Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Anton B.
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#1881 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » So 1. Nov 2015, 17:28

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Hinweise darauf sind nicht vorhanden und bewiesen wird es nicht.
Hinweise sind tonnenweise vorhanden - logisch begründen kann man sie - methodisch-empirisch (im intersubjektiven Sinne) kann man sie nicht beweisen.
Methodisch-empirisch lassen sie sich nicht beweisen, weil sich nichts methodisch-empirisches beweisen lässt. Logisch begründen lassen sie sich auch nicht, weil für die Begründung das "begründete Fundament" fehlt. Du kannst allenfalls so etwas wie eine subjektiv "plausible Darstellung" zu meinen.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn die physikalischen Sachverhalte um mich herum auch virtuell sind – cool. Es bringt mir zwar nichts, aber ich verliere ja auch nichts dabei.
Richtig. - Mir geht es ausschließlich darum, dass man "Realität" (= Natur) setzen muss - es gibt also auch im naturalistischen Weltbild eine Setzung. - Nur darum ging es.
Welche denn? Du behauptest es immer wieder und kommst dann mit Deiner eigenen Setzung "Es ist etwas der Fall!"

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:In der Hobby-Ontologie als sogenannte "closs'sche Rochade" bekannt.
Das müsste eigentlich Grundausstattung jeglichen Wahrnehmungs-Systems sein: "Egal, was ich jetzt wahrnehme - ändern an dem, was ist, kann ich damit nicht". - Muss man sogar um solche Erkenntnisse kämpfen?
Es ist halt keine Erkenntnis, sondern eine Annahme. Also eine klassische "Setzung"! Eine Setzung, weil nichts "nachweisbar" im strengen Sinne ist. Deshalb beschäftigen sich die zeitgenössischen Erkenntnistheoretiker auch weniger mit dem, was sie nicht fassen können (nämlich dem was "der Fall" ist oder sein soll), sondern mit dem, was sie geistig durchleuchten können: Nämlich dem, was "der Mensch" wahrnimmt und wie er es verarbeitet.

Das verkennst Du mit Deiner Sucht nach einem gegebenen "Sein" der Welt regelmäßig. Das "Sein" der Welt wird iin der modernen Erkenntnistheorie nicht negiert, sondern mangels qualifizierten Zugriffs auf dieses "Sein" als Sein einfach nicht eingebracht.

Und weil das so ist, sich die Experten noch streiten, ob eine "Realität" überhaupt begründet ist, deshalb, lieber closs, wird auch die Annahme einer "Realität" in der Erkenntnistheorie, und damit in der Wissenschaftstheorie, nicht als "Setzung" gesetzt.

Verwirrend, was?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Hemul
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#1882 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Hemul » So 1. Nov 2015, 18:46

Hemul hat geschrieben:Auf diese abgefallenen Engel
JackSparrow hat geschrieben: Im Neuen Testament nach Luther kommt das Wort "abfallen" nur an vier Stellen vor. Keine davon hat mit Engeln zu tun. Möglicherweise bist du einer unbiblischen Irrlehre zum Opfer gefallen

Was Du nicht sagst? Von der Bibel keine Ahnung haben aber dicke Backen machen. :thumbdown: Nicht nur einfache Engel (Boten)
sind von Gott abgefallen sondern gem. Hesekiel 28:14-17 sogar Engel mit einem weit höheren Rang:
14 Du warst gesalbt als ein schirmender Cherub, / und ich hatte dich dazu gemacht. / Du warst auf Gottes heiligem Berg. / Zwischen den feurigen Steinen gingst du umher. 15 Du bliebst vollkommen / vom Tag deiner Erschaffung an, / bis man Unrecht an dir fand. 16 Durch deinen ausgedehnten Handel / wurdest du mit Frevel erfüllt / und bist in Sünde gefallen. / Da verstieß ich dich von Gottes Berg / und trieb dich ins Verderben, / du schirmender Cherub. / Ich tilgte dich aus der Mitte der feurigen Steine. 17 Deine Schönheit hatte dich überheblich gemacht, / aus Eitelkeit hast du deine Weisheit zerstört. / Deshalb warf ich dich zu Boden, / gab dich Königen preis, / damit sie dich alle begaffen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Cherub
Cherubim in der Bibel
In der Bibel sind Cherubim Engel von hohem Rang, die für besondere Aufgaben herangezogen werden
. Sie unterscheiden sich von den Seraphim, einer anderen Klasse von Engeln, die eine Gestalt haben, die der des Menschen gleicht
.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

closs
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#1883 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 1. Nov 2015, 19:39

