Thaddäus hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben:Bei Text und Sprache existieren letztlich nur die physikalischen Gegebenheiten.
1. Welche physikalischen Gegebenheiten? Die Pixel auf dem Bildschirm und die physikalischen Ereignisse auf subatomarer Ebene in den Neuronen oder in den Rezeptoren auf meiner Retina?
Die Existenz von Text, in Form von physikalischen Gegebenheiten, liegt in Materiezusammenhängen vor, die das Licht zu einem Muster ablenken.
Die Existenz von Sprache, in Form von physikalischen Gegebenheiten, liegt in wellenförmigen Druckunterschieden vor.
Ich gehe mit 100prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass diese Gegebenheiten unabhängig von Wahrnehmung existieren und auf Wahrnehmung einwirken
=> sie sind wirklich existent.
Thaddäus hat geschrieben:2. Offensichtlich existieren nicht nur physikalische Gegebenheiten.
Nein, ich erkenne da keine „Offensichtlichkeit“.
Thaddäus hat geschrieben:Denn was sollen die physikalischen Gegebenheiten deines Verständnisses des Wörtchens "existieren" sein in deinem Satz (S1) "Bei Text und Sprache existieren letztlich nur die physikalischen Gegebenheiten" im Unterschied zu meinem Verständnis des Wörtchens "existieren" in demselben Satz? Worin unterscheiden sich also die physikalischen Gegebenheiten in deinem Gehirn von den physikalischen Gegebenheiten in meinem, wo wir doch offensichtlich unterschiedliche Auffassungen davon haben, was das Wörtchen "existieren" in deinem Satz bedeutet!
Das „Verstehen“ liegt
nicht in Form von physikalischen Gegebenheiten vor.
Dennoch existiert „Verstehen“ auch nicht alternativ („immateriell“) dazu.
Ich sage ja gerade, dass das Verstehen nur virtuell stattfindet, also durch einen Ablauf.
Aus den Zusammenhängen im Ablauf ergeben sich die Verstehfunktionen.
Die physikalischen Gegebenheiten des Gehirns legen diesen Ablauf fest.
-Anzahl der Neuronen
-Verschaltung der Neuronen
-Schwellenwerte in den Neuronen
-Versorgung mit Botenstoffen/Nährstoffen
-zeitliches Verhalten der Neuronen
-Regulation durch die Gliazellen
(bestimmt gibt es noch weitere physikalische Faktoren, wie z.B. die Qualität der Sinnesorgane)
Das bedeutet: in all diesen Dingen unterscheiden sich unsere Gehirne. Dazu kommt noch, dass sich das Verstehen des obigen Satzes, bei dir und mir aus unterschiedlichen Ablauf-Situationen heraus entwickelt.
Diese Vielfalt ergibt ohne Probleme zwei unterschiedliche Verstehansätze.
Thaddäus hat geschrieben:Ich nehme die einzig mögliche konsistent-physikalistische Antwort auf 2. vorweg (nämlich die identitätstheoretische Erklärung), weil mir das sonst zu lange dauert - und widerlege sie auch gleich!
Da du oben die Aussage (S1) triffst, nur die physikalischen Gegebenheiten existieren letztlich, bist du also Physikalist.
„Physikalist“ ist ein philosophischer Begriff, mit dem ich mich nicht weiter beschäftigt habe – somit kann ich nichts dazu sagen.
Da du mir aber die Behauptung einer Identitätsaussage zuordnest, kann ich darauf reagieren:
Es ist falsch.
Ich behaupte
nicht, dass das Verstehen als physikalische Gegebenheit vorliegt.
„Verstehen“ sehe ich als Funktionalität in den Zusammenhängen von bestimmten Berechnungsabläufen.
Ich vermute, dass man mit Datenverarbeitungs-/Schaltabläufen die speziellen Verstehfunktionen, die als „das Bewusstsein“ bezeichnet werden, stattfinden lassen kann.
Die physikalische Realisierung dieser Datenverarbeitung sehe aber selbst nicht als „das Verstehen“ an.
=> keine Identität.
Thaddäus hat geschrieben:Da sich deine Auffassung der Bedeutung des Wörtchens "existieren" in c von meinem Verständnis der Bedeutung des Wörtchens "existieren" in (S1)unterscheidet, musst du annehmen, dass sich dein Gehirn in einem physikalischen Zustand A befindet, wenn du obigen Gedanken (S1) denkst,
Nein, wenn ich „Zustand“ höre, dann kräuseln sich mir eher die Haare.
Ich habe bereits geschrieben, dass es bei der (von mir) vermuteten Virtualität nicht möglich ist, die Zeit anzuhalten und zu sagen „da ist das Verstehen“.
Das Verstehen ergibt sich aus einem zeitlich fortlaufenden Ablauf.
Deshalb nenne ich es „Verstehanimation“ und nicht „Verstehzustand“.
