Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
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Savonlinna
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#1321 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » So 18. Okt 2015, 11:49

closs hat geschrieben:("Wenn doch 'nachgewiesen' ist, dass der Geist durch die Materie erzeugt ist: Was soll dann geistiges Denken anderes Sein als Fanatasie-Denken?")
Das erwähnte Denken ist dümmliches Denken, und dümmliches Denken gibt es in allen Jahrhunderten und Jahrtausenden.
Mir ist so ein Denken nur in bestimmten Foren begegnet, nie draußen in der Realität.

Diese Deine Einschätzung ->

closs hat geschrieben:Aus meiner Sicht ist "der Wurm" die Formatierung des vorherrschenden heutigen Denkens. - Man muss sich vergegenwärtigen, dass es den Materialismus jetzt bereits seit mehreren Generationen als Denk-Maßstab gibt

beruht auf einer Verallgemeinerung einer radikalen Minderheit. Heute ist "Fantasy" das, was alle Lebensalter durchschwängert, und die Neue Religiösitat hat ebenfalls alle Volksschichten ergriffen.
Die Märchenforschung, überhaupt das Interesse an Märchen, ist in den letzten Jahrzehnten rapide gestiegen.
Schau Dich um in den Buchläden, da kann man Einsichten gewinnen über das, was die Leute heute interessiert: Werke der Phantastik und Werke der Esoterik.

Der hier vertretene "Materialismus" ist ja gar kein Materialismus. Die DDR, die sich als materialistisch einstufte, hat die Märchen hochgehalten, jede Menge Märchenbücher auf den Markt geworfen.

closs hat geschrieben:Man muss sich vergegenwärtigen, dass es den Materialismus jetzt bereits seit mehreren Generationen als Denk-Maßstab gibt. Das, was ich geistiges Denken nenne, muss da offensichtlich als etwas vollkommen Neues und vor allem Skurilles erscheinen
Nicht im Geringsten. Wir haben heute einen deutlichen Aufstand gegen das gleichgültige Verhalten der Sechziger und Siebziger Jahre. Wie ich schon sagte: das religiöse Denken ist hochgeschossen wie noch nie nach den Weltkriegen, hat die alteingesessenen Kirchen überrascht und sie gezwungen, zu reagieren. Denn ihnen liefen die Mitglieder weg, denen diese alteingesessenen Kirchen zu rational und nüchtern erschienen.

Vor ein paar Jahren war Tolkiens "Herr der Ringe" - ein Buch, in dem Elben, Zwerge, göttliche und anti-göttliche Wesen eine entscheidende Rolle spielen - nach der Bibel das meistgelesene Buch der Welt.
Es besteht also ein solcher Hunger nach der "geistigen Welt", dass die Schriftsteller kaum nachkommen können mit Schreiben, um diesen Hunger zu befriedigen.

Die paar Männekens, die so magere Phantasie haben, dass sie meinen, was nicht nachgewiesen sei, existiere nicht, fallen da nicht ins Gewicht.
Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie innerlich wirklich so denken.

Beide Strömungen, die heute vorherrschen - die geistige und die materialistische - hängen zusammen. Beide sind gleichzeitig entstanden und reagieren aufeinander, sind getrennt voneinander gar nicht zu verstehen.
Sie werden sich vermutlich gegenseitig auspendeln mit der Zeit: so war es immer in der Historie.

Ich will damit nicht sagen, dass es nicht eine "Strömung" gibt, die ich tatsächlich für gefährlich halte. Aber die benutzt den Materialismus nur, um ihr Bedürfnis nach Unterwerfung und Beherrschung auszuleben. Sie hat ihre "Bibeln" - Kubitza etc. -, denen sie sich freiwillig unterwirft. Ihr eigenes Denken haben sie abgeschaltet, aber das wäre ein anderes Thema.

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#1322 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 18. Okt 2015, 11:54

sven23 hat geschrieben:Die einen sagen so, die anderen so.
Ja - je nach Religion.

sven23 hat geschrieben:Am Anfang stehen immer bestimmte Setzungen, die unhinterfragt hingenommen werden
Recht hat er. - Das macht aber Popper auch - und er WEISS es.

sven23 hat geschrieben:. Man behauptet die Existenz von Dingen, für die ein Nachweisbeleg fehlt.
Ab hier zieht Kubitza seine materialistische Nummer runter - natürlich KANN es keinen naturalistischen Nachweis-Beleg geben. - Aber das sagt nichts darüber aus, ob das Behauptete richtig ist oder nicht.

Immer und immer wieder: Wäre "Gott" Teil der naturalistischen Weltanschauung, könnte man ihn innerhalb der Naturwissenschaften abhandeln. - Andererseits wäre die Chiffre "Gott" völlig unsinnig, wenn dem so wäre. - Hier stehen zwei verschiedene Religionen gegenüber: Diesseits-Glaube und Jenseits-Glaube.

