Thaddäus hat geschrieben:Klar ist aber auch, dass du - unter anderem - dein Gehirn bist (und dein gesamter Körper drumherum).
Als Bedeutungszusammenhang steht das „Ich“ für die Situation des Gesamtlebewesens, in Bezug zu seiner Umgebung, insbesondere zur Gruppe aus Artgenossen.
Im Detail setze ich das Bewusstsein natürlich
nicht mit dem Gehirn gleich.
Aus meiner Sicht findet das Bewusstsein innerhalb von Bedeutungszusammenhängen statt, die das Gehirn kontinuierlich berechnet. Ich sehe das Bewusstsein somit als virtuell an – es existiert nicht vergleichbar zu materiellen Objekten.
Der „Trick“ besteht darin, dass im Bewusstsein, mit materiellen Zusammenhängen, über das gleiche „Existenz“-Verständnis umgegangen wird, wie bei reinen „Bewusstseinsinhalten“ („Gedanken“, „Emotionen“, „Schmerzen“, „Liebe“, „Ich“ usw.) und natürlich wie bei dem Bewusstsein insgesamt.
Vor diesem Hintergrund ist es schwer für das Gehirn, ein Verständnis aufzubauen, bei dem das Bewusstsein korrekt in die materiellen Weltzusammenhänge „einsortiert“ wird.
(Am Ende steht das Wahrnehmungssystem vor dem aktiven Gehirn und erkennt nicht, dass es genau dort stattfindet - so sieht zumindest meine Vermutung aus).
Thaddäus hat geschrieben:Insofern ist die These absurd, das wahrnehmende Subjekt gehöre nicht zum Wahrnehmungsprozess (und wenn du nicht verstehen solltest, was wahrnehmendes Subjekt bedeuten soll, so kann ich es dir gerne sprachlich exakt erklären).
Ich sehe „Subjekt“ lediglich als einen Bedeutungszusammenhang an: „die wahrnehmende Perspektive“.
Natürlich bitte ich um eine möglichst exakte Erklärung.
Thaddäus hat geschrieben:Bei deinen Optionen 1-3 geht mir viel zu viel durcheinander, was tunlichst auseinandergehalten werden muss. Man mag zwar von einem Wahrnehmungssystem "Mensch" widerspruchsfrei sprechen können, aber da Wahrnehmung ein komplexer Vorgang ist, an dem ganz unterschiedliche Organe des Menschen beteiligt sind, ist diese Redeweise eine unzulässige Simplifizierung des Wahrnehmungsprozesses.
Nicht vergessen, wir reden hier über das „Im-Mitelpunkt-Stehen“ in Bezug auf den Begriff „Existenz“.
Mit den drei Optionen habe ich die möglichen Grundhaltungen aufgezeigt.
Thaddäus hat geschrieben:So sind Wahrnehmungen zunächst sensorische Empfindungen. Hierzu gehört auch die unmittelbare innere Wahrnehmung z.B. bestimmter Körperfunktionen von Muskelkater bis Flatulenzen, von Schmerzen bis zum Verliebt- oder Traurigsein.
„sensorische Empfindungen“ ist eine hübsche Wortkombination, aber mehr auch nicht.
Die Sinneszellen „erzeugen“ elektrische Impulse. Das sind sozusagen Werte, die keinerlei Bedeutung enthalten können. Von einer „Empfindung“ ist da weit und breit nichts zu“ sehen“.
Ich vermute, es verhält sich so:
Der Begriff „Empfindung“ weist auf einen Bedeutungszusammenhang hin, der erst durch die Verarbeitung der Daten im Gehirn entstehen kann und zwar erst dann, wenn das Bewusstsein berechnet wird. Das Gehirn kann die Daten je nach Situation auch anders (unbewusst) verarbeiten – z.B. bei grosser Gefahr, wird kein Wert auf „viel Empfinden“ gelegt, da werden andere Inhalte bevorzugt.
Das Gehirn ist ein „Experte“ im Umgang mit Bedeutungszusammenhängen.
