Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
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closs
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#2091 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 23:14

Anton B. hat geschrieben: Zufriedener?
Ja.

Hier würde ich anzubieten haben: "Was intersubjektiv vermittelbar ist, ist lediglich Wissen im Sinne des Modells, das in Anwendung gebracht wird". - Einverstanden?

Anton B. hat geschrieben:Keine Ahnung, ob es allgemein so dargestellt wird.
Im allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein: Ja (ich spreche nicht vom Usus unter Wissenschaftlern).

Anton B. hat geschrieben:Uninteressant deswegen, weil "Wissen" dem Begründungs- und Rechtfertigungsanspruch unterliegt, aber nicht dem Anspruch der Erfassung von "Realität".
Das wäre "System-Wissen": Erfüllte Begründungen und Rechtfertigungen im Sinne eines Modells.

Anton B. hat geschrieben:Bezeichnest Du den philosophischen Terminus des "Wissens" jetzt als "System-Wissen"?
WELCHE Philosophie? - Für ontologisch ausgerichtete Philosophie wäre das so (wenn wir beim Arbeitsbegriff "System-Wissen" bleiben wollen): Was ist "Sein"? - Was ist "Wahrnehmung"? - Was ist "Ich"? - Was ist "Realität"? - etc.

Wie es bei den heute vorherrschenden Philosophien ist, weiss ich nicht. - Mein Verdacht aus meiner diesbezüglichen und dürftigen Lektüre ist, dass man sich hier tatsächlich mehr an Wahrnehmung orientiert, also ontologische Fragen gar nicht mehr stellt. - Oder sogar Begriffe so umdeutet, dass sie plötzlich etwas ganz anderes bedeuten (so habe ich mitgekriegt, dass "Ontologie" inzwischen sogar als Teil des Naturalismus verstanden wird - was etwas gaaaaanz anderes ist als etwa bei Platon, Descartes, Hegel oder Heidegger). - Insofern müsste man bei jeder Frage gegenfragen: "In welcher Definition hätten Sie es denn gerne?". ;)

Anton B. hat geschrieben:Aber warum suchst Du dann nach einer philosophischen Begründung Gottes in der Form philosophischen "Wissens".
Eigentlich umgekehrt: Ich sehe die Begründung in der philosophischen Einsicht des NICHT-Wissens.

Anton B. hat geschrieben: Bzw. bestehst darauf, die Methoden zum Wissenserwerb könnten einen Gott in der Realität nicht ausschließen.
Das ist aber doch logisch: Wahrnehmungs-Methodik hat keinen Einfluss darauf, ob Gott in der Realität "ist" oder nicht. - Es sind einfach zwei völlig disparate Dinge.

Anton B. hat geschrieben:. Bzw. wenn er ausgeschlossen wird, dann wegen der Methode.
Ich weiss nicht, ob ich Dich jetzt richtig verstehe: Aber es gibt offenbar viele Menschen, die "Realität" und damit möglicherweise auch Gott ausschließen, wenn sie/er methodisch nicht sauber "erarbeitet" werden kann. - Auch hier: Disparat.

Anton B. hat geschrieben: Fakt ist, Gott bekommt, wie alles andere Wissen, erst mit den entsprechenden Begründungen im "Wissen" Kontur.
Moment - um ganz genau zu sein: Es ist nicht Gott, der Kontur bekommt, sondern unser Wissen (ich würde lieber sagen: unsere Vorstellung) bekommt Kontur.

Anton B. hat geschrieben: Was nicht begründet ist, ist im "Wissen" nicht präsent, auch nicht als potentielle Möglichkeit.
Es ist UNS nicht präsent. - Jedoch würde ich erkenntnis-theoretisch von jedem Wissenschaftler und Philosophen erwarten, dass er weiss, dass das Fehlen einer Präsenz nichts über Potentiale aussagt, die es gibt, selbst wenn wir sie nicht einmal als potentielle Möglichkeit im Köcher haben.

Im Grunde sagst Du etwas, was meinem Verständnis von Heidegger fast wörtlich entspricht.

