closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Die Mehrheit der Textpassagen, die angeblich als "falsch oder nachträglich gefälscht" gewertet werden, werden meiner Kenntnis nach nicht auf Grundlage der Textkritik so gewertet.
Ich muss gestehen, dass mir der Übergang zwischen "Textkritik" und "Historisch-Kritische Forschung" manchmal nicht klar ist.
Meines Wissens verbirgt sich hinter dem adjektiv "kritische" der HKM ein ganzes Paket von kritischen Betrachtungen, darunter eben auch die Textkritik.
closs hat geschrieben:Wenn man handschriftliche Fassungen eines Textes vergleicht (Quelle), gehört das eigentlich zur Textkritik - wenn man textkritisch bearbeitete Texte in ihrem historischen Kontext verstehen möchte, gehört es zu historisch-kritischen Methode.
Soweit ich informiert bin, gehört auch die Textkritik zur HKM. Die Betrachtung des historischen Kontextes wäre die historische Dimension der HKM, die Textkritik die textkrische - usw.
closs hat geschrieben:Ich mache mir es einfach und verstehe den gesamten Komplex als Textkritik/HKM, ohne scharfe Trennungen vorzunehmen. - Meines Wissens machen das Wissenschaftler in der Praxis auch - weil eh beides gemacht sein will. - Wichtig scheint mir dieser Unterschied tatsächlich nur in wissenschafts-theoretischen Diskussionen zu sein, die - pardon - in der wissenschaftlichen Praxis normalerweise nicht DEN Stellenwert haben - so war's zumindest bei uns.
Da bist Du mir fachlich und von der Arbeitspraxis sicher weit voraus. Als Laie versuche ich mir zu erschließen, wovon eigentlich die Rede ist, wenn wir von Bibelhermeneutik, liberaler Exegese und historisch-kritische Methode sprechen. Da ich vom Typus kein Praktiker sondern ein Theoretiker bin, ist meine "Hermeneutik" theoretischer Art.
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Hängt dies nicht viel mehr mit Literaturkitik zusammen?
Ja - jein - ja. ---- Das Problem: Das ist ein Gummibegriff, der eine lausige Rezension eines noch lausigeren Buchs benauso nennt wie eine Musik-Kritik von Joachim Kaiser, der ein echtes Genie in seiner Kenntnis der Musik-Literatur ist. - Eigentlich hat "Literaturkritik" relativ wenig mit "Literaturwissenschaft" zu tun, da "Literaturkritik" eher publikums-orientiert ist und nicht wissenschafts-orientiert ist (auch ein Joachim Kaiser wird bei aller Kompetenz seine Äußerungen jedes Mal belegen - er ist selber der Beleg). - Wie gesagt: Schwierig.
Daher bat ich ja Savonlinna am
14. Mai 2015 um Hilfe. Ich denke, dass uns auch Thaddäus fachlich weiterhelfen könnte.
Wenn Du dir Die Liste anschaust, so fällt doch auf, dass es verschiedene Formen der
Kritik sind, die im "Paket" der HKM enhalten sind.
Mein "alter Freund" erwähnte mir gegenüber vor Jahren mal die literaturkritische Exegese, als er mit mir über die biblischen Schöpfungsberichte sprach.
Zitat von
Logan5:
Trotzdem zielen beide Texte niemals auf eine tatsächliche Datierung der Entstehung der Welt ab. Sie wollen lediglich etwas über das Verhältnis zwischen Mensch und Gott ausdrücken. Nicht mehr und nicht weniger. Ich denke mir das im Übrigen nicht aus, sondern es sind Ergebnisse der sogenannten
historisch-kritischen und literaturkritischen Exegese- ganz und gar wissenschaftliche Auslegungsmethoden - und wer mir nicht glauben will, der kann auch gerne mal einen Blick in theologische Einführungsliteratur zum Alten Testament werfen, z.B. von
Erich Zenger u.a..
Zitat von Prof. Erich Zenger:
Methode der Literarkritik (Einheitlichkeit eines Textes, sachliche undterminologische Spannungen und Widersprüche, Wiederholungen, syntaktische Brüche, konkurierende Vorstellungen - Schluß auf die Herkunft der Textteile).