Thaddäus hat geschrieben:Das heißt, das Gehirn jedes Menschen, der (S1) so auffasst wie du, muss sich exakt im physikalischen Zustand A befinden und das Gehirn jedes Menschen, der (S1) so auffasst wie ich, muss sich exakt im physikalischen Zustand B befinden.
Einen weiteren Menschen, der einen Zusammenhang exakt so auffasst, wie ich, kann es im Grunde nicht geben, weil die physikalischen Gegebenheiten (siehe oben) einen derart gigantischen Möglichkeitsraum aufspannen, dass es selbst bei einem identischen Klon, der wenige Sekunden vor dem Experiment, mit mir als Vorlage angefertigt werden würde, auf Grund der anderen Position im Raum zu einer leichten Abweichung in der Gehirnarbeit kommen würde.
Ein Mensch dessen Gehirn exakt so arbeitet wie meines, muss mein Leben gelebt haben und es darf bis zum Abschluss des Experimentes zu keinerlei Situationsunterschieden kommen.
=> so einen Menschen gibt es nicht.
Thaddäus hat geschrieben:Nun hat die Hirnforschung aber festgestellt, dass die Aktivitätsmuster der Gehirne von Menschen, die eine exakt gleiche Aufgabe lösen, sehr unterschiedlich sind. Ja, es gibt sogar keine zwei absolut identischen Aktivitätsmuster, obwohl die Probanden identische Aufgaben lösen sollen. Wesentliche Unterschiede ergeben sich dabei z.B. zwischen Männern und Frauen, aber auch unter den Männern und unter den Frauen.
Dies bedeutet: obwohl identische Aufgaben bewältigt werden sollen, befinden sich die Gehirne in völlig unterschiedlichen physikalischen Zuständen! Und dies bedeutet wiederum, dass sich eben nicht alle Gehirne, die (S1) wie du in der Bedeutung von A auffassen und nicht alle Gehirne, die (S1) in der Bedeutung von B auffassen, im exakt gleichen physikalischen Zustand befinden!
Das heißt, die Hirnforschung selbst widerlegt deine physikalistische Identitätsannahme, dass jedes Gehirn eines Menschen, der A denkt oder A tut in demselben physikalischen Zustand befinden muss. Das heißt, es gibt eine physikalische Multirealisierbarkeit der Zustände A und B.
1.
Ich vertrete keine physikalistische Identitätsannahme
2.
Das, was du hier behauptest, kann die Neurowissenschaft
nicht bestätigen, denn das Lösen der exakt gleichen Aufgabe hat nur wenig damit zu tun, welche Verstehzusammenhänge stattfinden. Die Neurowissenschaft hat kein Werkzeug, um den Verlauf des Bewusstseins auch nur annähernd so auszuwerten, wie die Aktivitäten das Gehirns – und das, obwohl das Gehirn nur sehr ungenau ausgewertet werden kann.
Ich garantiere, dass Menschen sehr unterschiedliche Lösungsstrategien haben und dass es selbst bei gleicher Strategie zu unterschiedlichen neuronalen Realisierungen sowie zeitlichen Abläufen kommt, so dass letztlich auch das Verstehen unterschiedlich abläuft.
Dein Argument sehe ich als eine philosophische Abstraktion an, die für wirkliche Experimente untauglich ist.
Für das Vergleichen von Verstehen ist entscheidend, dass die gleichen Bedeutungszusammenhänge, in der gleichen zeitlichen Abfolge stattfinden.
Dies kann man heute (leider) noch nicht einmal im Ansatz experimentell untersuchen.
Thaddäus hat geschrieben:Da du mit wirklicher Existenz materielle Existenz meinst, liegst du offensichtlich falsch. Zahlen sind nun einmal nicht materiell, es gibt sie aber wirklich. Umgekehrt gibt es Tische, die immateriell werden können, z.B. wenn man von seinem Küchentisch träumen sollte
Nein, Zahlen sind keine existierenden Objekte, sondern Bedeutungen, die nur von aktiven Wahrnehmungssystemen verwaltet werden können.
Von Zahlen geht somit keine Wirkung aus, denn es ist immer das Wahrnehmungssystem selbst, dass die Bedeutung herstellt und auf die jeweilige Situation reagiert.
Wichtig dabei ist, dass ein Wahrnehmungssystem die Bedeutung von Zahlen zuerst mühsam lernen muss.
„Geträumte Tische“ sind aus meiner Sicht ganz und gar nicht immateriell vorhanden, denn auch hierbei handelt es sich (für mich) nur um Bedeutungszusammenhänge, die ein Wahrnehmungssystem verwaltet.
Aus meiner Sicht führt kein Weg daran vorbei, dass du vorlegst, wie du Bedeutung herstellen würdest, so dass sich eine
eigenständige, wirkliche Existenz ergeben könnte.
Bisher hast du hierzu noch nichts geliefert.