Die HKM ist mitten unter euch

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Halman
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#211 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Halman » So 10. Jan 2016, 02:21

Danke, Kurt, ich habe Deine beiden letzten Beiträge gerne gelesen. Dennoch habe ich einen Kritikpunkt, der sogar fundamentaler Art ist, weil ich den Kern Deiner Argumentation kritisiere, welche Du zum Schluss so schön herausgearbeitet hast.
closs hat geschrieben:Da muss sie es als Teil ihrer Professionalität verstehen, geistige Zugänge zur selben Fragestellung zuzulassen (NT-Paradigmen-Wechsel, Motiv des "Und sie verstanden ihn nicht" (übrigens Motive, die sehr wohl gesamt-biblisch leichtest nachweisbar sind, wenn man will). - Die HKM muss also im Rahmen IHRER Professionalität sagen können: "Wir wissen, dass unser Quellen-Zugang diese Frage nicht beantworten kann, weshalb wir bei unseren Leisten bleiben". - Hier sehe ich große Defizite, legt man das zugrunde, was hier gelegentlich als HKM-Ergebnisse apodiktisch vorgesetzt wird.
Sicher können Historiker und Exegeten nur Rekonstruktionen der Geschichte erstellen. Um für Thaddäus, Dich und alle User deutlicher zu machen, wovon ich spreche, möchte ich alle tatsächlich passierten historischen Erreignisse, unabhängig davon, ob wir Kenntnis davon haben, unabhängig davon, ob wir sie überhaupt oder korrekt in unseren historischen Rekonstruktionen berücksichtigt haben, aus physikalischer" Sicht als Ereignisse der Raumzeit ansehen. Da die Raumzeit nicht nur alle räumlichen Koordinaten, sondern auch alle zeitlichen Koordinaten umfasst, repräsentiert sie die Gesamtheit aller Ereignisse und kann vielleicht am Besten als seiend beschrieben werden.

Das Problem dabei ist nur, dass uns nichts anderes als die Rekonstruktion der Wirklichkeit, gewissermaßen die Aktenlage, zur Verfügung steht.
Deine kritische Argumentation wäre nämlich rethorisch leicht verwendbar, um Glaubensaussagen zu kritisieren, im Sinne von: 'Nur in Deinem Glaubensmodell existiert Gott. Du darf aber nicht davon sprechen, dass er wirklich existiert, weil Du ihn nur religiös hergeleistet hast.'
Als gläubiger Mensche nehme ich mir aber die Freiheit, zu sagen: "Gott existiert wirklich!" Solange ich von niemanden verlange, diesen Glauben zu teilen, sehe ich da kein Problem.
Wenn ich aber eine Überzeugung allein aufgrund der Glaubhaftigkeit als wahr vertrete, dann muss ich auch allen anderen, auch Atheisten, zugestehen, Überzeugungenn aufgrund der Glaubhaftigkeit als wahr zu vertreten.
Vermutlich ist Thaddäus aufgrund ihres Studiums der Überzeugung, ihr Wissen auf bestmögliche Weise erlangt zu haben. Meinungen, die auf bestmögliche Weise erzielt werden, dürfen wir als Wissen bezeichnen, ohne damit einen Absolutheitsanspruch zu erheben. Es muss noch nicht einmal den Grad einer auf idealen Bedingungen erzielten Feststellung erreichen (ein Bespiel wäre die Feststellung, dass 5+7=12 korrekt ist).
Daher darf Thaddäus grundsätzlich davon sprechen, zu wissen, dass Jesus eine Naherwartung verkündete, wenn die Rekonstrution auf solider Basis steht. (Auch wenn ich eine andere Sichtweise als sie vertrete.)
Ich bin z.B. der Auffassung, dass wir wissen, dass Jesus unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. Darf ich dies so denn nicht sagen?

Meiner Meinung nach liegt hier eine weltanschauliche Diskussion zugrunde. Mein Tipp wäre, sich bewusst zu machen, dass zwischen philosophischen Naturalismus und wissenschaftlichen Naturalismus ein fundamentaler Unterschied besteht. Damit steht und fällt auch die Frage, ob eine Jungfrauengeburt Jesu überhaupt möglich ist. Schließt man einen Gott aus, der nach Karl Barth jenseits aller bedingt-bedingenden Kräfte wirkt, so entfällt damit natürlich auch die Möglichkeit eines Wunders. Es hängt also davon ab, welche Weltanschauung man als Prämisse setzt.
Die Exegese ist gewissermaßen eine Konklusion auf Basis der Prämissen, welcher die Bibelhermeneutik beeinflussen. Ihr seit euch, so mein Eindruck, über die Prämissen unseins. Daher müssen eure Konklusionen verschieden sein.

