closs hat geschrieben:Das ist eine Interpretation, aber keine Tatsache. - Natürlich kann man so interpretieren.
Die aber mittels eines wissenschaftlichen Methodenapparates heraus präperiert wurde.
closs hat geschrieben:
Nein - denn "Das Himmelreich ist nah" ist ja (vermutlich) wirklich eine Kernaussage von Jesus - nur wie er es halt gemeint hat, ist die Frage. - Einige Schreiber scheinen es "äußerlich" verstanden zu haben, was ja der Mode der Zeit durchaus entsprach. - Insofern ist es folgerichtig, wenn die Schreiber dieses Motiv aufnehmen - es war ja DA.
Du tust immer so, als wenn das für die Forschung Neuland wäre. Man hat doch längst unterschieden in eine erfüllte Erwartung, eine Nächsterwartung, eine Naherwartung und eine Fernerwartung, (siehe Erich Gräßer) wobei die Unterscheidung in Nah- und Nächsterwartung eigentlich überflüssig ist.
"Der Unterschied ist im Blick auf die Sache bedeutungslos und in der Überlieferung auch nicht sicher zu greifen. Wer möchte sagen, ob Jesus mit Stunden oder Tagen gerechnet habe? Die geringere oder größere Nähe der Krisis ist auch nicht das Wesentliche, sondern allein der Gedanke, daß es die letzte Stunde ist und "daß das Reich Gottes jetzt ganz gewiss kommt."
Erich Gräßer
closs hat geschrieben:
Aber was heisst das? - Das heisst, dass dieses Motiv aktuell war - aber es sagt doch nichts darüber aus, wie Jesus es gemeint hat.
Das heißt, daß man sich nicht traute, die Originalaussagen Jesus wegzulassen, weil sie noch im kollektiven Gedächtnis verhaftet waren. Die Kernbotschaft war noch unantastbar, erst im Laufe der Zeit wagte man den Schritt zu Parusieverzögerung.
closs hat geschrieben:
Ganz und gar nicht - mit dem Motiv des "Und sie verstanden ihn nicht" ist dieses Argument mit einem Wisch atomisiert.
Hatte ich schon mal gefragt: An welcher Stelle in Zusammenhang mit der Naherwartung wird gesagt: und sie verstanden ihn nicht?
closs hat geschrieben:
Doch - Du hast übergangen, dass ich ausdrücklich "WISSENSCHAFTLICH" geschrieben habe - als die Phase VOR der weltanschaulichen Deutung.
Wenn mit wissenschaftlichem Methodenapparat sauber herausgearbeitet wird, daß Jesus aufgrund der Quellenlage eine Naherwartung hatte, dann ist das
keine Weltanschauung.
closs hat geschrieben:
Wenn nicht, um so besser. - Sie interpretiert aber eigene Beobachtungen als Tatsachen, die ins Gesamte eingreifen - der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" (= Tatsache) ist ein Eingriff in den gesamten Bibel-Kontext, der nur erlaubt wäre, wenn man die Bibel als Ganzes zur Grundlage seiner Interpretation macht - genau das tut man aber NICHT, weil es "Glaubens-Kram" ist.
Ob Jesus eine Naherwartung hat oder nicht ist doch kein unerlaubter Eingriff in den Kontext. Es ist eine berechtigte Frage, die bei Bejahung natürlich auch Konsequenzen haben muß. Man kann dann die Position des Theologen Lindemann einnehmen und sagen: Auch wenn Jesus nicht der Sohn Gottes ist, glaube ich trotzdem an einen Gott. Die nächste Stufe der Irrationalität wäre dann, was jemand hier im Forum gesagt hat: ich glaube an Gott, egal ob es ihn gibt oder nicht.
closs hat geschrieben:
Möglich - darum geht es mir nicht. - Mir geht es darum, dass es Motive im AT gibt, die sich bei Jesus wiederholen ("Ohren, die nicht hören").
Na ja, ein sehr schwaches Motiv. Schließlich waren den Schreibern die alten Schriften bekannt.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn du so willst, ist die gesamte Heilsgeschichte Rezeption, wenn nicht sogar Erfindung eines Paulus und ein paar unbekannten Schreibern.
Auch das wissen wir nicht. - Aus meiner interpretierenden Sicht gibt es einen Nukleus Jesus, dessen Rolle bedeutend genug war, dass sich überhaupt eine Rezeption ergeben konnte.
Der Nukleus war die Verkündigung des nahen Gottesreiches.
"Die neutestamentliche Forschung ist sich einig, dass der Hauptinhalt der Predigt Jesu in
der Ankündigung des nahen Gottesreichs bestand,..."
Kubitza, Jesuswahn
„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen
closs hat geschrieben:
Insofern meine ich nach wie vor, dass sich historisch-kritische und kanonische Exegese nicht beißen: Letztere setzt da ein, wo erstere innerhalb ihres Mandats nicht mehr weiter kann.
Das sieht die Forschung völlig anders. Die kanonische Exegese hat keinen wissenschaftlichen Methodenapparat zur Verfügung, sie verliert sich in Eisegese. HKM und Kanonik verhalten sich wie Feuer und Wasser.