Anton B. hat geschrieben:Methodisch-empirisch lassen sie sich nicht beweisen, weil sich nichts methodisch-empirisches beweisen lässt.
So ist es.

Anton B. hat geschrieben:Du kannst allenfalls so etwas wie eine subjektiv "plausible Darstellung" zu meinen.
Das gälte dann im wesentlichen für die Philosophie - dann wären Plato, Aristoteles, Augustinus, Th.v.Aquin, Kant, Hegel und Heidegger "plausible Darsteller". - Meinetwegen, wenn dieser Ausdruck nicht negativ konnotiert wird.

Anton B. hat geschrieben: Du behauptest es immer wieder und kommst dann mit Deiner eigenen Setzung "Es ist etwas der Fall!"
Richtig - alles andere wäre anthropozentrischer Solipsismus. - Das wäre der Preis, wenn man es anders sieht.

Anton B. hat geschrieben:Deshalb beschäftigen sich die zeitgenössischen Erkenntnistheoretiker auch weniger mit dem, was sie nicht fassen können (nämlich dem was "der Fall" ist oder sein soll), sondern mit dem, was sie geistig durchleuchten können: Nämlich dem, was "der Mensch" wahrnimmt und wie er es verarbeitet.
Bingo - jetzt sind wir am Punkt. - Sie bearbeiten nur das, was methodisch-empirisch bearbeitbar ist.

Anton B. hat geschrieben: Das "Sein" der Welt wird iin der modernen Erkenntnistheorie nicht negiert, sondern mangels qualifizierten Zugriffs auf dieses "Sein" als Sein einfach nicht eingebracht.
Genau das ist der Punkt - und als solcher voll akzeptiert.

Das Problem folgt erst daraus: Denn unsere auf positiv Messbares getrimmte Gesellschaft (Materialismus) schließt dann daraus (so wird es breit verkündet), dass mangelnder wissenschaftlicher Zugriff auf eine Mangelhaftigkeit dessen hinweist, auf das nicht zugegriffen werden kann. - Man "weist dann nach", dass es für Gott keinen wissenschaftlichen Zugriff gäbe (stimmt und muss auch so sein), und schließt daraus, dass Gott kein "Sein" sein könne - weil neuronales Geschehen etwa bei Nahtod ähnlich sei wie bei "weiss der Kuckuck, was", weshalb Nahtod ein "Sein" sei, das in der Kategorie "weiss der Kuckuck, was" anzusiedeln sei.

Das ist das Gefährliche: Nicht wissenschaftlich Wahrnehmbares wird ins prinzipiell Wahrnehmbare runtergedrückt ("Einbildung", "weiss der Kuckuck, was"), weil nicht sein kann, was nicht sein darf. - Und da lobe ich mir halt meinen Popper, der sich mit seiner qualifizierten Arbeit verbeten hat, als Philosoph verstanden zu werden - er sei ausschließlich Methodiker. - Genau so ist es - Popper hat den Unterschied verstanden.

Anton B. hat geschrieben:Und weil das so ist, sich die Experten noch streiten, ob eine "Realität" überhaupt begründet ist, deshalb, lieber closs, wird auch die Annahme einer "Realität" in der Erkenntnistheorie, und damit in der Wissenschaftstheorie, nicht als "Setzung" gesetzt. - Verwirrend, was?
Ganz und gar nicht. - Es ist Folge einer methodischen Ausrichtung, wonach man nur das relevant finden darf, was qualifiziert wissenschaftlich behandelt werden kann.