Was ist ein Wunder? In Verbindung mit dieser Frage könnte man, wenn man am Naturalismus festhalten will, über das 3. Clarke'sche Gesetz nachdenken.

"Mir ist bewusst, dass die physikalische Sicht von historischen Ereignissen als Ereignisse der Raumzeit bei übernatürlichen Ereignissen, die als historisch betrachtet werden, problematisch ist. Es geht mir nur darum verständlich zu machen, dass ein Ereignis analog zu einer raumzeitlichen Koordinaten auch dann vorliegt, wenn wir keine Kenntnis von ihr haben.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Magdalena61
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#212 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Magdalena61 » So 10. Jan 2016, 15:16

Thema abgetrennt: Von einer Jungfrau geboren?
God bless you all for what you all have done for me.

closs
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#213 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » So 10. Jan 2016, 16:38

Pluto hat geschrieben:Wie willst du das begründen?
Ich spreche nicht von besseren Methoden, sondern von anderen Methoden.

Pluto hat geschrieben:Welche Systeme (mehrzahl) gibt es?
Bspw.:
* Mathematik ("Axiome")
* Kritischer Rationalismus ("Das betreffend, was falsifizierbar ist")
* Emotionen ("Das, was man fühlt")
* etc.

Nicht jede Wahrnehmungs-Perspektive muss wissenschaftlicher Natur sein.

Pluto hat geschrieben:Was Sokrates angeht: Sein "Ich weiß, dass ich nichts weiß" ist lediglich Ausdruck persönlicher Demut vor dem Wissen der Welt
Das war schon knallhart philosophisch/ontologisch gemeint.

Pluto hat geschrieben:Der Unterschied:Zu Kennedys Taten gibt es viele unabhängigen Berichte. Zu Jesus' Taten gibt es NUR einen Bericht: die Bibel.
Meine Rede.

Pluto hat geschrieben:Die Kirche lehnt die Naherwartung in der Bibel deshalb ab, weil sie nicht eingetreten ist.
Nein - sondern weil sie nie zu erwarten war. - Aus Sicht des größten Teils der kirchlichen Theologie gibt es überhaupt keine Verzögerung, weil "Verzögerung" so klingt, als habe man vorher etwas anderes erwartet. - Die Urkirche hat das getan - das ist richtig. Aber das war ihrer Verhaftung mit dem AT-Denken geschuldet - man musste erst lernen, das NT zu begreifen.

Pluto hat geschrieben:Wie erklärst du dann die Ablehnung vieler Ergebnisse der HKM durch die systematische Theologie?
Die rein technischen Ergebnisse der HKM werden nicht abgelehnt (Quellen-Kritik, Text-Kritik, Sprach-Kritik), jedoch sehr wohl deren geistigen Interpretationen.

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sven23
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#214 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von sven23 » So 10. Jan 2016, 16:49

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie willst du das begründen?
Ich spreche nicht von besseren Methoden, sondern von anderen Methoden.
Wenn man aber eine gute Methode zur Verfügung hat, warum sollte man sie durch eine schlechtere ersetzen? Nur weil einem die Ergebnisse nicht gefallen?


closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was Sokrates angeht: Sein "Ich weiß, dass ich nichts weiß" ist lediglich Ausdruck persönlicher Demut vor dem Wissen der Welt
Das war schon knallhart philosophisch/ontologisch gemeint.
Das darf man doch nicht wörtlich verstehen. Sokrates drückte damit doch nur in überspitzter Form das aus, was wir heute mehr denn je unterschreiben können: wir können niemals alles wissen und müssen auch sicher geglaubte Erkenntnis hinterfragen dürfen. Das ist kritischer Rationalismus in Reinkultur.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Münek
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#215 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » So 10. Jan 2016, 17:53

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Kirche lehnt die Naherwartung in der Bibel deshalb ab, weil sie nicht eingetreten ist.
Nein - sondern weil sie nie zu erwarten war. - Aus Sicht des größten Teils der kirchlichen Theologie gibt es überhaupt keine Verzögerung, weil "Verzögerung" so klingt, als habe man vorher etwas anderes erwartet. - Die Urkirche hat das getan - das ist richtig. Aber das war ihrer Verhaftung mit dem AT-Denken geschuldet - man musste erst lernen, das NT zu begreifen.

