Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#1441 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 20. Okt 2015, 20:20

Savonlinna hat geschrieben:Es sind Fetzen und Puzzle, sonst nichts. Ich bin nicht fähig, Systeme aufzutürmen und dann noch an sie zu glauben.
Bei mir sind es auch nicht mehr als Fetzen und Puzzles - aber ich bemühe mich um einen Bilderrahmen, in denen die Puzzle-Teile ihren Platz finden - wahrscheinlich ist das der Unterschied.

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Savonlinna
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#1442 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 20. Okt 2015, 20:42

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es sind Fetzen und Puzzle, sonst nichts. Ich bin nicht fähig, Systeme aufzutürmen und dann noch an sie zu glauben.
Bei mir sind es auch nicht mehr als Fetzen und Puzzles - aber ich bemühe mich um einen Bilderrahmen, in denen die Puzzle-Teile ihren Platz finden - wahrscheinlich ist das der Unterschied.
Das ist nicht der Unterschied. Der Unterschied ist, dass Du Kategorien behauptest und sie, bildlich gesehen, mit Leib und Leben verteidigst. Bilderrahmen verteidigt man nicht dermaßen stark über Jahre mit der Behauptung, an ihrer Richtigkeit gäbe es keinen Zweifel.

Ich zitier hier mal aus einem Entwurf für ein Theaterstück, wo ich noch nicht weiß, ob es so stehenbleibt: es soll von Jugendlichen dargestellt werden.
Das habe ich so vor einer Woche verzapft, ist mit verteilten Rollen zu denken und nicht als hohe Kunst zu denken:


Savonlinna hat geschrieben:- Fetzen fliegen in der Gegend herum.
- Fragmente würde ich das nennen – herumflatternde Fragmente.
- Mal steht was drauf, mal nicht.
- Mal kann man sie fangen, mal nicht.
- Mal bildet man sich ein, es sei ein ganzes Buch, mal kann man sich das nicht einbilden.
- Und die Fetzen, die wir eingefangen haben, die kleben wir zusammen.
- Und sagen: Was für ein schönes Bild.
. Was für ein sinnvolles Bild.
- Auch wenn es sinnlos aussieht und doof: wir sagen:
- Was für ein sinnvolles Bild!

Wie Du siehst, der Bilderrahmen ist formuliert. :)
Es ist sogar menschenunmöglich, etwas beziehungslos zu registrieren.

closs
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#1443 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 20. Okt 2015, 20:51

SilverBullet hat geschrieben:Verlässt sich dieser Mensch auf irgendwelche, von ihm unabhängige Zusammenhänge? Nein, er verlässt sich nur auf sich selbst.
Das ist eine merkwürdige Interpretation.

Wenn ich aufgrund meiner geistigen Wahrnehmung versuche, das Erkenntnis-Vermögen des Menschen aus dem Mittelpunkt heraus-zunehmen, bin ich doch gerade NICHT Mittelpunkt. - Natürlich denkt jeder Mensch nur durch sich selber und ist sich selber Mittelpunkt ("cogito e(r)go sum") - aber genau diese Fähigkeit ist doch genau der Ausgangspunkt, um dieses "ego" zu relativieren statt zu verabsolutieren.

Wenn nun der Mensch (und eben gerade Naturalisten) sagt, dass alles, was sein kann, durch den Menschen prinzipiell wahrnehmbar sein MUSS, verabsolutiert er sich selbst - dem stelle ich mich entgegen. - Ich verlasse mich eben NICHT auf mich (den Menschen), weil ich es für Hybris halte es zu tun - das ist genau das Gegenteil, was Du dialektisch geschickt sagst.

SilverBullet hat geschrieben:Könnte es sein, dass nur die unvollständige Nicht-XXXX-Welt-Vermutung auf eine Täuschung zurückgeht, die „naturwissenschaftliche Welt“ aber nicht?
Alles ist möglich - auch das.

SilverBullet hat geschrieben:Nein, einen Demutsvergleich gewinnt der, der zwar eine Vermutung aufstellt, aber dann bescheiden zur Seite tritt und sich der Wirklichkeits-Prüfung stellt: Naturwissenschaft und Technik.
In diesem Segment geht es ja auch. - Meine Aussage ist, dass der Babel-Mensch keinen Demutsvergleich gewinnen kann - wer "Sein" von "Wahrnehmung" abhängig macht, "babelt".