Wenn man dann noch selber nicht vergisst und es vor allem immer wieder betont, dass es sich hier um durch die Methodik eingegrenzte Aussagen handelt, ist alles in Butter. - Aber das hat halt nichts mit Philosophie zu tun, wo es um die denkerische Frage geht/gehen sollte: "Worin ist die menschliche Existenz über ihre eigenen Wahrnehmungs-Möglichkeiten hinaus eingebettet?". - Spitz gefragt: Haben wir eigentlich heute noch Philosophen in diesem Sinne? - Oder sind sie nur noch Öl im Getriebe der methodischen Wissenschaft?

SilverBullet
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#1884 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » So 1. Nov 2015, 19:53

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Beispiel:
Deine Beispiele könnten von mir sein - genauso sehe ich es auch.
Naja, dann wundert es mich aber, warum du den „Existenz“-Begriff so „locker leicht“ von seinem gewohntem Einsatzumfeld auf, sagen wir „ungewohnte Überblickszusammenhänge“ projizierst. (natürlich ganz in der Tradition von Philosophie)

Ich denke, du bist dir nicht bewusst, dass man vorsichtig sein muss, wenn man mit der „Verstehqualität von Farbe“ an das Untersuchen von Licht herangeht.
Ansonsten würdest du vermutlich nicht mit unserer „Verstehqualität von Existenz“ auf einen „Schöpfer des Universums“ (mit all den lustigen bronzezeitlichen Zusammenhängen) schliessen.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:auf Grund der Tatsache, dass du nur als Wahrnehmung auf alle Zusammenhänge „schauen“ kannst, wirst du dir sehr schwer tun, etwas unabhängig von Wahrnehmung zu erfassen.
Es ist sogar unmöglich. - Um es geistig zu sagen: Deshalb heisst doch der AT-Gott "Jahwe" = "ich-bin". - "Ihr könnt "Eure Seite" nicht verlassen - also versucht's erst gar nicht. - Haltet Euch an meine Offenbarungen" (von denen dann in christlicher Lesart Jesus die größte ist). - Aber mir geht es hier nicht um theologische Vorträge, sondern darum, dass das, was Du oben sagst, genau die Grundlage des Christentums ist.
Interessant, du bestätigst, dass du dein Vorhaben (Trennung „Sein“ und „Wahrnehmung“) eigentlich nicht durchführen kannst, nur um dann noch in der gleichen Zeile wieder auf dein „Wunschziel“ einzulenken.

Ich erkenne darin das Verhalten eines Verkäufers, eines Politikers.

closs hat geschrieben:Die "rechte Seite" gibt es in geistigen Dinge genauso wie in naturwissenschaftlichen Dingen
Nicht vergessen, in meinem „Bild“ gibt es die Sensordaten, die es bei deinen „Geist“-Aussagen, mangels Zugang, nicht geben kann.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Hinweise darauf sind nicht vorhanden und bewiesen wird es nicht.
Hinweise sind tonnenweise vorhanden
Gut, dann gib mir einen Hinweis darauf, dass ich durch mein Denken auf ein anderes Weltkonzept schliessen kann – und dass sich „dieses Weltkonzept“ auch an meinen „Entwurf“ hält…

Zitat-closs: „logisch begründen kann man sie“
Indem man vorne rein steckt, was hinten rauskommen soll?
(z.B. Axiom „Gott“)

closs hat geschrieben:Blickwinkel ergeben sich automatisch hermeneutisch
Das Problem dabei ist nur, dass es keine Blickwinkel „auf etwas“ sind. Somit resultiert keine Vorstellung „von etwas“.
Genau um über dieses „winzige Detail“ hinweg zu täuschen, hat man sich vermutlich den lustigen Begriff „Hermeneutik“ einfallen lassen.

Autosuggestion ist eine höfliche und sinnvolle Alternativ-Bezeichnung.

closs hat geschrieben:"Feedback" gibt es nur für den "Insider" - denn Füttern kann man nur den, der Nahrung erkennt.
So so, nur dass dieser Vorgang keine Wahrnehmung auf einen äusseren Sachverhalt darstellt.
Hier macht sich der „Insider“ selbst den Zusammenhang: Autosuggestion.