Jede Datenverarbeitung ist ein Umgang mit Bedeutungszusammenhängen, aber das Gehirn stellt eine Art „Perfektion“ dar, weil es einen Weg gefunden hat, in sich geschlossene Verstehzusammenhänge „stattfinden“ zu lassen -> Bewusstsein.
Dies ist aber „nur“ meine Vermutung.
Thaddäus hat geschrieben:Zu Option 2: Die Wahrnehmung entscheidet gar nichts. Was sollte das auch bedeuten? Die Wahrnehmung entscheidet irgend etwas? Entscheiden bedeutet immer ein Urteilen über einen Sachverhalt. Wer urteilt denn, wenn die Wahrnehmung entscheidet?
Die Wahrnehmung entscheidet über sämtliche Bewusstseinssituationen und über sämtliche Körperreaktionen. Selbst Reflexe gehören der Wahrnehmungssteuerung an.
Dass die Entscheidungen manchmal komisch sein können, wird zum Beispiel bei Sinnestäuschungen aufgedeckt. Das Gehirn entscheidet dabei über das Herstellen von Verstehen (manchmal geht es sogar um nicht vorhandene Inhalte).
Ein berühmtes Beispiel für Gehirnentscheidungen sind Kippbilder.
Hierbei ändert das Gehirn alle 3 Sekunden das Verständnis des Gesehenen ins jeweilige Gegenteil.
Es ist das Gehirn, das entscheidet.
Der Begriff „Urteil“ ist mir zu sehr auf das Bewusstsein ausgelegt. Im Gehirn laufen Auswertungen ab, d.h. jedes Neuron ist durch seinen bedingten Schaltvorgang an den Entscheidungen beteiligt.
Thaddäus hat geschrieben:Die Wahrnehmung ist keine urteilende Instanz. Vielmehr muss offenbar über Empfindungen aus Wahrnehmungen geurteilt werden. Z.B., dass der Himmel heute besonders blau ist oder meine Magenschmerzen heftig sind oder dass ein Gestreicheltwerden schön ist.
Wie ich gesagt habe, gehört zur Wahrnehmung, alles, was das Gehirn durchführt.
Bei all deinen Beispielen ist das Gehirn aktiv => das Gehirn ist die auswertende Instanz.
Das Gehirn kann nichts anderes, als Daten auszuwerten.
Thaddäus hat geschrieben:Die Wahrnehmung hat auch kein Bauchgefühl. Was soll das bitte bedeuten? Menschen haben ein Bauchgefühl, - zumindest sagen das viele.
Doch.
Es gibt z.B. Formen von Blindheit, bei denen die Augen und wichtige Verarbeitungsteile des Gehirns intakt sind, jedoch kommt es nicht zu einem Sehverständnis -> visuelles Bewusstsein.
Wenn diese Menschen raten sollen, wo sich Gegenstände befinden, dann haben sie eine, über dem Zufall liegende Trefferwahrscheinlichkeit.
Genau in solchen Zusammenhängen vermute ich das „Bauchgefühl“.
Durch Gehirnabläufe, die nicht ins Bewusstsein als „Etwas“ eingerechnet werden, kommt es zu einer Beeinflussung, einer Art „Ausrichtung“/“Gespür“.
Das ist oftmals gut, oftmals aber auch schlecht. Es braucht viel Training und Erfahrung.
Thaddäus hat geschrieben:Der Mensch und seine Wahrnehmung sind aber nicht identisch miteinander, weil der Mensch eben viel mehr ist, als bloßes Wahrnehmen (das es nicht gibt, weil die Empfindung und das Urteil über diese Empfindung das Wichtige ist und nicht das sensorische Datum).
Der Mensch ist (aus meiner Sicht) ein materielles Objekt.
Das Nervensystem, mit dem Gehirn als „Zentrum“, führt die Wahrnehmung durch.
„der Mensch ist viel mehr“ ist eine nutzlose Formulierung, wenn du nicht lieferst, was dieses „Mehr“ sein soll.
Thaddäus hat geschrieben:Wahrnehmung kann es nicht geben ohne das gleichzeitige Erzeugen von Überzeugungen und Urteilen auf der Grundlage von Empfindungen.