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sven23
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#1323 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von sven23 » So 18. Okt 2015, 12:15

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Am Anfang stehen immer bestimmte Setzungen, die unhinterfragt hingenommen werden
Recht hat er. - Das macht aber Popper auch - und er WEISS es.
Wissen es auch die Esoteriker?

closs hat geschrieben: Diesseits-Glaube und Jenseits-Glaube.
An das Diesseits braucht man nicht zu glauben, weil es überprüfbar vor uns liegt. Das Jenseits ist dagegen reine Glaubensache, weil jeglicher Nachweis dafür fehlt.
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Savonlinna
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#1325 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » So 18. Okt 2015, 12:44

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Diesseits-Glaube und Jenseits-Glaube.
An das Diesseits braucht man nicht zu glauben, weil es überprüfbar vor uns liegt.
Hier irrst Du.
Es ist rein gar nichts davon überprüfbar. Überprüfbar ist nur, ob Modelle zutreffen.

sven23 hat geschrieben:Das Jenseits ist dagegen reine Glaubensache, weil jeglicher Nachweis dafür fehlt.
Vielleicht hast Du selber einmal "Jenseits" so geglaubt, dass es nur Glaubenssache war.
Das bedeutet aber nicht, dass es sich mit einem Jenseitigen anders verhält als mit einem Diesseitigen.

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#1326 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 18. Okt 2015, 12:50

Savonlinna hat geschrieben: Heute ist "Fantasy" das, was alle Lebensalter durchschwängert, und die Neue Religiösitat hat ebenfalls alle Volksschichten ergriffen.
Ja - es scheint eine Trennung zu geben zwischen medialer und tatsächlicher Wirklichkeit. - Nach meiner Beobachtung wird Neue Religiosität auch aus materialistischer/existenzialistischer Sicht respektiert als Ausdruck von Selbst-Verwirklichung (Sartre: "Erfinde Dich selbst").

Wobei mir nicht klar ist, was Neue Religiosität sein soll und wie sie sich definiert (falls sie das überhaupt tut). - Ist es Deiner Ansicht nach eher:
a) Neue Religiösität zu Gott hin?
b) Existentialistische Religiosität ("Erfinde Dich selbst - weil es Gott nicht gibt" - so meint es ja Sartre)?
c) Transzendente oder inner-weltliche Religiosität?

Ich zumindest kann diese Frage nicht beantworten. - Ist es ein "Back to the roots" oder ein gigantischer semantischer Shift, der hier mit dem Wort "Reigiosität" geschieht?

Savonlinna hat geschrieben:Vor ein paar Jahren war Tolkiens "Herr der Ringe" - ein Buch, in dem Elben, Zwerge, göttliche und anti-göttliche Wesen eine entscheidende Rolle spielen - nach der Bibel das meistgelesene Buch der Welt. - Es besteht also ein solcher Hunger nach der "geistigen Welt"
WELCHE geistige Welt? - Es gibt den Begriff der "Unterscheidung der Geister" - kannst Du damit etwas anfangen?

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#1327 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 18. Okt 2015, 12:53

sven23 hat geschrieben:Wissen es auch die Esoteriker?
Diesen "Markt" kenne ich zu wenig - ich vermute, dass sie es genauso wenig wissen wie die Anhänger Poppers.

sven23 hat geschrieben:An das Diesseits braucht man nicht zu glauben, weil es überprüfbar vor uns liegt.
q.e.d. - Genau, was ich gerade gesagt habe.

Savonlinna hat geschrieben:Überprüfbar ist nur, ob Modelle zutreffen.
Bingo. :thumbup:

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sven23
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#1328 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von sven23 » So 18. Okt 2015, 12:54

Savonlinna hat geschrieben: Hier irrst Du.
Es ist rein gar nichts davon überprüfbar. Überprüfbar ist nur, ob Modelle zutreffen.
Rein gar nichts ist maßlos übertrieben. Der technisch-wissenschaftliche Fortschritt belegt, daß die Modelle sehr gut funktionieren. Die Welt ist zu einem (fast) offenen Buch geworden und nicht wie früher eins mit sieben Siegeln.
Davon kann z. b. die Theologie nur träumen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1330 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Scrypt0n » So 18. Okt 2015, 12:57

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Diesseits-Glaube und Jenseits-Glaube.
An das Diesseits braucht man nicht zu glauben, weil es überprüfbar vor uns liegt.
Exakt.
Das Diesseits liegt nachweislich und für jeden überprüfbar vor. Unabhängig davon, ob das Diesseits mein (oder dein) Traum ist oder nicht.
"Ich Bin"... :)

Doch das Jenseits ist willkürlicher Glaubenssumpf, in dem sich ein Kurt jeden erdenklichen Unsinn hinein träumen kann und ein Dritter wieder etwas völlig anderes.

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