Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

closs
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#391 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von closs » Sa 12. Dez 2015, 11:16

Pluto hat geschrieben:Die Tage der Philosophie als selbstständige Disziplin sind gezählt.In nicht allzu ferner Zukunft wird die Philosophie von der analytischen Psychologie vereinnahmt, und diese wiederum wird in der Hirnforschung aufgehen.
Absolut logisch, was Du da sagst. - Dies kann dazu führen, dass die Philosophie im Sinne Platons (und all derer, die ähnlich gefunzt haben) in die Theologie aufgeht. - Wissens- und Weisheits-Fragen werden dann getrennt behandelt werden.

Pluto
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#392 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von Pluto » Sa 12. Dez 2015, 12:01

closs hat geschrieben: Wissens- und Weisheits-Fragen werden dann getrennt behandelt werden.
Weisheitsfragen gibt es nicht.
Es gibt nur weise Leute.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#393 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von Savonlinna » Sa 12. Dez 2015, 12:19

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Tage der Philosophie als selbstständige Disziplin sind gezählt.In nicht allzu ferner Zukunft wird die Philosophie von der analytischen Psychologie vereinnahmt, und diese wiederum wird in der Hirnforschung aufgehen.
Absolut logisch, was Du da sagst. - Dies kann dazu führen, dass die Philosophie im Sinne Platons (und all derer, die ähnlich gefunzt haben) in die Theologie aufgeht. - Wissens- und Weisheits-Fragen werden dann getrennt behandelt werden.
Plutos Tagträume sind doch nicht Ernst zu nehmen.
Und dass closs das noch unterschreibt...

Es ist ein Alt-Herren-Gespräch, wo die Welt nicht mehr verstanden wird und man sich in Phantasien ergeht.
Jeder hat eine Zigarre im Mund und fühlt sich wichtig. ;)

closs
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#394 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von closs » Sa 12. Dez 2015, 12:28

Savonlinna hat geschrieben:Und dass closs das noch unterschreibt...
Pluto hat logisch recht: WENN man Philosophie der naturwissenschaftlichen Methodik unterwirft, verliert Philosophie irgendwann ihren eigenen Stellenwert. - Selbstverständlich ist dies aus meiner Sicht NICHT der richtige Weg - deshalb mein Hinweis, dass es dann zu einer Spaltung kommt (wahrscheinlich schon gegeben hat).

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sven23
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#395 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von sven23 » Sa 12. Dez 2015, 12:31

closs hat geschrieben: - Andererseits gilt in der Naturwissenschaft die Übereinstimmung von Wahrnehmung/Messung und der Natur ebenfalls als gesetzt. - Altes Thema: Es gibt für uns nur Wissen auf Basis von Prämissen.
Schon, aber der Zahn wurde der Theologie ja schon gezogen, nämlich der Versuch der Theologie, den veränderten Wissenschaftsbegriff des kritischen Rationalismus eines Popper für sich zu instrumentalisieren.

"So was hat der gute Karl Popper nicht verdient und natürlich auch nicht gewollt. Natürlich ist keine Wissenschaft voraussetzungslos. Aber das kann doch nicht dazu führen, dass jetzt jede Religion oder auch jeder esoterische Unsinn mit dem Hinweis auf als Axiome getarnte Glaubenssätze eine Dauerkarte für die Universität erhält."
Kubitza, Der Dogmenwahn


closs hat geschrieben: Das Problem aus meiner Sicht: Warum braucht man eigentlich noch Philosophie, wenn man sie methodisch den Naturwissenschaften anpasst?
Vielleicht weil sie (die Naturwissenschaften) sich der Methoden bedienen, die sich als am besten geeignet erwiesen haben, um sich der "Wahrheit" zu nähern.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#396 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von closs » Sa 12. Dez 2015, 12:54

sven23 hat geschrieben:Schon, aber der Zahn wurde der Theologie ja schon gezogen, nämlich der Versuch der Theologie, den veränderten Wissenschaftsbegriff des kritischen Rationalismus eines Popper für sich zu instrumentalisieren.
Es gibt vieles in der Theologie, das so funktioniert - stelle Dir mal das Thema vor "Der Einfluss Th.v.Aquins auf den Existentialismus Sartres". - Ein erfundenes Beispiel, aber vom Profil her sehr geläufig - wer zu dieser Frage forscht, tut dies absolut ergebnisoffen.

