Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#1521 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 22. Okt 2015, 12:28

sven23 hat geschrieben:Alles ist wesentlich logischer und geschmeidiger ohne die Zusatzhypothese Gott.
Meinetwegen. - Mir geht es hier darum, dass Descartes etwas erkannt hat, was heute offensichtlich nicht mehr erkannt wird - und er hat es auf seine Weise mit der Setzung "Gott" gelöst.

Man kann es auch anders lösen - bspw. dadurch, dass man eigene Wahrnehmung nicht als Maßstab dafür versteht, was "ist", sondern nur dafür, wie man etwas sieht. - Dann kann man auf die Setzung "Gott" verzichten.

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Savonlinna
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#1522 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Do 22. Okt 2015, 12:46

closs hat geschrieben:Moment: Es gibt auch den umgekehrten Weg, dass Literatur dadurch glänzt, dass der Verfasser Inhalten einen sprachlichen Begriff gegeben hat. -
Sprachliche Neuschöpfungen sind natürlich sehr wichtig. Ob Inhalten damit ein Begriff gegeben wurde oder ob mit dem Begriff neue Inhalte geschaffen wurden, ist noch eine offene Frage.

Savonlinna hat geschrieben: Es gibt Fragen, die nur aus Sprache bestehen und sich auf keinen Inhalt beziehen lassen können.
Das ist die Kehrseite - Worte sind dann nicht Chiffren für Inhalte, sondern Worthülsen ohne inhaltliche Korrespondenz.
Ja.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das kann ich darum, weil "Produkt des Gehirns" exakt definiert ist.
Ist das INHALTLICH ausreichend? - Ich meine, es sagt lediglich aus, wie die Wahrnehmung ihre Eindrücke aufteilt.
Jetzt verstehe ich diese Aussage leider wieder nicht.
Was ich meinte: Die Neurologie hat definiert, wie etwas als Produkt des Gehirns nachgewiesen werden kann. Hoffe ich jedenfalls, sonst würde sie natürlch schwimmen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich kann sogar nachweisen, dass es ein Fehlschluss ist, dass überhaupt irgendetwas Produkt des Gehirns sei.
Wie soll das gehen? - Höchstens über dementsprechende Definitionen (= Setzungen) - dann geht alles.
Aber nicht Definitionen, die das Resultat nicht abwarten und vorher definieren wollen - sondern Definitionen dessen, was als Produkt des Gehirns bezeichnet wird.

So kann man zum Beispiel die Kuhmilch als Produkt der Kuh bezeichnen, wenn man genau definiert hat, was man unter "Produkt" versteht. Also wenn die Milch aus dem Euter kommt etc.
Sagt dann jemand: nee, die Milch ist kein Produkt der Kuh, sondern Produkt des Wohlwillens Gottes - dann schneidet sich das nicht mit der vorigen Aussage.

Genauso klar und deutlich kann man aufzeugen, ob das Gehirn etwas produziert - man muss es beim Produzieren erwischen und das nachweisen.
Aber eben nur, wenn die physiologischen Prozesse beim Produzieren vorher definiert wurden.

Vor ein paar Jahren hat man behauptet, das Gehirn produziere die Unfreiheit des Willens.
Das ist in dieser Allgemeinheit inzwischen widerlegt - aber man hatte eben einen Maßstab, das zu widerlegen.

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NIS
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#1523 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von NIS » Do 22. Okt 2015, 12:57

Die Freiheit des Willens ist die Willkür!

(Man muss auch mal ausspannen können.)
;) :thumbup:
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closs
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#1524 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 22. Okt 2015, 14:08

Savonlinna hat geschrieben:Ob Inhalten damit ein Begriff gegeben wurde oder ob mit dem Begriff neue Inhalte geschaffen wurden, ist noch eine offene Frage.
Ja, das ist wirklich interessant. - Im zweiten Fall würde dies in meinem Weltbild heißen: Die Thematisierung eines Inhalts durch einen Begriff bringt den Inhalt näher und macht ihn im besseren Fall identifizierbar.

Savonlinna hat geschrieben:Was ich meinte: Die Neurologie hat definiert, wie etwas als Produkt des Gehirns nachgewiesen werden kann.
Da sehe ich ein großes Missverständnis.

Aus meiner Sicht zeigt die Neurologie, wie das Gehirn eine Korrelation zwischen Inhalt und Wahrnehmung des Inhalts herstellt. - Dabei bleibt vollkommen offen, ob dieser Inhalt primär vom Gehirn geschaffen oder "nur" abgebildet/wahrnehmbar gemacht wird. - Ganz einfaches Beispiel:

Wenn ein blind geborener Mensch nach und nach sehend wird, produzieren die Neuronen, durch die der Prozess des Sehend-Werdens ermöglicht wird, nicht den Baum, den man sieht, sondern sie machen ihn wahrnehmbar. - Aus meiner Sicht ein großer Unterschied.

