz gestorben ...
Zuletzt geändert von Thaddäus am Mo 18. Jan 2016, 21:00, insgesamt 3-mal geändert.

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#309 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » Mo 18. Jan 2016, 20:49

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Und jeder, der sich dieser Methode nicht bedient, hat von vornherein keinerlei Möglichkeit, auch nur annäherungsweise Wissen zu können, was er gelehrt hat.
Da widerspreche ich. - HKM kann nach ihrer Methode sauber arbeiten und tut dies ganz sicher auch. - Aber sie kann nicht mehr als das.

Das reicht. Es geht um die Rekonstruktion von historischen Ereignissen. Nicht mehr und nicht weniger.

Wenn Du meinst, es gäbe eine bessere Methode herauszufinden, was der historische Jesus
dem Volk verkündet hat, dann raus damit.

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#310 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » Mo 18. Jan 2016, 20:54

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Eine Rezeption ist die geistige Aufnahme und Verarbeitung von etwas, z.B. eines literarischen Werkes.
Genau - oder einer gehörten Oper - oder gehörten Aussagen von Jesus. - Genau das trifft bereits für die ersten Evangelien zu.

Nein - wenn sie Jesu Worte lediglich zitieren, liegt keine Rezeption vor.

Das ist doch nicht so schwer zu verstehen.

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