Pluto
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#2092 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » So 8. Nov 2015, 23:53

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:die Anzahl der Bewährungen in der Modellevolution steigt, aber unabhängig, und zwar vollkommen unabhängig davon, ist die Korrelation mit einer Wahrheit als korrekte Interpretation einer Realität.
Super - das ist doch eine ehrliche Analyse.

Warum wird das druchgehend anders dargestellt? - Rezipiert wird: "Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen = umfassende Wahrheit = so "ist" es".
Es wird nicht anders dargestellt, als es Anton beschrieben hat. DU rezipierst es anders, als ideologische Aussage.

Anton B. hat geschrieben:Und ob ein "Gott" doch existiere, im Sein und in der Realität, ist eine Frage, die am philosophischen Wissensbegriff völlig vorbei geht.
Nach Descartes (und ich stimme ihm zu) gäbe es nur Sekundär-Wissen NACH und auf Basis einer Glaubens-Setzung. - Insofern scheint mir die Interpretation näherliegend, dass es eigentlich keinen absoluten philosophischen Wissensbegriff gibt: "Ich weiss, dass ich nichts weiss. - Und erst dann gibt es System-Wissen".

closs hat geschrieben:"Wissenschaftliche Erkenntnisse" geht schon mal gar nicht, weil diese auf der Ebene "Mensch - Natur" stattfinden - bei Gott sind die Ebenen verschieden, also der Wissenschaft methodisch gar nicht zugänglich. - Am ehesten könnte man noch (was ich aber methodisch ablehne) postulieren, dass die Komplexität der Natur nicht "von sich aus" kommen kann.
Wie kommst du auf die Idee, Komplexität könne nicht von der Natur aus kommen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2093 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 00:06

Pluto hat geschrieben:Wie kommst du auf die Idee, Komplexität könne nicht von der Natur aus kommen?
Tue ich NICHT. -
Closs hat geschrieben: Am ehesten könnte man noch (was ich aber methodisch ablehne) postulieren, dass die Komplexität der Natur nicht "von sich aus" kommen kann.
Pluto hat geschrieben:DU rezipierst es anders, als ideologische Aussage.
Korrekt - so wird es im Allgemeinen vermittelt. - Unser Forum ist dafür ein guter Beleg.

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#2094 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mo 9. Nov 2015, 00:10

closs hat geschrieben:Korrekt - so wird es im Allgemeinen vermittelt. - Unser Forum ist dafür ein guter Beleg.
Ich vermute eher das es nur deine Wahrnehmung ist. Ich sehe das anders.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2095 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 00:12

Pluto hat geschrieben:Ich vermute eher das es nur deine Wahrnehmung ist.
Wir bleiben dran - es war bisher so oft, dass es auch wiederkommen wird.

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#2096 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 9. Nov 2015, 00:28

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich vermute eher das es nur deine Wahrnehmung ist.
Wir bleiben dran - es war bisher so oft, dass es auch wiederkommen wird.
Oder Pluto reißt sich von nun an zusammen. ;)

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#2097 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Mo 9. Nov 2015, 00:50

closs hat geschrieben:NACHDEM ich glaube, dass meine Wahrnehmung des Pilzes keine Täuschung ist - was ich eben prinzipiell NICHT wissen kann,
Man weiß es prinzipiell, sobald man sich dazu entschlossen hat, die Welt ab sofort für existent und nicht mehr für nicht existent zu halten.

Selbstverständlich glaube (!!!!!!) ich genauso wie Du, dass meine Wahrnehmung keine Täuschung ist.
Und wenn du es nicht glauben würdest, wäre keinerlei Unterschied erkennbar. Woraus zu folgern ist, dass die Bezeichnung keine Rolle spielt und eine Bezeichnung der Welt als "Täuschung" sowie die Erfindung irgendwelcher hypothetischen "wahren Wirklichkeiten" ausschließlich dem Zweck dient, sich vom Mainstream abzuheben und dadurch möglichst viele Kunden anzulocken.

closs
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#2098 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 07:51

JackSparrow hat geschrieben:sobald man sich dazu entschlossen hat
So ist es: Genau das ist die Setzung, NACH der alles seinen wissenschaftlichen Gang gehen kann.