Nun behaupte ich NICHT, dass das Gehirn gar nichts produzieren würde - bis auf weiteres geht es darum, dass nicht oder bestenfalls schwer nachweisbar ist, ob das Gehirn produziert oder etwas Vorhandenes wahrnehmbar macht. - Bei geistigen Dingen aus meiner Sicht ein wichtiger Unterschied.

Savonlinna hat geschrieben:Genauso klar und deutlich kann man aufzeugen, ob das Gehirn etwas produziert - man muss es beim Produzieren erwischen und das nachweisen.
Wenn man sicher ist, dass es nicht Wahrnehmbar-Machung, sondern wirklich Primär-Produktion ist.

Savonlinna hat geschrieben:Vor ein paar Jahren hat man behauptet, das Gehirn produziere die Unfreiheit des Willens.
Habe ich mitverfolgt - ein Blödsinn von Anfang an (unter der Voraussetzung (m)eines entsprechenden Weltbilds).

Savonlinna hat geschrieben:Das ist in dieser Allgemeinheit inzwischen widerlegt
Auch wenn es nicht widerlegt wäre, wäre es Blödsinn (was natürlich parteiisch formuliert ist). - Um dieses Thema zu besprechen, müsste man erstmal definieren, was "Wille" sein soll.

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#1525 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von NIS » Do 22. Okt 2015, 14:22

closs hat geschrieben:Um dieses Thema zu besprechen, müsste man erstmal definieren, was "Wille" sein soll.
Der eigene Wille ist eine Funktion der eigenen Gefühle. Der Verstand ist nur ein Werkzeug des eigenen Willens.
Die meisten gesunden Menschen wollen glücklich werden...
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#1526 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Halman » Do 22. Okt 2015, 14:45

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Im übrigen glaube ich persönlich NICHT, dass sich Gott "life" umstimmen lässt
Es ist die einmalige Gelegenheit einen Beleg für die Existenz des Allmächtigen zu liefern.

Immer wieder stellt sich dieselbe Frage: Warum dieses Versteckspiel?
Wie Gott erahnt werden kann, darauf hatte ich doch schon was geschrieben. :wave:
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1527 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 22. Okt 2015, 14:54

NIS hat geschrieben:Der eigene Wille ist eine Funktion der eigenen Gefühle. Der Verstand ist nur ein Werkzeug des eigenen Willens.
Also wäre der Verstand letztlich triebgesteuert - oder neutraler formuliert: bedürfnis-gesteuert. - Meinst Du es so?

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#1528 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von NIS » Do 22. Okt 2015, 14:59

closs hat geschrieben:
NIS hat geschrieben:Der eigene Wille ist eine Funktion der eigenen Gefühle. Der Verstand ist nur ein Werkzeug des eigenen Willens.
Also wäre der Verstand letztlich triebgesteuert - oder neutraler formuliert: bedürfnis-gesteuert. - Meinst Du es so?
Closs! :Herz:
Der Wille ist Trieb gesteuert! Der Verstand ist nur ein logisches Werkzeug, welches vom Willen eingesetzt wird, um den Willen durchzusetzen!

Zum Beispiel diente der Verstand dazu, Waffen zu entwickeln, damit sich der Mensch gegen stärkere Rivalen, zum Beispiel Tiere, durchsetzen konnte.

In der Steinzeit wollte der Mensch in erster Linie überleben!

Heute wollen die meisten Menschen mehr als nur überleben, nämlich glücklich werden... ;)
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#1529 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Do 22. Okt 2015, 15:17

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Welt ist keine Projektion unserer Wahrnehmung, sondern wir essen, kämpfen und freuen uns über die kleinen und großen Dinge des Lebens, und das ist unumstrittener Teil unserer Wirklichkeit.
Niemand kann per Wahrnehmung wissen, ob das Essen, Kämpfen, etc. Projektion oder "Realität" ist - das geht grundsätzlich nicht (Münchhausen).
Und wie es geht! Das merkt man schon im Alltag und zwar ganz ohne große wissenschaftliche Untersuchungen.

Die Ernährung gehört zu den Notwendigkeiten eines jeden Lebewesens; sie ist sicher keine Projektion. Hunger ist ein Gefühl, mit einem realistischen physiologischen Ursprung, der für die Energiebilanz des Körpers unerlässlich ist.
Willst du einen eindrücklicher Beweis für die Existenz der Wirklichkeit, dann höre einfach auf zu essen!

