Thaddäus hat geschrieben:Konsens:…
Ja, in Abgrenzung zu einem temporär, an einen Körper gebundenen „Geist“(?) liegen wir auf einer Seite.
Thaddäus hat geschrieben:Dissens:…
Der Hautunterschied besteht für mich (wie du auch schon gesagt hast) in den Vermutungen zur Existenz von Bewusstsein.
Ich denke von diesem Punkt leiten sich alle weiteren Unterschiede automatisch ab. Das geht bis in das Detail der Arbeitsweise von Neuronen, weil sie für eine „Produktion“ etwas viel Hintergründigeres durchführen müssten, als die bedingte Weitergabe von elektrischen Impulsen – sie müssten sozusagen zugleich „Produktion und Kommunikation“ sein.
Thaddäus hat geschrieben:Phänomenologisch gehe ich davon aus, dass es sie selbstverständlich gibt und nicht geleugnet werden können. Du scheinst mir das Vorhandensein von Bewusstsein und Selbstbewusstsein leugnen zu wollen.
Aus meiner Sicht ist das Wort „leugnen“ nicht angebracht.
Für „Bewusstsein“ und „Selbstbewusstsein“ ist vollständig unbekannt, was es sein soll und die Existenzbeurteilung kann letztlich nur in den Zusammenhängen auftreten, die sich selbst für „Bewusstsein“ halten – es ist also keine unabhängige Einschätzung.
Vor diesem Hintergrund hat niemand den Anspruch, eine Existenzvermutung als den Normzustand festzulegen, so dass andere Lösungsvermutungen als „Leugnung“ deklariert werden können.
Egal, welches Verständnis „innerhalb des Bewusstseins“, über das Bewusstsein vorhanden sein kann, bleibt die Frage, um was es sich bei „Verständnis“ handelt und wie es hergestellt wird.
Ohne eine bestätigte Antwort auf diese Frage, gibt es keine Verbindung zur materiellen Welt und damit auch keinen, über einen unbekannten Vorgang/Prozess/Ablauf hinausgehenden, Anspruch auf Existenzgewissheit.
Thaddäus hat geschrieben:Neuronen sind - nach allem, was ich weiß - keine bloßen Ein-/Aus-Schalter
„Ein-/Ausschalter“ klingt ein wenig nach „Licht an, Licht aus“.
„Schalter“, im Sinne von Durchschalten/Weiterleiten hört sich schon besser an. Wenn es dann noch zu einem Sammeln von Eingangspotentialen und der Weitergabe nach dem „Alles-Oder-Nichts“-Prinzip kommen soll, dann gibt es schon eine grosse Nähe zu einem Neuron.
Bei der Verwendung von „Transistor“ und „integrierter Schaltkreis“ sehe ich nicht, wohin das führen soll, aber zumindest ist auch bei diesen Analogien klar, dass die reine Datenverarbeitung nicht verlassen wird.
Thaddäus hat geschrieben:Den Informatikern ist es gelungen, die neuronale Vernetzung des Gehirns irgend einer Nacktschnecke grundsätzlich nachzubauen. Das Ergebnis war, soweit ich weiß, dass die nachgebaute Schnecke sich so verhielt, wie die biologische Schnecke.
Ich denke, es könnte sich eher um einen 1mm grossen Wurm handeln, dessen neuronale Verschaltung schon lange exakt vorliegt (-> OpenWorm-Projekt).
Das Problem bei einer Simulation besteht darin, die neuronalen Schwellenwerte, das zeitliche Verhalten und die Wirkungen von hemmenden und verstärkenden Stoffen nachzubilden.
Um dies lösen, haben die Entwickler wohl auf „evolutionäre Algorithmen“ (also Algorithmen, die sich durch „zufällige“ Veränderungsmassnahmen einem Optimum nähern sollen – Fehlversuche werden verworfen) gesetzt und versucht eine Konfiguration der vorliegenden neuronalen Verschaltung zu finden, die dem Verhalten des Lebewesens nahe kommt.
Thaddäus hat geschrieben:Ich bestreite keineswegs, dass das Gehirn zu ganz erstaunlichen Leistungen in der Lage ist.
Ich bestreite allerdings, dass das Gehirn in klassischer Weise rechnet.
„Rechnen“ steht (für mich) bei einer Datenverarbeitung für den algorithmischen Umgang mit Daten. Für kleine neuronale Netze kann man dies noch mathematisch formulieren, aber selbstverständlich verwenden die Neuronen keine Zahlen, keine Variablen und keine Formelsymbole (moderne Datenverarbeitungsanlagen auch nicht).
Der Begriff „Berechnung“ ist sehr gut geeignet, um die Normalität, das Unspektakuläre rund um die Arbeit des Gehirns auszudrücken.
Bei einer Berechnung spielen normale Zusammenhänge eine Rolle, es kommt zu Abläufen und Wechselwirkungen, aber es können sich daraus keine Existenzen ergeben.
Dass du dich als Anhänger einer Art „Produktion durch das Gehirn“ gegen den Begriff wehrst, bestätigt genau diese Absicht:
Meiner Meinung nach, macht das Gehirn nur das, was man von aussen beobachten kann – elektrische Impulse werden in einem neuronalen Netz, mit viel Parallelität verarbeitet – „mehr“ nicht.