JackSparrow hat geschrieben:Und wenn du es nicht glauben würdest, wäre keinerlei Unterschied erkennbar.
Für das Subjekt gäbe es keinen Unterschied - richtig. - Aber es wäre objektiv schon ein Unterschied, ob das Wahrgenommene mit einem stirbt oder nach dem eigenen Tod noch existiert.

JackSparrow hat geschrieben: die Erfindung irgendwelcher hypothetischen "wahren Wirklichkeiten" ausschließlich dem Zweck dient, sich vom Mainstream abzuheben
Viel zu billig.

Erstens sind logisch saubere Erkenntnisse keine Erfindungen. - Zweitens besteht der Zweck darin, allzu ideologischen Naturalisten zu verdeutlichen, dass auch ihr Weltbild auf Setzungen/Glauben basiert.

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#2099 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Novas » Mo 9. Nov 2015, 10:06

closs hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben: die Erfindung irgendwelcher hypothetischen "wahren Wirklichkeiten" ausschließlich dem Zweck dient, sich vom Mainstream abzuheben
Viel zu billig.

Erstens sind logisch saubere Erkenntnisse keine Erfindungen. - Zweitens besteht der Zweck darin, allzu ideologischen Naturalisten zu verdeutlichen, dass auch ihr Weltbild auf Setzungen/Glauben basiert.

Common sense is nothing more than a deposit of prejudices laid down by the mind before your reach eighteen.” – Albert Einstein



Common-sense appears to be only another name for the thoughtlessness of the unthinking. It is made of the prejudices of childhood, the idiosyncrasies of individual character and the opinion of the newspapers.


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#2100 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 9. Nov 2015, 11:19

closs hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:sobald man sich dazu entschlossen hat
So ist es: Genau das ist die Setzung, NACH der alles seinen wissenschaftlichen Gang gehen kann.
Nein. Die Wissenschaft macht nicht die Setzung, dass unsere Welt real ist. Sie ist real für jedermann.
Die Wissenschaft macht andere Setzungen: sie untersucht nur eine Kleinigkeit nach einem bestimmten Modell.


closs hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:Und wenn du es nicht glauben würdest, wäre keinerlei Unterschied erkennbar.
Für das Subjekt gäbe es keinen Unterschied - richtig. - Aber es wäre objektiv schon ein Unterschied, ob das Wahrgenommene mit einem stirbt oder nach dem eigenen Tod noch existiert.
Nein. Es gäbe objektiv keinen Unterschied, ob man das eine oder das andere glaubt.
Ich kann den Sinn des Glaubens an etwas, das man nicht in sich spürt, ebenfalls nicht erkennen: außer subjektiv-persönlichen Gründen.
Für mich gilt: entweder ich "weiß" etwas, oder ich verzichte, mir irgendwas auszumalen.
Wenn man darauf verzichtet, sich gedanklich irgendetwas auszumalen, "weiß" man auch viel mehr. Man wird von seinen eigenen egozentrierten Konstrukten nicht abgelenkt.


closs hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben: die Erfindung irgendwelcher hypothetischen "wahren Wirklichkeiten" ausschließlich dem Zweck dient, sich vom Mainstream abzuheben
Viel zu billig.
Ja, es ist zu billig. Dennoch halte ich die Aufstellung solcher Hypothesen für das Produkt eines zutiefst ungläubigen Menschen. Wäre jemand wirklich gläubig, hätte er solche Konstrukte mittels des Inellekts nicht nötig.


closs hat geschrieben:Erstens sind logisch saubere Erkenntnisse keine Erfindungen. - Zweitens besteht der Zweck darin, allzu ideologischen Naturalisten zu verdeutlichen, dass auch ihr Weltbild auf Setzungen/Glauben basiert.
Wenn man selber verkopfte Konstrukte aufstellt, kann man davon niemanden überzeugen, gerade die Naturalisten nicht.
Ich vermute eher, dass man sich selber auf diese Weise überzeugen will und darum so verzweifelt an diesen Konstrukten hängt.

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