closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Die historisch-kritische Analyse untersucht nicht nur den Klang, wie du das nennst. Sie findet vor allem heraus, ob da überhaupt gespielt wird.
Sie findet nicht raus, sondern untersucht es mit ihren Mitteln - konkret:
Wenn man etwas wissenschaftlich - in diesem Falle also textkritisch - untersucht, findet man auch etwas heraus.
closs hat geschrieben:
In einem ganz anderen Thread dieses Forums über die Romantik haben die Diskutaten festgestellt, dass die Rezeption der literarischen/philosophischen Romantik (grob 1800 - 1825) in der zweiten Hälfte des 19. Jh. geradezu bizarr entstellt ist -
Und du gibst dir die Antwort auch gleich selbst. Dass ist ökonomisch und spart Zeit.
Richtig: die Jesustradition wird sehr schnell extrem bizarr. Schon im Johannesevangelium und in den Paulusbriefen ist das der Fall (weil Paulus Jesus nie kennenlernte - anders als Petrus - und er seine eigene Theologie verfolgt, die nicht die des jüdischen Wanderpredigers Jeschua ist). Und es erreicht seine Spitze in der nt-Apokalypse. Weiß man von der Kreuzigung bei Markus noch, dass Jesu Wort am Kreuz: "Elohim, Elohim, lema sabachtani!", höchstwahrscheinlich ein authentisches Jesuswort ist (denn es ist aramäisch überliefert), weiß man mit derselben Gewissheit, dass "Es ist voll bracht!" bei Johannes niemals von Jesus gesagt worden ist. Ebensowenig die Kreuzesworte bei Matthäus und Lukas.
Usw. usf. ...
closs hat geschrieben:
Folge davon müsste sein, dass man in der HKM zur Bibel (fast) ausschließlich von der Rezeptions-Zeit spricht und nicht von der "Original-Zeit" - dies scheint nicht immer bedacht zu werden.
Nein, das ist schlicht falsch. Man weiß sehr viel über die Zeit Jesu und man kann die wenigen überlieferten authentischen Jesusworte in den Evv. relativ gut rekonstruieren. Alle Wundererzählungen sind demnach spätere Bildung, sein Wutanfall im Tempel ist aber vermutlich historisch. Usw.usf. ...
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Beides setzt die kanonische Exegese immer schon voraus, weshalb sie z.B. in Ratzingers missglückten Versuch über Jesus zumeist Melodien pfeift, die sonst keiner hören kann.
Das ist korrekt - die kanonische Exegese geht in der Tat davon aus, dass Jesus gelebt und gewirkt hat. - Das ist - wissenschaftlich gesehen - nicht erwiesen. -
Aus obigen Gründen kann die HKM wenig dagegensetzen, wenn sie streng wissenschaftlich arbeitet.
Ach, - das ist wirklich Quatsch. Natrlich ist es historisch-kritisch hochwahrscheinlich, dass er gelebt hat. Aber den überdimensionierten Firlefanz, den Ratzinger von Jesus in seinem Buch zu erzählen weiß: das ist tatsächlich nichts als Phantasterei, - eben weil er nicht wissenschaftlich arbeitet!
closs hat geschrieben:
In einem hat es die kanonische Exegese einfacher: Da sie geistig interpretiert, sieht sie gesamt-biblische Zusammenhänge,
Nein, sie behauptet schlicht ohne exegetische Grundlage, - und zwar das, was ihr gefällig ist. Und jeder, der jemals historisch-kritisch am Text gearbeitet hat, weiß das auch. Leute, wie aber zum Beispiel Berger, der durchaus einmal ein guter Neutestamentler war, hat seine wissenschaftliche Seele buchstänblich dem katholoschen Wunschdenken verkauft. Und auch das weiß jeder Neutestamentler, weshalb er von den meisten auch aufrichtig verachtet wird.
closs hat geschrieben:
Die HKM darf aus Gründen der Disziplin nicht spirituell argumentieren - dazu kann kommen, dass man auch dann nicht sieht, wenn man darf, weil die eigene Weltanschauung dagegen spricht.
Selbstverständlich darf die HKM spirituell sein, aber eben nur auf der Grundlage ihrer Erkenntisse und Einsichten.
closs hat geschrieben:
Unter all diesen Aspekten kann die HKM bei der Bibel lediglich eine unabdingbare Basis-Arbeit leisten, bevor die eigentliche, also geistige, Interpretation der Bibel beginnt - das scheint in der kanonischen Exegese kombiniert zu sein.
Nein, diese Basisarbeit, ist die ganze Arbeit, die überhaupt geleistet werden kann. Und nur von der darf man ausgehen, wenn man nicht Gefahr laufen will, einfach nur religiös-sentimentalen Unsinn zu erzählen.