SilverBullet hat geschrieben:D.h. es gibt Mechanismen im Bewusstsein, die das Existenzverständnis leiten können – sogar weg von der tatsächlichen Wirklichkeit.
Grundsätzlich Zustimmung.

"Tatsächliche Wirklichkeit" ist gut. - Denn das passt wunderbar zum Thread. - Im Sinne des Threads wären die Lichtwellen das "Sein" und die Farbwahrnehmung die "Wahrnehmung". - Letzteres ist Ableitung vom ersteren.

So, wie Du sprichst, gäbe es in der Wahrnehmung keine "tatsächliche Wirklichkeit" - damit bist Du manchen Philosophen sehr nah.

SilverBullet hat geschrieben:Diese Leistung wäre so phantastisch, dass man sich fragt, wozu eigentlich das Gehirn dann noch benötigt wird.
Wenn das der Weg WÄRE, wäre diese Leistung nur aus unserer Sicht phantastisch. - Das Gehirn wird nach wie vor benötigt als notwendiges Zentrum der Gedankenvermittlung im Dasein - ohne geht nicht. - Es gibt keine geistigen Dinge im Menschen, ohne sie übers Gehirn laufen zu lassen - sonst kommt's nicht im Dasein an.

SilverBullet hat geschrieben:Gibt es hierfür Nachweise?
Die KANN es nicht gehen, weil man nichts anders neuronal sehen würde als sonst auch - irgendwelche Erregungszustände.

SilverBullet hat geschrieben:Warum sollen die anderen Gläubigen nicht an einer Krankheit leiden?
Auch das gibt es. - Im Grunde müsste man thematisieren, was psychiatrische Krankheiten EIGENTLICH sind (ich meine nicht die physiologische Erklärung) - dann müsste man thematisieren, welche geistigen Einflüsse ("gute"/"böse") es überhaupt geben kann.

Was medizinisch unter "krank" oder "gesund" qualifiziert wird, hat seinen eigenen Sinn, hilft hier aber nicht weiter.

SilverBullet hat geschrieben:Die entscheidenden Vorstellungen „Wer“ und „Wie“ fehlen. (demütig?)
Du drehst das Ding geschickt um 180°, Du Lichtbringer. ;) - Gerade WEIL man nicht darauf besteht, wissen zu können, ist man demütig (und umgekehrt). - Hast Du jemals das Buch "Hiob" verstanden?

SilverBullet hat geschrieben:Dass dies mit der Funktionalität von Wahrnehmungssystemen nicht vereinbar ist, ignorierst du vollkommen.
Nein - setze ich voraus. - Nochmals: Dur drehst das Ding um 180°.

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#1444 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 20. Okt 2015, 20:55

Savonlinna hat geschrieben:Dann doch lieber die Selbstbeschwindelung, dass das eigene Denken nicht aus dem Menchen stamme.
Moment: Das EIGENE Denken stammt natürlich aus dem Menschen - die Frage ist, ob es in sich geschlossen ist oder an "etwas" anderes angebunden ist.

Savonlinna hat geschrieben:Und ausgerchnet diese wirkliche Alternative, die man per definitionem ausschließen will, ist der Ursprung des Christentums:
"Ein Kind ist euch geboren".
Der Ursprung des Christentums ist sicherlich nicht ein Plädoyer für die Selbst-Befriedigung des Menschen in sich selbst.

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#1445 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 20. Okt 2015, 20:57

Savonlinna hat geschrieben:Es ist sogar menschenunmöglich, etwas beziehungslos zu registrieren.
Das ist eine psychologische, meinetwegen soziologische Aussage und trifft in dieser Schnitt-Ebene auf meine Zustimmung.