Dein Beispiel ist (wie gewohnt) untauglich, weil sowohl das Futter, als auch der Empfänger materieller Natur sind. Du zielst aber auf „unterschiedliche Ebenen“(?) ab.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn du sagst, „wir sind die rechte Seite“, dann musst du genau festlegen, was du darunter verstehst.
Es war in unserem Zusammenhang gemeint: Wahrnehmung kommt ausschließlich aus der "rechten Seite" - und mehr als wahrnehmen können wir nicht.
Ich habe beschrieben, was ich unter der „rechten Seite“ verstehe (wobei es meine Vermutung ist).

Warum kannst du keine eigene Vermutung aufstellen?

Tausende Jahre Religion, hunderte Jahre Philosophie und du kannst nur von „unserem Zusammenhang“ sprechen, aber nichts vergleichbar Konkretes liefern.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn die physikalischen Sachverhalte um mich herum auch virtuell sind – cool. Es bringt mir zwar nichts, aber ich verliere ja auch nichts dabei.
Richtig. - Mir geht es ausschließlich darum, dass man "Realität" (= Natur) setzen muss - es gibt also auch im naturalistischen Weltbild eine Setzung. - Nur darum ging es.
Moment.

Wenn ich das tatsächliche Vorhandensein einer Aussenwelt hinter den Sinnesdaten vermute, dann ist es eine sehr wahrscheinliche Vermutung. Ich habe keinen Hinweis auf eine Simulation und keinen Widerspruch im Verstehen der Sinnesdaten, der mich an der Vermutung zweifeln lässt. Daraus leitet sich eine Wahrscheinlichkeit von 100% ab.

Für irgendwelche anderen Weltkonzepte fehlen mir Vorstellungsinhalte, Hinweise und die Notwendigkeit sie aufzustellen - es fehlt „Wahrnehmung im Ganzen“.
Die Wahrscheinlichkeit hierfür kann auf Grund der fehlenden Vorstellung noch nicht einmal geschätzt werden – sagen wir einfach „ich kann sie nicht von 0% wegbewegen“.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Der Unterschied zwischen dir und mir ist lediglich, dass du dich, ohne irgendeine Antwort, entschieden hast, so zu tun, als könnte da ja „etwas“ sein.
Das ist zwingende Folge DEINER Ausführungen hier: "Wenn die 'rechte Seite' nie wissen kann, was auf der 'linken Seite' ist, kann auf der 'linken Seite' etwas sein, was Du auf der 'rechten Seite' nicht wahrnehmen kannst". - So habe ich Deine Ausführungen verstanden.
Nein, es verhält sich nicht so abstrakt und generell, wie du es darstellen möchtest.
Schau dir mein „Bild“ genau an: zwischen „linker und rechter Seite“ gibt es die „Sensordaten“, also einen Zugang, der viele Blickwinkel ermöglicht, um die Wahrnehmung zu optimieren.

Du möchtest dich aber auf eine „linke Seite“ ohne Sensordaten einlassen.

Ich bestreite deshalb, dass es sich dabei um Wahrnehmung im Sinne meines „Bildes“ handelt, denn wir kennen nur die sensorische Wahrnehmungstechnik (Datenverarbeitung).

Deshalb habe ich auch darauf hingewiesen, dass unser „Existenz“-Begriff nicht für deinen Ansatz eingesetzt werden darf.
Unser „Existenz“-Verständnis zielt auf eine „linke Seite“ ab, die über das „Transportmittel“ der Sensordaten erreichbar ist.
Da du diese Situation nicht vorlegen kannst, ist es nicht sinnvoll eine „Existenz“-Analogie aufzustellen. Wenn es trotzdem durchgeführt wird, bezeichne ich es als Taschenspielertrick.

closs hat geschrieben:Und da ist mein persönliches Urteil, dass die Annahme der Existenz von Gott höhere Chancen auf Authentizität hat als die Existenz von Häschen Harvey. - Und dazu glaube ich, dass dem Menschen eine geistige Anlage potentiell gegeben ist, zwischen authentischen und nicht-authentischen Wahrnehmungen zu unterscheiden.
Du stehst im Mittelpunkt.
Du entwirfst und entscheidest.
Du folgst deinen „Inhalten“…

Das ist das Prinzip von Religion, von Philosophie und der Milliarden Anhänger.