Doch, jede Datenverarbeitungsanlage ist eine Form von Wahrnehmung.
Natürlich berechnen die heutigen Datenverarbeitungen keine Verstehzusammenhänge, also keine „phänomenalen Bewusstseinssituationen“ (so sieht es zumindest bzgl. meiner Vermutung aus).
Das ändert aber nichts daran, dass der Oberbegriff Wahrnehmung durch jede Datenverarbeitung erfüllt ist.
Wir kennen aktuell keine andere Form der Wahrnehmung, als Datenverarbeitung.
Thaddäus hat geschrieben:Zu Option 3: Desgleichen entwickelt natürlich nicht die Wahrnehmung Kriterien. Die Wahrnehmung ist lediglich ein sensorischer Akt.
Doch, das gesamte Nervensystem gehört zur Wahrnehmung, also auch alles, wobei das Gehirn aktiv ist.
Mir fällt auf, dass du ausnahmslos Behauptungen aufstellst, bei welchen Umständen Wahrnehmung nicht beteiligt bzw. nicht ausreichend sein soll.
Warum zeigst du nicht detailliert auf, was, wo beteiligt ist?
Thaddäus hat geschrieben:Neue "Ideen" (was immer das genau heißen mag) werden sicherlich durch äußere und innere Wahrnehmung angestoßen. Aber nicht nur!
Wenn das nämlich so simpel stimmen würde, dann könnte das "Wahrnehmungssystem Mensch" beim Spracherwerb ausschließlich Wörter verwenden und Sätze bilden, die es vorher auch gehört hat. Es könnte aber keine neuen Sätze konstruieren, die es vordem noch nie gehört hat. Genau das ist aber der Fall.
Die Plastizität des kindlichen Gehirns ist um Grössenordnungen besser, als die eines Erwachsenen.
Das neuronale Netz teilt Datensituationen beim Lernen in Einzelbedeutungen auf und schaltet diese je nach Aktivierungsumfang zu „Bedeutungsgruppen“ zusammen.
Exakt aus dieser Aufteilung, der Zusammenverschaltung und einem „Belohnungsfeedback“ formen sich „Ideen“.
Beim Lernen einer Sprache richtet sich das heranwachsende Gehirn ohne Beteiligung des Bewusstseins auf die Regeln in der Sprache ein.
Experimente mit Heranwachsenden zeigen, dass sie zwar je nach Alter, korrekte Satzkonstruktionen verwenden, dass sie aber nicht sagen, können, warum sie es gerade so formuliert haben.
Das Gehirn gewöhnt sich sozusagen im Hintergrund an die Regeln (Mustererkennung in neuronalen Netzen) und „speisst“ diese Regeln nicht ins Bewusstsein ein.
Das Gehirn hat generell das Bestreben, so viel wie möglich aus den aufwendigen Bewusstseinszusammenhängen herauszuhalten.
(Die Automatisierungsbeispiele kennt jeder)
Thaddäus hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben:Genau dadurch steht das Wahrnehmungssystem nachvollziehbar nicht im Mittelpunkt, denn es kommt auf einen „einwirkenden Zusammenhang“ (also auf etwas Anderes) an.
Das halte ich aus genannten Gründen für falsch.
Ich kann keinen „Grund“ erkennen.
Das Wahrnehmungssystem stellt sich
nicht in den Mittelpunkt, wenn es nach Kriterien arbeitet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ein „Einwirken“ durch „etwas Anderes“ sicher stellen. Hier ist das Wahrnehmungssystem mit hoher Wahrscheinlichkeit in Form einer
Reaktion aktiv – Reaktion auf etwas Anderes.
Das Wahrnehmungssystem stellt sich
in den Mittelpunkt, wenn es rein nach der eigenen Prägungs- und Wunschsituation vorgeht, ohne irgendeinen Kontakt vorweisen zu können. Hier ist das Wahrnehmungssystem mit hoher Wahrscheinlichkeit in Form einer
Aktion aktiv – etwas Anderes ist nicht beteiligt.