closs hat geschrieben:
"Erkenntnis-Theorie" wird hier im Forum gelegentlich dargestellt als etwas, dessen Krönung der Kritischen Rationalismus sei. - Als könne man damit das prinzipielle "auf das eigene Denken Zurückgeworfenseins" aushebeln ("Da Messungen objektiv sind und 'schlauer' als täuschbare Wahrnehmung, ist somit diese Grenze nicht mehr da"). - Wie erklärst Du Dir, dass dies kolportiert wird?
Das Thema hier ist ein erkenntistheoretisches, was bedeutet, dass es sehr kompliziert ist und man sehr achtsam und sehr genau argumentieren muss.
Mir scheint, dass Pluto z.B. etwas vertritt, das man in der Erkenntnistheorie
metaphysischen Realismus nennt (und Pluto wird mich sicherlich korrigieren, wenn ich damit falsch liege).
Der
metaphysische Realismus besteht in folgender Überzeugung:
Die Welt ist die Summe aller
modal robuster Fakten. Ein modal robustes Faktum ist ein Faktum, welches auch dann der Fall ist, wenn es niemals jemand gegeben hätte, der sich mit einem
epistemischen Anspruch auf es bezieht (also den Anspruch, ein
Wissen erlangen zu können, über das, was er wahrnimmt). Also z.B., dass es Atome und Sterne gibt, auch wenn es niemals jemand gegeben hat, der Atome oder Sterne beobachtet und untersucht. Die sind einfach da, weil sie die Realität der Welt sind, egal ob sie jemand wahrnimmt und beobachtet oder nicht.
Modal robust bedeutet in diesem Zusammenhang die unabhängig von einem Beobachter, der beobachtet und der Aussagen über die Möglichkeit oder Umnöglichkeit von Atomen und Sternen macht.
Die Welt und das Universum besteht demnach einfach aus den empirisch beobachtbaren und vermessbaren Dingen, die da sind, auch dann, wenn es niemand gibt, der sie zur Kenntnis nimmt.
Alles, was existiert in Welt ist genau das: die von einem Beobachter unabhängigen physischen Dinge.
Was ist das erkenntistheoretische Problem mit dieser Auffassung?
Stellen wir uns vor, die ganze Welt sei lediglich ein blauer Würfel, den ich
sehe.
Ich habe also die Wahrnehmung, ich sehe einen blauen Würfel und gelange zu der Überzeugung, einen blauen Würfel zu sehen.
Meine Überzeugung, einen blauen Würfel zu sehen ist korrekt, aber natürlich ist meine mentale Repräsentation des blauen Würfels nicht der blaue Würfel selbst. Meine Überzeugung ist vielmehr eine Aussage, nämlich die: "
ich nehme einen blauen Würfel wahr". Sieht jemand eine blaue Kugel, können wir ihn durch vermessen des blauen Würfels davon überzeugen, dass er sich irrt.
Meine Überzeugung kann also falsch sein, aber sie lässt sich korrigieren durch empirische Überprüfung.
Aber was ist mit meiner
Überzeugung selbst? Offenbar ist meine
Überzeugung, einen blauen Würfel zu sehen kein modal robustes Faktum, denn man kann sie nicht sehen oder vermessen. Offenbar ist meine Überzeugung, mein Wissen!, aber etwas, was zur Erkenntnis der Würfelwelt unabdingbar ist.
Meine Überzeugung davon, etwas Bestimmtes zu sehen, ist selbst kein modal robustes Faktum der Welt, genau so wenig, wie z.B. zu wissen, dass es eine Bundesrepublik Deutschland gibt, dass es eine Verfassung gibt, dass ich Sklaverei für etwas moralisch Falsches halte, dass ich diesen oder jenen Charakter habe usw. Offensichtlich sind
diese Überzeugungen nicht unabhängig davon, ob ich selbst existiere und welche Überzeugungen ich darüber habe.
So, - und jetzt wird es philosophisch:
Was ist mit meiner (bzw. Plutos) Überzeugung,
apriorisch zu wissen, dass es korrekt ist anzunehmen, dass die Wirklichkeit aus modal robusten Fakten besteht? Diese
Überzeugung können wir natürlich nicht in der Welt als empirisches Objekt finden, weil es eine Überzeugung
über die Welt ist und wie sie beschaffen ist.
Wenn die Welt also nur aus solchen modal robusten Fakten besteht, dann gehört mein metaphsysischer Realismus als
Überzeugung nicht zu diesen modal robusten Fakten.
Das ist das Problem.