Aber es ist nicht das Prinzip sensorischer Wahrnehmung, also der eigentlichen Aufgabe von Wahrnehmungssystemen, wie wir sie kennen.

Im Gegensatz dazu befolgen die Naturwissenschaft und die davon abgeleitete Technik das Prinzip von Wahrnehmung. Sie interagieren mit einer „Aussenwelt“ und die Erkenntnisse führen zu nachvollziehbarem „Feedback“ (vermutlich aus einer wirklichen Umwelt).
Man hat bei den Resultaten den Eindruck einer Stimmigkeit, die in keiner Weise vom Phatansiedenken des Entdeckers abhängig ist.

Pluto
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#1885 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » So 1. Nov 2015, 19:55

closs hat geschrieben:Aber das hat halt nichts mit Philosophie zu tun, wo es um die denkerische Frage geht/gehen sollte: "Worin ist die menschliche Existenz über ihre eigenen Wahrnehmungs-Möglichkeiten hinaus eingebettet?". - Spitz gefragt: Haben wir eigentlich heute noch Philosophen in diesem Sinne?
Wieso erst heute?

Eigentlich ist seit den griechischen Naturphilosophen so (nicht umsonst haben wir das Wort "Atom" als das Unteilbare übernommen).
In der Aufklärung waren es dann Leute wie Spinoza oder Hume die Zweifel an der Existenz der spirituellen Welt anmeldeten. Im 19. Jahrhundert waren es dann Schopenhauer und Feuerbach, und im 20. Jahrhundert Freud, Husserl, Wittgenstein, Russel, Sartre, Quine...

Meines Erachtens zieht sich der Unglaube wie ein roter Faden durch die Geschichte der Philosophie.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1886 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 1. Nov 2015, 20:52

SilverBullet hat geschrieben:Naja, dann wundert es mich aber, warum du den „Existenz“-Begriff so „locker leicht“ von seinem gewohntem Einsatzumfeld auf, sagen wir „ungewohnte Überblickszusammenhänge“ projizierst.
Moment. - Jetzt sagst Du im Grunde: Existenz ist eine reine Wahrnehmungs-Größe - es sei denn, man überträgt es "locker leicht" auf die "andere Seite".

Ich sehe es genau umgekehrt: Ich halte es für "locker leicht", wenn man reine Wahrnehmungs-Größen des Menschen zum Maßstab für das macht, was existiert und was nicht.

SilverBullet hat geschrieben:Interessant, du bestätigst, dass du dein Vorhaben (Trennung „Sein“ und „Wahrnehmung“) eigentlich nicht durchführen kannst
Stop: Ich bestätige, dass "Existenz" primär eine Seins-Größe ist, die nur im "guten" Fall durch Wahrnehmung bestätigt werden kann.

SilverBullet hat geschrieben:Ich erkenne darin das Verhalten eines Verkäufers, eines Politikers.
Vollkommen daneben. - Es liegt daran, dass wir denkerisch (NICHT sinnlich-wahrnehmend) zwei völlig verschiedene Perspektiven ein. - Du nimmst die anthropozentrische Wahrnehmungs-Ebene des Menschen als Perspektive - ich die davon unberührte absolute Seins-Ebene.

DENKERISCH kann das der Mensch schon, nur sinnlich-wahrnehmend nicht (da haben wir alle dieselbe Perspektive).

SilverBullet hat geschrieben:Nicht vergessen, in meinem „Bild“ gibt es die Sensordaten, die es bei deinen „Geist“-Aussagen, mangels Zugang, nicht geben kann.
Die Sensor-Daten sagen etwas darüber aus, was in Korellation mit Wahrnehmung zu stehen scheint. - Man kann also sagen: "Immer, wenn SilverBullet hustet, passiert im Gehirn "rechts oben, dritte Tür rechts" dies oder jenes - es ist rein deskriptiv und bezieht sich nicht auf Sein, sondern auf Wahrnehmung.