Es waren aber doch Männer der Urkirche, die die neutestamentlichen Texte geschrieben haben.
Sie mussten erst lernen, ihre eigenen Texte zu begreifen??!! Häh, gehts noch??
:o

Im letzten Buch der Bibel ist es übrigens der "auferstandene Christus" selbst, der im Auftrag
Gottes Johannes und den sieben Gemeinden verspricht, "bald wiederzukommen".

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#216 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Mo 11. Jan 2016, 00:47

sven23 hat geschrieben:Wenn man aber eine gute Methode zur Verfügung hat, warum sollte man sie durch eine schlechtere ersetzen?
Aber nicht dann, wenn eine gute Methode für x nicht geeignet ist für y. - Dann sucht man eine Methode, die y gerecht wird. - Meinst Du, ein Koch würde einen Kochlöffel auf zum Ohrenputzen verwenden, weil er damit gut kochen kann?

sven23 hat geschrieben:Das darf man doch nicht wörtlich verstehen.
Ich verstehe es ontologisch. - Und wenn Du nicht mit Sokrates einverstanden bist, nimm Augustinus oder Descartes - sie sagen beide klar, dass der Mensch voraussetzungs-frei nur "Cogito" wissen können. - Ich kann das gut nachvollziehen, weil es immer eine Differenz zwischen Sein/"Realität" und Wahrnehmung gibt. - Es gibt kein absolutes Wissen des Menschen.

Münek hat geschrieben:Es waren aber doch Männer der Urkirche, die die neutestamentlichen Texte geschrieben haben.
E-ben.

Münek hat geschrieben:Sie mussten erst lernen, ihre eigenen Texte zu begreifen??!!
:?: - Das, was sie gemeint haben, haben sie natürlich verstanden. - Wie kommst Du auf so was?

Münek hat geschrieben:Im letzten Buch der Bibel ist es übrigens der "auferstandene Christus" selbst, der im Auftrag Gottes Johannes und den sieben Gemeinden verspricht, "bald wiederzukommen".
Und wie sind dann in der Apokalypse die vielen Phasen vorher zu erklären? - Außerdem müsste man klären, ob mit dem griechischen Wort "bald" oder "plötzlich" gemeint ist. - Und dann ist noch immer nicht das Kontaminierungs-/Rezeptions-Motiv vom Tisch.

Am Ende MUSS man zum Ergebnis kommen, dass in dieser Mischung von Irrtum und Wahrheit der Texte (bzw. deren Auslegung) kein objektives Ergebnis rauskommen kann, das über jeden Zweifel erhaben ist. - Damit muss man leben können.

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#217 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » Mo 11. Jan 2016, 03:04

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Im letzten Buch der Bibel ist es übrigens der "auferstandene Christus" selbst, der im Auftrag Gottes Johannes und den sieben Gemeinden verspricht, "bald wiederzukommen".
Und wie sind dann in der Apokalypse die vielen Phasen vorher zu erklären? - Außerdem müsste man klären, ob mit dem griechischen Wort "bald" oder "plötzlich" gemeint ist. - Und dann ist noch immer nicht das Kontaminierungs-/Rezeptions-Motiv vom Tisch.

Substanzloses apologetisches Herumgeschwurbel - kein ernstzunehmendes Argument.

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#218 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Mo 11. Jan 2016, 07:48

Münek hat geschrieben:kein ernstzunehmendes Argument.
Aus entsprechender ideologischer Sicht stimmt das wohl.

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#219 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Münek » Mo 11. Jan 2016, 09:47

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:kein ernstzunehmendes Argument.
Aus entsprechender ideologischer Sicht stimmt das wohl.

Nö - die Neutestamentler sind ganz gewiss keine Ideologen.

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#220 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Mo 11. Jan 2016, 13:08

Münek hat geschrieben:die Neutestamentler sind ganz gewiss keine Ideologen.
Wenn sie bei rein wissenschaftlichen Aussagen bleiben UND zudem die exegetischen Möglichkeiten der HK-Exegese realistisch einordnen, ist Dir zuzustimmen.

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