(„Berechnen“ ist für jeden eine erkennbare Distanzierung von z.B. elektromagnetischen Energieverhältnissen aus denen eine unsichtbare „Bewusstseinsblase“ entsteht, die dann als eine Art „Aura“ mit dem Gehirn wechselwirken soll)
Wenn man das Gehirn anschaut, dann erkennt man die Sensorik (Sinneszellen), die Daten (elektrische Impulse), die Verarbeitung (das Netz mit einer differenzierten Verschaltung) und die Steuerverbindungen zum Körper (Motoneurone).
Insgesamt: Datenverarbeitung.
Wie ich schon geschrieben habe, ist dies ein Funktionsrahmen, aus dem man explizit heraustreten (aber auch wieder eintreten) können muss, wenn man das Bewusstsein als „entstehendes, existierendes Etwas“ festlegen möchte.
Meines Wissens hat diesbezüglich niemand eine konkrete Idee.
Es gibt wohl nur unklare Oberbegriffe:
„Quanteneinflüsse“ (Quantenbewusstsein), „globales Bewusstsein“ (Panpsychismus), „Emergenz“ (???).
Man kann mit solchen Dingen zwar „aufwendig formulierte“ Bücher verkaufen, aber man kann keine Lösung aufbauen – noch nicht einmal im Ansatz.
Am Ende bleibt immer noch das „unaufgeregt, aktive Gehirn“ übrig.
Deshalb vermute ich, dass die Lösung genau dort zu finden ist.
Im Grunde haben wir alles, was wir brauchen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt kein Materiezusammenhang mehr dazu, der den Rahmen einer Datenverarbeitung sprengen könnte.
Als Konsequenz, ist man somit gut beraten, wenn man nachschaut, ob man die richtigen Fragen stellt, wenn es um „das Mentale“ geht.
Die bisherigen kulturellen Ideen, „Ich bin immateriell“ (Metaphysik), „Ich habe ein Bewusstsein“, „Ich habe einen Körper“, „Ich existiere unabhängig vom Körper“ sind ganz nett und sicherlich vor dem Hintergrund der Undurchsichtigkeit verständlich, aber dieses „Zeugs“ passt nicht zum aktiven Gehirn.
Somit habe ich mich gefragt, ob ich vor dem Ausgangspunkt einer beobachtbaren Datenverarbeitung, irgendwie beweisen kann, dass „ich mehr bin“, als reine virtuelle Zusammenhänge, die komplett (also jede Nuance) durch das Gehirn über die Zeit berechnet werden.
Sozusagen: ich suche selbst nach einem Argument gegen meine Vermutung.
=> Ich habe nichts gefunden - Ich sehe kein Argument dagegen.
Im Gegenteil, wenn man all die „komischen“ Effekte, all die Krankheiten und Verletzungsauswirkungen betrachtet, kann man sie sehr gut auf Berechnungsumstände zurückführen.
Ein kleines Beispiel, das jeder kennt:
25 Bilder pro Sekunde ergeben „im Bewusstsein“ einen kontinuierlichen Film.
Warum eigentlich?
OK, die neuronale Bildaufbereitung kostet Zeit, aber ich habe nicht den Eindruck, dass ich in der Zwischenzeit irgendwo bin und warte, oder dass ich mich dafür entscheiden könnte, nicht zu warten, sondern die „Zwischenzeiten“, aktiv zu durchleben.
Nein, ich finde eher auf eine Art statt, dass diese Taktung für mich, wie ein ununterbrochener Zusammenhang wirkt.
Das Gehirn kann sehr wohl schneller reagieren, allerdings nicht mit Bewusstsein.
Die einfachste Erklärung ist, das Gehirn koordiniert viele der parallelen Abläufe in einer rhythmischen Abstimmung: „dem Bewusstsein“, also einer Animation von Verstehzusammenhängen.
Drastisch formuliert:
Ich finde nur ca. 25 mal in der Sekunde statt. Da ich aber den Eindruck eines „ununterbrochenen Vorhandenseins“ habe, ist die einfachste Lösung, dass dieser „Eindruck“ nichts mit den 25 Etappen zu tun haben kann, sondern exakt („absichtlich“) so zustande kommen soll -> das Gehirn rechnet das „Verständnis einer Kontinuität“ ins Bewusstsein ein (und dort gibt es keine Möglichkeit dies zu hinterfragen).
25 „Aktualisierungen“ pro Sekunde sind immer noch sehr schnell, wodurch das Bewusstsein sozusagen live am wirklichen Umweltgeschehen teilhaben kann – zumindest aus der Verstehsicht, die sich im Bewusstsein ergibt.
Das Raffinierte dabei ist: das Bewusstsein hat keinerlei Eigenleben und das Gehirn berechnet zwar minuziös jede „Bewusstseinsnuance“, aber nicht, dass das Gehirn als Aktivität dahinter steckt.
(Ich sage wieder ausdrücklich dazu, dass dies nur meine Vermutungen sind)