SilverBullet hat geschrieben: die es bei deinen „Geist“-Aussagen, mangels Zugang, nicht geben kann.
Auch Geistiges wird neuronal abbildbar sein - wie weit da die Neurowissenschaft ist. - Aber es wird meines Erachtens wenig Erhellendes zum Thema "Geist" rauskommen - denn ob in einer SChaufel Gold oder SCheiße transportiert wird, sagt nichts über die Schaufel aus.

SilverBullet hat geschrieben:Zitat-closs: „logisch begründen kann man sie“ Indem man vorne rein steckt, was hinten rauskommen soll?
Richtig - und damit wären wir wieder bei der "Hermeneutik" (die sich, nebenbei, nicht nur auf Texte bezieht, sondern ein Grundprinzip der Wahrnehmung ist).

"Hermeneutik" ist, wenn man ein Vorwissen hat, dieses Vorwissen als axiomatische Arbeitsgrundlage setzt, und dann guckt, ob dieses Vorwissen bei weiterer Beschäftigung bestätigt oder nicht bestätigt wird. - In regelmäßigen Zeiten überprüft man die axiomatische Grundlage und verändert sie nach dem jetzt erweiterten Vorwissen - und dann gehts von vorne los - und immer so weiter. - Das ist der "Hermeneutische Zirkel" ("hermeneutische Spirale" wäre aus meiner Sicht besser).

Das macht man auch in der Physik: Da sagt ein Grieche, das Atom sei unteilbar - dann kommt Niels Bohr und verändert dieses Modell aufgrund erweitertem Wissen - und wo die Quantenwelt heute steht, weiss Du wahrscheinlich besser als ich. - Auch das ist ein hermeneutischer Zirkel, welcher übrigens nie abgeschlossen ist - es dreht sich immer weiter.

Der Unterschied: Naturwissenschaftliche Modelle lassen sich empirisch bestätigen, geistige Modelle lassen sich allenfalls logisch bestätigen ODER im Menschen persönlich bestätigen (letzteres taugt intersubjektiv selbstverständlich nicht). - Der Grund dafür: Das Objekt ist ein anderes - es ist im Geistigen nämlich nicht auf derselben Ebene wie das Subjekt/der Forscher. - Das ist alles.

SilverBullet hat geschrieben:Autosuggestion ist eine höfliche und sinnvolle Alternativ-Bezeichnung.
Auf so etwas kann man nur unter anthropozentrischen Gesichtspunkten kommen - nochmal: Die naturalistische Weltanschauung ist um Welten anthropozentrischer als die geistige Weltanschauung.

SilverBullet hat geschrieben:Dein Beispiel ist (wie gewohnt) untauglich, weil sowohl das Futter, als auch der Empfänger materieller Natur sind. Du zielst aber auf „unterschiedliche Ebenen“(?) ab.
Ja, natürlich. - Die Verarbeitung findet mit denselben Neuronen statt - aber auf der "Schaufel" liegt Unterschiedliches.

SilverBullet hat geschrieben:Warum kannst du keine eigene Vermutung aufstellen?
Weil ich Dich diesbezüglich nur wiederholen könnte - Du hast in Deinem letzten Thread einige gnz fundamentale Dinge gesagt, denen man nichts hinzufügen muss.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn ich das tatsächliche Vorhandensein einer Aussenwelt hinter den Sinnesdaten vermute, dann ist es eine sehr wahrscheinliche Vermutung.
"Wahrscheinlich" nach welcher Weltanschauung? - Naturalistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit gleich 1. - Christlich gesehen ist sie nahe 1 - buddhistisch gesehen könnte etwas ganz anderes rauskommen.

SilverBullet hat geschrieben:Ich habe keinen Hinweis auf eine Simulation und keinen Widerspruch im Verstehen der Sinnesdaten
Vollkommen irrelevant. - Wie solltest Du INNERHALB eines Systems einen Hinweis haben, dass dieses System falsch ist? - Dieser Weg taugt ganz und gar nichts.

