closs hat geschrieben:Wenn Du als erstes den Primär-Text liest, bevor Du Dich von Sekundär-Literatur versauen lässt, liest Du ohne Einflüsse. - Welchen Eindruck hattest Du damals?
Daß es sich um fromme Märchen handelt. Im Grunde stimmt das ja auch. Manche Theologen verfolgen deshalb eine Ausweichstrategie:
"Eine beliebte Strategie unter Theologen, den für den Glauben unangenehmen Ergebnissen der
eigenen Neu- und Alttestamentler aus dem Wege zu gehen, ist es, deren Bedeutung für den Glauben
einfach zu leugnen. Etwas überspitzt kann diese Haltung folgendermaßen charakterisiert werden:
Auch wenn das alles über Jesus Erfindungen sind, kann es den Gläubigen dennoch als Gotteswort
ansprechen. Es geht nicht um den historischen Jesus, wird gesagt, sondern um den kerygmatischen
Christus, also den Christus, der den Gläubigen in der Predigt begegnet und an den geglaubt wird."
Kubitza, Der Dogmenwahn
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Da fiel es mir wie Schuppen von den Haaren und ich sah, daß meine unartikulierte Skepsis berechtigt war.
Wenn man die Bibel wörtlich liest, kann das nicht ausbleiben.
Es geht nicht ums wörtlich lesen. Es geht um die Entstehungsgeschichte und die historische Glaubwürdigkeit, die ja der Kirche so wichtig ist. Deshalb wohl war wohl auch das Panzerkorsett aus Dogmen für die RKK unvermeidbar.
closs hat geschrieben:
Denkt da mal auch einer dran, dass mit Jesus ein Paradigmen-Wechsel eintritt - von der äußeren Religion zur inneren Religion??? - Es ist doch gerade der Gag, dass das NT insofern NICHT in der Glaubens-Tradition steht, dass sie verinnerlicht. - Deshalb ist doch "Nähe" bei Jesus etwas anderes als "Nähe" im zeitlichen Sinn. - Wenn man dieses Motiv übergeht, sieht's in der Tat zappenduster aus.
Das kann man vergessen. "Diese Generation wird das noch erleben..." oder "Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen..." sind ganz klare
zeitliche Terminaussagen. Außerdem hätten sich die römischen Besatzer von einem "inneren" Gottesreich sicher nicht bedroht gefühlt.
closs hat geschrieben:
Ich bin ziemlich sicher, dass sich hier Theißen täuscht - er verwechselt Rezeptions-Haltung mit Jesus-Haltung - der Paradigmen-Wechsel wurde selbstverständlich erst mit der Zeit nach und nach gecheckt. - Deshalb wurde Jesus doch nicht verstanden.
Theißen beruft sich hier auf die NT-Forschung und die hat nun mal die Terminworte Jesu als höchstwahrscheinlich authentisch eingestuft. Das ist nun mal der Konsens.
closs hat geschrieben:
Da stimme ich Dir zu. - Aus meiner Sicht liegt dem eine Sichtweise zugrunde, die zu wörtlich versteht: Man verwechselt geistige Ahnschaft mit biologischer Ahnschaft. - Dann liefert man in der Tat Angriffsfläche.
Gerade hier wollten die Schreiber aber wörtlich verstanden wissen, sonst hätte man keinen Bezug zum AT hinbekommen.
Denn es gab schon damals - mit Recht- große Skepsis, ob Jesus der im AT verheißene sein soll. Da schreckten die Schreiber auch nicht vor abenteuerlichen Geschichten zurück.
closs hat geschrieben:
Nein - Kubitza steht für eine weltanschaulich atheistisch präjudizierte Interpretations-Schule - auch christlicher-seits gibt es NT-Forschung, die zu ganz anderen Ergebnissen führt.
Auch große Theologen greifen auf die Ergebnissen der Nt-Forschung zurück.
„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S.22)
"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
(Karl Rahner, kath. Theologe)
Man sollte nicht so tun, als seien das alles Volldeppen, die das NT nicht richtig zu lesen vermögen, das kann nur der closs.
closs hat geschrieben:
Vergiss nicht: "Historisch-kritisch" hat im Grunde gar nichts mit inhaltlicher Interpretation zu tun, sondern mit Fragen nach Wortbedeutungen, Quellenlage, Rezeptions-Geschichte, etc.
Ja eben, da hat sie doch großes geleistet. Wenn dabei Dinge zum Vorschein kommen, die gläubigen Biblianern nicht gefallen, kann man sie dafür nicht verantwortlich machen.
closs hat geschrieben:Ja eben, sie sind wissenschaftlich Arbeitenden natürlich nicht ebenbürtig.
Woher willst Du das wissen? - Ich habe eh den Verdacht, dass man "ergebnisoffen" mit "atheistisch" gleichsetzt: "Wenn Du die Bibel inhaltlich verstanden hast, musst Du ein schlechter Wissenschaftler sein".[/quote]
Ergebnisoffen heißt einfach, daß man das Ergebnis einer Untersuchung nicht präjudiziert. Genau das tun Dogmatiker, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.