Thaddäus hat geschrieben:closs hat geschrieben:
Damit überspringst Du die Möglichkeit, dass der "blaue Würfel" eine Täuschung sein könnte - etwa weil Mond und Sterne nur Projektion Deines Geistes sind.
Nun sind wir uns vermutlich einig, dass dieser Fall sehr unwahrscheinlich ist (es gäbe für diese Unwahrscheinlichkeit sogar spirituelle Gründe) - aber wenn wir schon genau denken, darf das nicht fehlen. - Denn wir können es nicht falsifizieren, und somit steht es als Möglichkeit im Raum.
Und damit hast du absolut recht! Der einzige Grund, warum ich radikal-skeptische Möglichkeiten nicht erwähnt habe ist der, dass ich meine Darstellung des
metaphysischen Realismus nicht zu kompliziert machen wollte.
Zur Erklärung vorweg:
Es gibt natürlich viele unterschiedliche erkenntnistheoretische Positionen, die von naiv realistischen bis subjektiv idealistischen reichen.
Den
metaphysischen Realismus habe ich nur deshalb herausgegriffen, weil er unter Nicht-Philosophen und Naturwissenschaftlern sehr verbreitet ist und ich meine, ihn auch in Plutos Haltung zumindest grundsätzlich wiederzufinden. Er drängt sich als natürlich erscheinende Sicht auf die Welt auch geradezu auf. Ich kann aber vorwegnehmen, dass
jede erkenntnistheoretische Position mit gewissen typischen Problemen behaftet ist. Am Ende muss man sich stets die einem selbst plausibelste und am wenigsten inkonsistent erscheinende heraussuchen.
Radikalskeptische Überlegungen sind für die
Erkenntnistheorie enorm wichtig (egal wie abstrus sie sich manchmal anhören mögen)! Sie sind nämlich in ihrer gedanklichen Radikalität der intellektuelle
Prüfstein für die erkenntnistheoretische Grundfrage,
ob wir überhaupt etwas Sicheres erkennen und etwas Sicheres wissen können. Wenn man sozusagen links die
Erkenntnistheorie an der Hand hält, dann hält man rechts immer auch schon ihr Schwesterlein
Skepsis an der Hand. Die beiden sind eineiige Zwillinge, die nie allein anzutreffen sind.
Erkenntnistheoretische Erklärungen versuchen immer zu erklären, dass und warum wir etwas erkennen und wissen können. Die radikale Skepsis ist die nörgelnde Schwester, die immer fragt, ob das denn überhaupt geht und möglich ist. Die beiden verstehen sich nicht sehr gut, müssen aber ein Zimmer miteinander teilen.
Die Skepsis tritt z.B. als
pyrrhonische Skespis besonders wirkmächtig bereits in der Antike auf. Dann gibt es
Descartes radikale Skepsis, die er in seinen berühmten
Meditationes zur Grundlage seines erkenntnistheoretischen Philosophierens macht (wenn ich davon ausgehe, dass ich in allen meinen Sinneswahrnehungen getäuscht werde, bleibt dann noch etwas übrig, was ich
trotzdem mit Sicherheit wissen kann?). Weiter gibt es die
kantische Skepsis, die davon ausgeht, dass wir das
Ding an sich (Singular, nicht Plural!) niemals erkennen können, sondern stets nur
Erscheinungsformen des Ding an sich, die allein unseren Sinnen zugänglich sind. Und schließlich gibt es noch zahlreiche moderne skeptische Szenarien, wie z.B. das berühmte
Gehirn-im-Tank-Szenario (brain in a vat) von Hilary Putnam, welches Ähnlichkeiten mit der radikalen Skepsis in den Matrix-Filmen aufweist usw.usf.
Es gibt eine sehr schöne, chinesische philosophische Erzählung, die das skeptische Traumargument besonders hübsch verdeutlicht (leider weiß ich nicht mehr, von wem sie ursprünglich stammt und wo sie zu finden ist):
Ein chinesischer Kaiser zieht einmal mit seinem Gefolge zu seinem Sommerschloß und auf dem Weg dorthin fällt ihm ein schlafender Ziegenhirte am Wegesrand auf. Als der Kaiser den schlafenden Jüngling sieht, hat er eine Idee. Er befiehlt, den schlafenden Jungen so behutsam wie möglich und ohne, dass er aufwacht, mit auf sein Schloß zu nehmen. Wie befohlen, so getan tragen zwei Diener des Kaisers den schlafenden Knaben in das Sommerschloß. Ohne ihn aufzuwecken, ziehen sie ihm königliche Kleider an und legen ihn behutsam auf ein Bett im Schloß. Der Kaiser gibt allen am Hofe die strikte Anweisung, den Jungen so zu behandeln, als sei er sein Sohn. Falls er nach dem Erwachen Fragen stellt, sollen sie ihm erklären, er sei immer schon der Sohn des großen Kaisers gewesen und habe sich im Schloß nur zu einem Schläfchen hingelegt.
Als der Junge schließlich aus seinem Schlaf erwacht, tun alle Bediensteten genau so, wie ihnen befohlen. Der Junge ist natürlich ganz verwundert und fragt, was hier los sei. Aber alle Diener am Hofe und der Kaiser selbst versichern dem Jüngling, dass er immer schon der Sohn des großen Kaisers gewesen ist und er sich nur zu einem Mittagsschlaf in seiner Kammer hingelegt hätte. Natürlich ist der Knabe ganz verwirrt und kann nicht begreifen, dass er plötzlich im Schloß des Kaisers aufwacht und gar kein einfacher Ziegenhirte mehr sein soll. Aber die Beteuerungen aller Bediensteter im Schloß und des Kaisers selbst überzeugen den jungen Ziegenhirten schließlich davon, dass er nur geträumt haben kann, dass er als ein einfacher Hirte mit seinen Ziegen unterwegs war und sich zu einem Mittagsschläfchen auf eine Wiese hingelegt habe. Er lebt fortan im Luxus eines kaiserlichen Sohnes, genießt dieses Leben im Überfluss und am Ende glaubt er, dass er tatsächlich der Sohn des Kaisers sei und kein einfacher Ziegenhirte.
So vergehen 7 Jahre, in denen der junge Ziegenhirte von allen stets so behandelt wird, als sei er der Sohn des großen Kaisers.
Nach 7 Jahren legt sich der Ziegenhirte wieder einmal zu einem Mittagschlaf in sein Bett in seiner Kammer im Schloß des Kaisers.
Der Kaiser, sein vermeintlicher Vater, geht in die Kammer seines "Sohnes" und betrachtet den Knaben nachdenklich, der gar nicht sein Sohn ist und gibt den Befehl, den jungen Ziegenhirten ganz behutsam wieder auf genau jene Wiese zu legen, wo sie ihn vor 7 Jahren aufgefunden hatten. Eine Herde Ziegen solle ganz in seiner Nähe platziert werden.
Wie vom Kaiser befohlen, so geschieht es auch, und der junge Ziegenhirte wird schlafend auf genau jene Wiese gelegt, wo er sich vor 7 Jahren zu einem Mittagschläfchen hingelegt hatte. Als die Diener des großen Kaisers gerade hiner der Wegbiegung verschwunden waren, erwacht der Jüngling aus seinem - Traum ...