Damit dürfte die Existenz der Realität zweifelsfrei erwiesen sein.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nur du lehnst aus mir unerfindlichen Gründen ab anzuerkennen, Projektion sei von Wirklichkeit nicht unterscheidbar.
Richtig - mit Wahrnehmung/Messung ist dies prinzipiell nicht zu unterscheiden.
Ich habe es soeben getan... (siehe oben)

closs hat geschrieben:Du gehst schon wieder davon aus, dass das, was Du "reale Welt" nennst, der Maßstab wäre - genau das ist die Setzung. - WENN es so ist, hast Du recht - aber Du kannst nicht wissen, OB es so ist.
Siehe oben.

closs hat geschrieben:Auch das, was wir Universum nennen, könnte unsere Projektion sein - wir können es prinzipiell nicht unterscheiden, sondern müssen es setzen.
Selbstverständlich können wir es unterscheiden.
Ohne Nahrungseinnahme gehen wir zugrunde. Das ist eine grundlegende Tatsache der Realität der Welt.

closs hat geschrieben:Wieder Descartes: Er hat das erkannt und deshalb damit den Deckel drauf gemacht, indem er sagt: "Wir müssen einen wohlwollenden Gott annehmen, der uns nicht veräppelt".
Damit hat er per Glaube etwas gesetzt und hat auf dieser Basis keine erkenntnis-theoretischen Probleme mehr.
Descartes musste es in seinem Fall tun, weil sonst sein "cogito ergo sum" nicht gestimmt hätte.
Wir aber müssen es in der heutigen Zeit nicht mehr, weil wie gewisse Dinge im Leben als physikalisch notwendig erkennen.

Die Naturwissenschaft hat diese erkenntnis-theoretischen Probleme nur deshalb nicht, weil sie offenbar nicht darüber nachdenkt. - Davon abgesehen: Es ist auch keine naturwissenschaftliche Frage - denn ob Naturwissenschaft in der "Realität" oder einer gleich-funzenden Projektion funktioniert, ist de facto wurscht.

closs hat geschrieben:Es geht hier einzig und allein darum, dass Wahrnehmung/Messung nicht über sich selbst befinden kann - sie kann lediglich aufgrund von Setzungen solche Fragen wegwischen und sich dann an die Arbeit machen.
Siehe oben! -- Noch Fragen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#1530 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Do 22. Okt 2015, 15:26

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Was ich meinte: Die Neurologie hat definiert, wie etwas als Produkt des Gehirns nachgewiesen werden kann.
Da sehe ich ein großes Missverständnis.
Ich denke, hier liegt kein Missverständnis vor. Wir sind hier einer Meinung.

closs hat geschrieben: Aus meiner Sicht zeigt die Neurologie, wie das Gehirn eine Korrelation zwischen Inhalt und Wahrnehmung des Inhalts herstellt
Ja, eben. Sie kann es nicht als Produkt des Gehirns nachweisen.
Dennoch gälte das, was ich sagte, wenn es nachgewiesen werden könnte.
Und es gälte nur im engen Rahmen des eigenen Modells. Das ist der springende Punkt.

closs hat geschrieben:. - Dabei bleibt vollkommen offen, ob dieser Inhalt primär vom Gehirn geschaffen oder "nur" abgebildet/wahrnehmbar gemacht wird. - Ganz einfaches Beispiel:
Richtig. Also ist es als Produkt des Gehirns nicht nachweisbar.


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Genauso klar und deutlich kann man aufzeugen, ob das Gehirn etwas produziert - man muss es beim Produzieren erwischen und das nachweisen.
Wenn man sicher ist, dass es nicht Wahrnehmbar-Machung, sondern wirklich Primär-Produktion ist.
Ja, das schreibe ich ja auch die ganze Zeit.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Vor ein paar Jahren hat man behauptet, das Gehirn produziere die Unfreiheit des Willens.
Habe ich mitverfolgt - ein Blödsinn von Anfang an (unter der Voraussetzung (m)eines entsprechenden Weltbilds).
Mit Deinem Weltbild hat das nicht einmal etwas zu tun. Es war ein Betrug, weil es ein Missbrauch der Wissenschaft war.
Ich habe mich damals sehr reingehängt, weil ich nicht glauben konnte, was ich las.
Ich kaufte einige Bücher, wo ich dann tatsächlich auch Philosophen und Neurologen fand, die diesen Betrug als Betrug aufgedeckt haben. Nämlich genau als das, dass die Neurologie Aussagen machte, die aus ihrem Ressort nicht gefolgert werden konnten.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das ist in dieser Allgemeinheit inzwischen widerlegt
Auch wenn es nicht widerlegt wäre, wäre es Blödsinn (was natürlich parteiisch formuliert ist). -
Nein, es ist nicht parteiisch formuliert von Dir, sondern es war objektiv Blödsinn.
Widerlegt wurde eben genau dies: dass es eine wissenschaftliche Aussage war.
Es wurde gezeigt, wie fahrlässig man mit Interpretationen umgeht.
Das war übrigens außerdem auch kürzlich, ThomasM hat auf diesen Artikel hingewiesen.

closs hat geschrieben:Um dieses Thema zu besprechen, müsste man erstmal definieren, was "Wille" sein soll.
Ja. Vor allem "freier Wille" ist ein ethischer Begriff. So etwas kann man nicht neurologisch abstreiten.

Es beruhigt mich ausnehmend, dass die Wissenschaftler selber ihre schwarzen Schafe benennen.
Denn sonst, gute Nacht, Zukunft.

Hier der Hinweis von Thomas:
http://www.4religion.de/viewtopic.php?f ... 21#p160321

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