SilverBullet hat geschrieben: Daraus leitet sich eine Wahrscheinlichkeit von 100% ab.
Das meine ich mit Anthropozentrismus: "Ich mache MEIN System zum Maßstab und leite daraus ab, dass MEIN System das einzige ist". - Münchhausen.

SilverBullet hat geschrieben: sagen wir einfach „ich kann sie nicht von 0% wegbewegen“.
INNERHALB Deines Weltanschauungs-Modells ist das richtig. - Aber ob die Seins-Seite Deiner Wahrnehmungs-/System-Seite folgt, kannste Du nicht wissen.

SilverBullet hat geschrieben:Schau dir mein „Bild“ genau an: zwischen „linker und rechter Seite“ gibt es die „Sensordaten“
Das glaube (!) ich auch - aber es wäre bei einer Simulation dasselbe. - Also als Argument irrelevant.

SilverBullet hat geschrieben:Du möchtest dich aber auf eine „linke Seite“ ohne Sensordaten einlassen.
Zwangsweise, wenn ich nicht nur frage, was ich sensorisch wahrnehme, sondern was "ist"/"sein kann". - Davon abgesehen, dass es sehr wohl Sensordaten zur "linken Seite" gibt - "Schönheitsfehler": Sie sind neurowissenschaftlich nicht also solche isolierbar, weil - logisch! - Neurowissenschaftler lediglich beobachten können, was die Neuronen im Kontext von Wahrnehmung machen - ungeachtet dessen, ob eine NAhtod-Erlebnis ein geistiges oder traumatisches EReignis ist. - Sehen tut man dasselbe auf dem "Neuro-SChirm".

SilverBullet hat geschrieben:Unser „Existenz“-Verständnis zielt auf eine „linke Seite“ ab, die über das „Transportmittel“ der Sensordaten erreichbar ist.
Dann wäre "Existenz" definiert als das, was in unserer Wahrnehmung als solche nachgewiesen werden kann. - Kann man machen (ist übrigens eine klassisch "existenzialistische" Definition) - aber wie will man dann das bezeichnen, was andere Modelle darunter verstehen - und eigentlich ältere Rechte hätten?

Man löst dieses Problem in den Geisteswissenschaften, dass man erläuternd sagt "Existenz im Sinne von Sartre", "Existenz ("Sein") im Sinne des Alten Testament", "Dialektik im Sinne Hegels", Dialektik im Sinne von Marx", etc. - Ansonsten haben wir babelsche Sprachverwirrung.

SilverBullet hat geschrieben:Da du diese Situation nicht vorlegen kannst, ist es nicht sinnvoll eine „Existenz“-Analogie aufzustellen. Wenn es trotzdem durchgeführt wird, bezeichne ich es als Taschenspielertrick.
Da wäre meine Antwort: Wenn man geistig derart betoniert in die "rechte Seite" eingemauert ist, ist alles außerhalb ein Taschenspielertrick (damit Du siehst, dass ich ebenfalls ungehobelt sein kann).

SilverBullet hat geschrieben:Du stehst im Mittelpunkt. Du entwirfst und entscheidest.
Das sehen wir sehr unterschiedlich - ich habe erläutert, warum der Naturalismus der eigentlich anthropozentrische Narzisst ist.

Natürlich ist trotzdem richtig: Der Wahrnehmende steht IMMER im Mittelpunkt, wenn es um Wahrnehmung geht. - Die Frage ist eine ganz andere, nämlich: Welche Erkenntnis kommt aus der Wahrnehmung?

Und da ist MEINE Erkenntnis: Der Mensch steht NICHT im Mittelpunkt und seine Wahrnehmung ist nichts als ein Tropfen im Ozean. - Allerdings genug, um vieles im Dasein zu erleben und zu erkennen.

Das ist gewiss nicht anthropozentrisch. - Vergleiche es mal mit Sprüchen, wonach Gott sich immer mehr in Nischen verkriechen müsse, weil das menschliche Wissen immer mehr würde. - Also wer ist hier anthropozentrisch, narzistisch, etc.?