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#1446 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Di 20. Okt 2015, 21:28

closs hat geschrieben:Zu thematisieren wäre hier bspw., ob Gebete instrumentalisiert werden dürfen - mit anderen Worten: Allein der Umstand, dass hier ein menschlicher Eingriff stattfindet ("Jetzt wollen wir es aber mal wissen") könnte die Sache von vorneherein zum SCheitern bringen.
Und ich hätte gedacht, das Gegenteil wäre der Fall. Nun hat der Allmächtige Gelegenheit, sich den Menschen zu zeigen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1447 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 20. Okt 2015, 22:02

Pluto hat geschrieben:Und ich hätte gedacht, das Gegenteil wäre der Fall. Nun hat der Allmächtige Gelegenheit, sich den Menschen zu zeigen.
Mit "Eingriff" habe ich nicht das Gebet gemeint, sondern die Hybris, es menschlich messen zu wollen.

Im übrigen glaube ich persönlich NICHT, dass sich Gott "life" umstimmen lässt ("Naja - eigentlich war's so geplant, aber weil Ihr's seid, schmeiße ich meine Pläne um"), sondern dass alles im Dasein (und dadurch auch Gebete) "seit den Vortagen" (2.Kön. 19,25) gekannt ist. - Er baut also in seine "Fügung" ein, dass gebetet werden wird (selbstverständlich aus freiem Willen gebetet wird - hat nichts mit Steuerung zu tun). - Aber das wäre ein anderes Thema und soll hier nur darauf hinweisen, dass das Muster "Mal gucken, ob wir Gebets-Wirkung nachweisen können" typisch Mensch ist und sonst nichts.

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#1448 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 20. Okt 2015, 22:22

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Dann doch lieber die Selbstbeschwindelung, dass das eigene Denken nicht aus dem Menchen stamme.
Moment: Das EIGENE Denken stammt natürlich aus dem Menschen - die Frage ist, ob es in sich geschlossen ist oder an "etwas" anderes angebunden ist.
Du definierst, dass da kein Anschluss sei und leugnest dabei diese Möglichkeit. Starre Kateogorien, einander wesensfremd.
Ich hingegen sage, dass da ein Anschluss sei und die Bezeichnungen keine Rolle spielen. Man kann sagen, alles insgesamt stamme aus dem Menschen, oder sagen, ab einem bestimmten Punkt könne man das als "göttlich" bezeichnen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und ausgerchnet diese wirkliche Alternative, die man per definitionem ausschließen will, ist der Ursprung des Christentums:
"Ein Kind ist euch geboren".
Der Ursprung des Christentums ist sicherlich nicht ein Plädoyer für die Selbst-Befriedigung des Menschen in sich selbst.
Du hast mich da leider nicht verstanden.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es ist sogar menschenunmöglich, etwas beziehungslos zu registrieren.
Das ist eine psychologische, meinetwegen soziologische Aussage und trifft in dieser Schnitt-Ebene auf meine Zustimmung.
Nein.

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#1449 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 20. Okt 2015, 22:57

Savonlinna hat geschrieben:Du definierst, dass da kein Anschluss sei und leugnest dabei diese Möglichkeit.
:?:

Der Mensch denkt aus sich heraus (aus wem sonst?) und kann bei diesem Denken verbunden sein mit etwas, was nicht von ihm ist. - Wo ist da ein Widerspruch?

Savonlinna hat geschrieben:Ich hingegen sage, dass da ein Anschluss sei
Ich auch.

Savonlinna hat geschrieben:Du hast mich da leider nicht verstanden.
Es ist auch nicht immer einfach. ;)

Für mich wäre die entscheidende Frage, ob Du das, an das man angeschlossen sein kann, diesseitig ("Dasein") oder jenseitig ("etwas anderes als das Dasein") verstehst. - Ist es aus Deiner Sicht angesiedelt in dem, was ein Physiker (!) "Universum" nennen würde?

Savonlinna hat geschrieben:Nein.
Kann sein. - Aber auf der genannten Ebene verstehe ich Dich.

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#1450 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Di 20. Okt 2015, 23:47

closs hat geschrieben:Im übrigen glaube ich persönlich NICHT, dass sich Gott "life" umstimmen lässt
Es ist die einmalige Gelegenheit einen Beleg für die Existenz des Allmächtigen zu liefern.

Immer wieder stellt sich dieselbe Frage: Warum dieses Versteckspiel?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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