Inwieweit hat die Theologie versucht, Popper zu instrumentalsieren?

sven23 hat geschrieben:Vielleicht weil sie (die Naturwissenschaften) sich der Methoden bedienen, die sich als am besten geeignet erwiesen haben, um sich der "Wahrheit" zu nähern.
Hier steckt wieder mal der unausrottbare Irrtum dahinter, dass jegliche Wahrheit eine naturalistische sein müsse. - Wir sind uns einig, dass Popper für naturalistische Fragen alternativlos ist - aber eben nur da. Hier haben wir einen ideologischen Konflikt.

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sven23
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#397 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von sven23 » Sa 12. Dez 2015, 13:11

closs hat geschrieben:Es gibt vieles in der Theologie, das so funktioniert - stelle Dir mal das Thema vor "Der Einfluss Th.v.Aquins auf den Existentialismus Sartres". - Ein erfundenes Beispiel, aber vom Profil her sehr geläufig - wer zu dieser Frage forscht, tut dies absolut ergebnisoffen.
Das hat aber nichts mit dem Kerngeschäft der Theologie zu tun.

closs hat geschrieben: Inwieweit hat die Theologie versucht, Popper zu instrumentalsieren?
Das geht doch eindeutig aus Kubitzas und Kahls Äußerungen hervor. Seht her, die Wissenschaft fischt genau so im trüben wie die Theologie. Es ist sogar der unverschämte Versuch, die Wissenschaft auf das Niveau der Theologie herunter zu ziehen.

closs hat geschrieben: Hier steckt wieder mal der unausrottbare Irrtum dahinter, dass jegliche Wahrheit eine naturalistische sein müsse. - Wir sind uns einig, dass Popper für naturalistische Fragen alternativlos ist - aber eben nur da. Hier haben wir einen ideologischen Konflikt.
Fakt ist aber auch, daß Supranaturalismus ein künstliches Konstrukt ist, das jeder realen Grundlage entbehrt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#398 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von Pluto » Sa 12. Dez 2015, 13:17

closs hat geschrieben: Stelle Dir mal das Thema vor "Der Einfluss Th.v.Aquins auf den Existentialismus Sartres". - Ein erfundenes Beispiel, aber vom Profil her sehr geläufig - wer zu dieser Frage forscht, tut dies absolut ergebnisoffen.

Inwieweit hat die Theologie versucht, Popper zu instrumentalsieren?
Du versuchst es mit deinen Beispielen.

Sicher gibt es vereinzelt solche Beispiele wo ergebnisoffen geforscht wird.
Ich frage mich aber warum man sich in der Theologie auf solche Nebensächlichkeiten fixiert? Warum geht man nicht ans "Eingemachte" und hinterfragt mal die grundsätzlichen Punkte der Theologie?
Mit anderen Worten: Warum werden Dogmen nie angefasst, bzw. hinterfragt?

closs hat geschrieben:Hier steckt wieder mal der unausrottbare Irrtum dahinter, dass jegliche Wahrheit eine naturalistische sein müsse. - Wir sind uns einig, dass Popper für naturalistische Fragen alternativlos ist - aber eben nur da. Hier haben wir einen ideologischen Konflikt.
Das ist ein von der Theologie selbstgemachter Konflikt. Es gäbe ihn nicht, würde man Poppers eigene Empfehlung folgen, und den KR auf alle Disziplinen der Wissenschaft ausdehnen?

