closs hat geschrieben:Pluto hat geschrieben:Kanonische Exegese ist eine reine Deutungslehre.
Das ist die HKM auch, WENN sie über Beobachten und Beschreiben hinausgeht. - Die Aussage, dass Jesus nach Aussage der Textstelle x eine Naherwartung hatte, wäre dann Wissenschaft - die Aussage, dass Jesus selbst eine Naherwartung hatte, wäre eine Vermutung.
Aufgrund der Endlos-Diskussion darüber, was HKM eigentlich ist bzw. leistet, habe ich mal ein paar Quellen hierzu rausgesucht, die hoffentlich hilfreich sind.
Dabei kam mir der Gedanke, dass es fast schon Ironie ist: Bei der Auslegung stolpern wir schon dabei, den Begriff der HKM auszulegen.
Gem. Bibelwissenschaft handelt es sich bei der HKM une eine
historisch-kritische Bibelauslegung.
Als Leitmethode wissenschaftlicher Bibelauslegung bemüht sich die historisch-kritische Exegese zu ermitteln, welchen Sinn ein biblischer Text zur Zeit seiner Abfassung hatte. Sie berücksichtigt dabei, dass sich dieser Sinn durch Erweiterungen und Veränderungen gewandelt haben kann.
Wie alle Zugänge zur Schriftinterpretation nehmen die Methoden historisch-kritischer Exegese ihren Ausgang in Fragen, die beim aufmerksamen Lesen des Textes entstehen (vgl. Barton, 23).
Demnach geht es darum, den ursprünglichen Sinn des Textes zu ermitteln, also ihn inhaltlich auszulegen und zu interpretieren. Oder verstehe ich hier was falsch?
Im
Lexikon des Dialogs (Christentum und Islam) wird ausgesagt:
Die historisch-kritische Methode ist die literatur- und geschichtswissenschaftliche Auslegung der Heiligen Schrift, die zwischen dem ursprünglichen (historischen) Sinn des Bibeltextes und den Sinnanliegen der jeweiligen Gegenwart unterscheidet (daher: kritisch).
Die Exegeten, welche die HKM anwenden, differnzieren also zwischen dem ursprünglichen Sinn (bspw. zurzeit der Apostel) und den Sinnanliegen späterer Zeiten.
Diese Seite über die
Methoden der Bibelauslegung halte ich für recht informativ. Darin wird u.a. ausgsagt:
So wurde die Reihe der verschiedenen Schritte der historisch-kritischen Methode vervollständigt: Von der Textkritik kommt man zur Literarkritik, die die Texte zerlegt, dann zu einer kritischen Erforschung der Formen und schließlich zu einer redaktionsgeschichtlichen Analyse, die dem Text als ganzem ihre Aufmerksamkeit schenkt. In der Anwendung dieser Methode wurde es möglich, ein klareres Verständnis der Absicht der Verfasser und der Redaktoren der Bibel zu erhalten, und dadurch auch der Botschaft, die sie den ersten Empfängern vermitteln wollten. Die historisch-kritische Forschung gewann mit dieser Methodik eine hervorragende Bedeutung.
Exegeten, welche diese Methode anwenden, scheinen demzufolge tatsächlich den Anspruch zu haben, die Intentionen der Schreiber zu ermitteln und so die biblischen Texte auszulegen. Wie siehst Du das?
Mir gefällt diesbezüglich die Herangehensweise des Exegeten Prof. Erich Zenger, denn:
Schriftauslegung ist mehr als profane Wissenschaft.
Die jüdische Schriftauslegung verdiene hohe Wertschätzung und könne als Bereicherung christlicher Bibelauslegung aufgenommen werden, dürfe aber die historische bzw. historisch-kritische Exegese nicht ersetzen, betont Erich Zenger. Bewahre doch die historische Bibelauslegung davor, „dass wir allzu leicht in die Bibel das eintragen, was uns genehm ist, und dass die einzelnen biblischen Texte ihre provozierende Fremdheit sowie ihre theologische Singularität verlieren“.
Der Gefahr der Nivellierung und des Fundamentalismus, den die kanonische Bibelauslegung in sich trage, müsse die historische Bibelauslegung entgegenwirken. „Deshalb brauchen wir beide Formen der Schriftauslegung. In methodentechnischer Sprache heißt dies: Wir brauchen die diachrone und die synchrone Bibellektüre. Wir brauchen die alten und die neuen Wege christlicher Schriftauslegung.“
(Zengers wörtliche Rede habe ich durch Textformatierung hervorgehoben.)
Die Methoden müssen also gar nicht miteinander konkurren, sie können sich auch gegenseitig fruchtbar ergänzen.
Prof. E. Zenger trat besonders als Exeget der Psalmen hervor (Psalter-Exegese). In der
Uni Bamberg mahnte er einen sorgfältigen Umgang mit der Bibel an:
Gleichzeitig mahnte Zenger einen sorgfältigen Umgang mit der Bibel als dem Wort Gottes an. So müssten genaue Übersetzungen erarbeitet werden und scheinbar unverständliche Passagen nicht einfach der Harmonie halber gestrichen werden – so geschehen im kirchlichen Stundengebet, wo aus Psalm 139 die Verse 19 bis 22 getilgt wurden. Sie lauten: „Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, lasst ab von mir! Sie reden über dich voll Tücke und missbrauchen deinen Namen. Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen, die dich verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse euch mit glühendem Hass; auch mir sind sie zu Feinden geworden.“ Eine solche Passage aus dem Gebet zu tilgen, sei keine Lösung, so Zenger. Vielmehr müsse man den Gläubigen klar machen, was Menschen in alttestamentlicher Zeit unter „Hass“ verstanden. Hier habe sich nämlich eine Bedeutungsverschiebung ergeben: Hass meine nicht wie heute ein blindes, irrationales Gefühl gegenüber jemandem. „Die beste Übersetzung für Hass, wie ihn die Bibel versteht, wäre: Mit Leidenschaft gegen das Böse in der Welt kämpfen“, erklärte Zenger.
(Zengers wörtliche Rede habe ich durch Textformatierung hervorgehoben.)
Vieleicht hast Du noch Interesse, die Erläuterung der Universität Duisburg-Essen zur
historisch-kritische Methode der Textinterpretation zu lesen. Dieser möchte ich die
Kritik von Dr. Jacob Thiessen gegenüberstellen.