Was meinst Du hierzu, lieber Kurt?
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Nun lehne ich mich als Laie zwar ganz schön aus dem Fenster, aber ich denke, die Hermeneutik ist die Grundlage für jede Exegese. Die Auslegung ist das Resultat, die Hermeneutik ist die Art und Weise, wie ich Texte lese (sofern sich die Hermeneutik auf Texte bezieht).
Wahnsinnig schwer zu beurteilen, weil da jeder draus macht, was er will.
Mir wäre es lieber, wenn man ganz einfach zwischen Wissenschaft und Interpretation unterscheidet - so kenne ich es auch aus der Praxis. - Schritt 1: Was ist hier wissenschaftlich und somit methodisch-atheistisch ermittelbar? - Schritt 2: Was interpretieren wir unter verschiedenen Weltanschauungen (jüdisch, christlich, agnostisch, etc.) daraus, ohne in Widerspruch mit den wissenschaftlichen Ergebnissen zu geraten?
SChritt 1 nannten wir zu meiner Zeit (an der Uni) "Exegese", Schritt 2 nannten wir "Hermeneutik". - Ob das zu einfach gedacht war, weiss ich nicht - immerhin war mit dieser Aufteilung eine klare Trennung zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft sichergestellt. - Bei wik steht ". Biblische Exegese bezeichnet die konkrete Auslegung eines bestimmten biblischen Textes, Hermeneutik dagegen beleuchtet die Voraussetzungen und Ziele der Auslegung ... Ein alttestamentliches Prophetenwort ist für ... <den Christen> von Christus her zu verstehen. Ein rabbinischer Jude sähe das anders und würde daher den Text anders auslegen".
Aber ganz offen: Welche semantischen Shifts inzwischen stattgefunden haben, weiss ich nicht. - Mir würde es reichen, wenn man "Wissenschaft" und "(weltanschauliche) Interpretation" klar trennen würde.
Deine Erklärung erscheint mir logisch, doch wie würdest Du die Erklärung im verlinkten Beitrag von Logan5 einstufen? Seiner Aussage nach, stützt er sich auf wissenschaftliche Auslegungsmethoden und präsentiert basierend darauf doch eine Auslegung. Laut
Wikipedia ist Exegese
"die Auslegung bzw. Interpretation von Texten."
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Man könnte sagen, wir Lesen Texte mit Hilfe von "hermeneutischen Brillen" oder anders ausgedrückt den Optionen (worunter ich auch die Prämissen zählen würde), von denen her die Text gelesen wird. Diese sind in der HKM "kritisch" und "historisch. Dies verstehe ich so, dass kritische Hermeneutik mit historischer Hermenteutik zu einer Methode verpflochtenn wurde. Wenn dies stimmt, dann ist die HKM kein Synomym für die historisch-kritische Exegese, sondern dann ist Hermeneutik die Methode, welche zur Interpretation und damit zur Auslegung (Exegese) führt.
Das Blau gemarkerte ist genau das Problem: Man verflechtet Wissenschaft mit Weltanschauung - genau dagegen bin ich.
Deine saubere Trennung zwischen Faktenanalyse (Sprache, Abweichungen zwischen verschiedenen Handschriften, Datierung usw.) auf der einen Seite und Textinterpretation auf der anderen Seite leuchtet mir ein und ist mir durchaus sympatisch. Doch mein Eindruck ist, das Exegeten den Anspruch erheben, uns über Fakten hinaus auch eine
wissenschaftliche Interpretaition zu präsentieren, welche gegenüber nichtwissenschaftlichen Interpretation als überlegen gilt.
Als Beispiel für Exegese hatte Logan5 mal folgende Webside rausgesucht:
http://www.heinrich-tischner.de/21-th/2 ... /4kain.htm
Wie würdest Du diese Exegese bewerten? Wurde hier die Wissenschaft mit Weltanschauung kontaminiert, oder handelt es sich Deiner Aufassung nach um ein mustergültiges Beispiel sauberer wissenschaftler Exegese?