Warum wehren sich Theologen so hartnäckig gegen die Akzeptanz von Poppers Methodik in ihren Grundsatzfragen?
Haben sie vielleicht durch ihre Dogmen eine Lernblockade? Kann man eine solche Haltung noch als "wissenschaftlich" bezeichnen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#399 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von closs » Sa 12. Dez 2015, 13:35

Pluto hat geschrieben:Ich frage mich aber warum man sich in der Theologie auf solche Nebensächlichkeiten fixiert?
Tut man ja nicht - fixieren. - Das sind ganz normale theologische Forschungen, die man auch unter die Geschichts- oder Literatur-Wissenschaften subsummieren könnte.

Pluto hat geschrieben:Warum geht man nicht ans "Eingemachte" und hinterfragt mal die grundsätzlichen Punkte der Theologie?
Das tut man in der Fundamental-Theologie - Folge davon sind in der RKK dann ab und zu Enzykliken oder Ähnliches. - Lass Dich nicht täuschen: Es gibt in der RKK eine Menge hoch-intellektueller Leute, die Profis auch in Naturwissenschaften und Philosophie sein können - da blickt man interdisziplinär schon durch.

Pluto hat geschrieben:Mit anderen Worten: Warum werden Dogmen nie angefasst, bzw. hinterfragt?
Vermutlich, weil sie logisch zwingend sind - hinter Dogmen steckt in aller Regel ein Rattenschwanz an langjährigen fundamental-theologischen Diskussionen. - Ich würde (vereinfacht) Dogmene verstehen im Muster "2+2=4" - auf Basis des christlichen Glaubenssystems.

Pluto hat geschrieben:Warum wehren sich Theologen so hartnäckig gegen die Akzeptanz von Poppers Methodik in ihren Grundsatzfragen?
Weil Popper nur in einem Bereich möglich ist, der falsifizierbar ist - Gott ist dagegen NICHT falsifizierbar. - Das ist aus meiner Sicht der ganze Grund.

Pluto hat geschrieben:Kann man eine solche Haltung noch als "wissenschaftlich" bezeichnen?
Physikalistisch NEIN - aber das gälte dann für jegliche philologische Disziplin. - Gemäß des aktuellen wissenschafts-theoretischen Standards JA.

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Thaddäus
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#400 Re: Theologie - Wissenschaft oder überholtes Relikt?

Beitrag von Thaddäus » Sa 12. Dez 2015, 13:38

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Tage der Philosophie als selbstständige Disziplin sind gezählt.In nicht allzu ferner Zukunft wird die Philosophie von der analytischen Psychologie vereinnahmt, und diese wiederum wird in der Hirnforschung aufgehen.
Absolut logisch, was Du da sagst. - Dies kann dazu führen, dass die Philosophie im Sinne Platons (und all derer, die ähnlich gefunzt haben) in die Theologie aufgeht. - Wissens- und Weisheits-Fragen werden dann getrennt behandelt werden.
Hihi ..., wenn das so wäre, wüsste ich davon. :wave:
Tatsächlich gibt Pluto eine gewisse euphorische Stimmung in den Naturwissenschaften und vor allem der Informatik und den Neurowissenschaften von vor etwa 15 bis 25 Jahren wieder.