SilverBullet hat geschrieben:Im Gegensatz dazu befolgen die Naturwissenschaft und die davon abgeleitete Technik das Prinzip von Wahrnehmung. Sie interagieren mit einer „Aussenwelt“ und die Erkenntnisse führen zu nachvollziehbarem „Feedback“ (vermutlich aus einer wirklichen Umwelt).
INNERHALB des Zugangs-Gebiets des kritischen Rationalismus ist die Wissenschaft das Mittel der Wahl - das habe ich schon immer betont.

closs
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#1887 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 1. Nov 2015, 20:54

Pluto hat geschrieben:Wieso erst heute?
Du stellst es jetzt auf den Kopf und entwickelst die Philosophie aus der Spiritualität heraus - früher "geistig", jetzt "philosophisch". - Aus Sicht des Materialismus irgendwie logisch - aber ich merke: Da sitzt was tief.

Anton B.
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#1888 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » So 1. Nov 2015, 21:11

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Und weil das so ist, sich die Experten noch streiten, ob eine "Realität" überhaupt begründet ist, deshalb, lieber closs, wird auch die Annahme einer "Realität" in der Erkenntnistheorie, und damit in der Wissenschaftstheorie, nicht als "Setzung" gesetzt. - Verwirrend, was?
Ganz und gar nicht. - Es ist Folge einer methodischen Ausrichtung, wonach man nur das relevant finden darf, was qualifiziert wissenschaftlich behandelt werden kann.

Wenn man dann noch selber nicht vergisst und es vor allem immer wieder betont, dass es sich hier um durch die Methodik eingegrenzte Aussagen handelt, ist alles in Butter. - Aber das hat halt nichts mit Philosophie zu tun, wo es um die denkerische Frage geht/gehen sollte: "Worin ist die menschliche Existenz über ihre eigenen Wahrnehmungs-Möglichkeiten hinaus eingebettet?". - Spitz gefragt: Haben wir eigentlich heute noch Philosophen in diesem Sinne? - Oder sind sie nur noch Öl im Getriebe der methodischen Wissenschaft?
Meines Erachtens falsch gefragt. Die Erkenntnistheorie beschäftigt sich mit der Frage: "Was kann der Mensch wissen?" Und "wissen" weist eben auf begründete, also "rational" begründete, Erkenntnis hin. Und aus "rational begründet" folgt dann die Bewertung der Wahrnehmungen als auch der "Erklärungen" im intersubjektiven Kontext.

Neben "Wissen" gibt aber auch noch andere Kategorien: "Glauben", "Meinungen", "Überzeugungen" usw. Für die mag das nicht so sein.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#1889 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 1. Nov 2015, 21:35

Anton B. hat geschrieben:Die Erkenntnistheorie beschäftigt sich mit der Frage: "Was kann der Mensch wissen?" Und "wissen" weist eben auf begründete, also "rational" begründete, Erkenntnis hin. Und aus "rational begründet" folgt dann die Bewertung der Wahrnehmungen als auch der "Erklärungen" im intersubjektiven Kontext.
Alles akzeptiert. - Wenn damit ALLEN klar ist, dass sich Erkenntnis-Theorie nicht mit ontologischen Fragen ("Was ist Sein - was ist Wahrnehmung") beschäftigt UND lediglich mit dem Teil der Wahrnehmung, der nach der Methodik der Erkenntnis-Theorie qualifizierbar ist, ist ja alles in Butter.

ABER: Es darf nicht rüberkommen, dass methodisch Qualifizierbares mehr als nur EIN Ausschnitt dessen ist, was Wahrnehmung und was Sein ist. - Ich sage das deshalb, weil es Weltanschauungen gibt, die meinen, methodische Qualifikation sei eine notwendige Eigenschaft dessen, was man "Realität" nennen mag. - Diese Aussage ist komplett willkürlich.

JackSparrow
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#1890 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Mo 2. Nov 2015, 09:07

Hemul hat geschrieben:sondern gem. Hesekiel 28:14-17 sogar Engel mit einem weit höheren Rang
Die Worte richten sich an den Fürsten von Tyrus.

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