Ich finde, der Fortgang eurer Diskussion, zeigt sehr schön, worin das große Problem besteht, wenn man versucht, mentale Fähigkeiten, Bewusstsein, Geist und "geistige Inhalte" etc. rein naturwissenschaftlich/biologisch fassen zu wollen (Achtung! Wenn ich im Folgenden diese Vorgehensweise kritisiere, will ich damit ausdrücklich nicht für einen Humunculus im Hirn oder eine Geistseele oder dergl. plädieren und halte das auch nicht für eine Konsequenz einer solchen Kritik!).
Nehmen wir als Beispiel (aus euren diversen Antworten) das Gefühl des Hungers und wie es biologisch und chemisch zustande kommt.
Selbstverständlich gibt es bestimmte biologische und chemische Vorgänge im Körper, die das Hungergefühl in uns kausal auslösen. Sie sind eine
notwendige Bedingung dafür, ein Hungergefühl überhaupt haben zu können. Werden alle Aspekte des Hungers/des Hungerns hinreichend erklärt, indem man ihn bio-chemisch erklärt?
Offenbar nicht, denn wir kennen z.B. Menschen, die in einen Hungerstreik treten, weil sie damit ein bestimmtes Ziel verfolgen oder auch einfach eine
Idee durchsetzen wollen. Es gibt Fälle, wo Menschen so lange hungern, bis sie sterben, weil sie z.B. bessere Haftbedingungen erzwingen wollen oder aus religiösen Gründen. Offenbar wird das, was diese Menschen (bewusst) tun (ob es sinnvoll ist oder nicht sei dahingestellt) in keiner Weise dadurch erfasst, dass wir bio-chemisch erklären können, wie ihr Hungergefühl entsteht.
Ob sinnvoll oder nicht wird durch das Verhalten eines Menschen, der in einen Hungerstreik tritt, eine
Sinndimension eröffnet, die durch eine bio-chemische Erklärung des Hungergefühls in keiner Weise erfasst wird. Offenbar befinden sich diese Menschen in bestimmten mentalen Zuständen, die etwas
anderes sind, als die bio-chemische Erklärung ihres Hungers. Und natürlich sind die Verhaltensmotive, die Gründe, die Ideen etc., warum jemand in einen Hungerstreik tritt, Hervorbringungen seines Gehirns. Das Gehirn ist wiederum eine notwendige Bedingung dafür, dass jemand Motive und Überzeugungen haben kann, die ihn in einen Hungerstreik treten lassen. Aber ein Hirnscan solcher Menschen gibt wiederum keinen Aufschluss darüber, was diese Motive und Überzeugungen SIND.
Wir
verstehen einen Hungerstreikenden nicht schon dadurch, dass wir die bio-chemischen Vorgänge in seinem Körper kennen und wir können seine Motive und Überzeugungen, z.B. damit bessere Haftbedinungen durchsetzen zu wollen, nicht über die bio-chemischen Ursachen verstehen, die in ihm das Gefühl des Hungers auslösen.
Wenn jemand aus bestimmten politischen, religiösen oder sonstigen Gründen in einen Hungerstreik (vielleicht bis zum Tode) tritt, dann haben wir es auf der Sinnebene seines Verhaltens sogar mit dem
Freiheitsbegriff zu tun. Meines Wissens gibt es kein anderes Tier, welches sich freiwillig zu Tode hungern kann, um ein bestimmtes Ziel bewusst zu verfolgen. Es ist zweifellos eine Form von Freiheit, die Nahrungsaufnahme aus bestimmten Gürnden zu verweigern. Außer dem Menschen kann das kein anderes Tier. Ein ausgehungertes Tier kann nur mit Gewalt daran gehindert werden, zu fressen, wenn ihm Fressen hingestellt wird. Nur ein Mensch vermag - obwohl er heißesten Hunger verspürt - die Nahrungsaufnahme dennoch zu verweigern.
SilverBullet hat geschrieben:Zum Körper (insgesamt):
Es geht um die Behauptung, dass die „mentalen Fähigkeiten“ (lesen und schreiben von Textbeiträgen) durch den gesamten Körper zustande kommen, dass wir also mit „dem gesamten Körper denken“ können sollen.
Das habe ich eigentlich nicht gemeint.
Ich meine nicht, dass der ganze Körper denkt. Ich meine vielmehr, dass wir immer nur den ganzen Menschen mit seinem ganzen Körper dabei beobachten können, wie er etwas tut. Wir sehen nicht das Gehirn von jemandem, der das Kreuzworträtsel in der Tageszeitung löst. Wir sehen den ganzen Menschen, seinen Körper dabei zu, wie er das tut (indem er mit seinen Armen, Händen und Fingern Buchstaben in Kästchen kritzelt.