Es herrschte damals die größenwahnsinnige Auffassung, die KI-Forschung würde innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre eine künstliche Intelligenz schaffen, die der menschlichen weit überlegen sein würde. Davon sind die KI 'ler auch heute, am Ende des Jahres 2015, nicht nur meilenweit entfernt, es herrscht unter den Klügeren dieser Disziplin mittlerweile sogar die Überzeugung, dass ihnen dies auch in den nächsten 100 Jahren und womöglich niemals gelingen wird. Stattdessen widersteht das "Rätsel des Bewusstseins" und mentaler Vorgänge im menschlichen Hirn wie ein erratisches Bollwerk jedem Versuch der KI-Forschung, es zu enträtseln oder es gar zu simulieren.
Gingen in den 80er und 90er Jahren Philosophen und Sprachwissenschaftler noch in die Vorlesungen der Informatiker über KI (so habe ich mir sagen lassen), sitzen heute die Informatiker, die sich mit KI beschäftigen, in den Vorlesungen der Sprachwissenschaftler und der analytischen Philosophen über philosophy of consciousness und philosophy of mind. Die gewagten Versprechungen der KI 'ler erschöpfen sich zur Zeit in eher schlecht als recht funktionierenden, viertelintelligenten Anrufbeantwortern, die weit davon entfernt sind, die menschliche Sprache auch nur halbwegs zu verstehen, in schlecht funktionierender Übersetzungssoftware wie goog*le translate und viel zu langsam selbstfahrenden Autos. :lol:

Seit George H. W. Bush am 17. Juli 1990 die Decade of the Brain feierlich ausgerufen hat, sind ebenfalls 25 Jahre vergangen, in denen nicht einmal das Gehirn einer Taufliege vollständig kartographiert werden konnte, weil man an seiner Komplexität scheitert und den Datenmengen, die anfallen. Ein Witz! Keines der Versprechungen der Neurowissenschaften konnte auch nur annähernd eingelöst werden. Das einzige, was man heute sehr schön machen kann, sind bunte Bilder eines arbeitenden Gehirns, die praktisch nichts erklären können außer dem banalen Befund, dass wenn Menschen dies und jenes tun, diese und jene Hirnbereiche leuchten, weil sie offenbar aktiv sind. Alles, was es heute aus den Neurowissenschaften an angeblich wahnsinnig tollen Fortschritten zu vermelden gibt, sind allesamt PR-Gags, damit weiter Forschungsgelder in die Neurowissenschaften fließen (genau so machen es auch die NASA und das LHC (Large Hadron Collider) in Genf. Nicht nur das, kann das deutsche Vergleichsprojekt Dekade des menschlichen Gehirns von 2000 bis 2010 als praktisch vollständig gescheitert angesehen werden, ebenso wie das mit einer Milliarde Euro geförderte EU-Projekt Human Brain Project.

Die Philosophie ist nicht dabei, zu verschwinden, sondern im Gegenteil ist sie dabei, wiedererstarkt und mit ihren klassischen Themen zurückzukehren. So heftig wie nie zuvor kritisieren Philosophen wie Michael Pauen, Thomas Nagel, Markus Gabriel u.v.a.m. das physikalistische Weltbild und die naive volkstümliche Heilserwartung an die Naturwissenschaften, die immer noch weit verbreitet ist. Freilich ganz und gar nicht, um die Naturwissenschaften zu verteufeln oder ihnen gar ihre Legitimität abzusprechen. Sie kritisieren vielmehr eine sich verbreitet habende naturwissenschaftliche Ideologie, die im Physikalismus ihren stärksten Ausdruck findet. Gehör finden diese ideologiekritischen Philosophen nicht zuletzt auch darum, weil die Versprechungen der KI-Forschung, der Neurowissenschaften und einiger Naturwissenschaftler eben nicht eingelöst werden konnten. Leute, die nicht schlau genug sind, die physikalischen und kosmologischen Arbeiten eines Stephen Hawking oder Lawrence M. Krauss zu verstehen, halten sie dann wenigstens für die einzig ernst zu nehmenden Philosophen. In Wahrheit sind Hawking und Krauss fürchterlich schlechte Philosophen, die sich aber wegen des Hypes um sie, mittlerweile sogar schon selbst für die einzig guten Philosophen halten.

Die breite Masse interessierter Laiennaturwissenschaftler und Laienphilosophen hat die sich mittlerweile längst geändert habende Stimmungslage nur noch nicht so ganz mitbekommen.

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