Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Novas
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#1021 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Novas » Di 13. Okt 2015, 13:00

Savonlinna hat geschrieben:Aber eine Wahrheit für alle - in dem Sinne, dass man selber in ein "Modell" passt, welchselbiges erst gefunden werden muss - führte regelmäßig zum diktatirorischen Denken.

Richtig. Nur jeder kann für sich selbst Wahrheit entdecken. Das Schöne und Gute, was unser Leben nicht als einen absurden Zufall ansieht, sondern als einen Ausdruck des Unendlichen Einen. Das lässt mich leben, das durchatmet mich, das bewegt mich, das trägt mich (egal wie schwierig die Umstände sein mögen) durch dieses Leben, das lässt mich mit Liebe auf die Welt und mit Hoffnung auf den Tod schauen, den ich nicht als eine Tür verstehe, die sich schließt, sondern eine Tür, die sich öffnet.

Ich sehe das wie Kabir:

Die Flöte des Unendlichen
wird ohne Ende gespielt
und ihr Ton ist Liebe.
Wenn Liebe aller Grenzen entsagt,
erreicht sie die Wahrheit.
Wie weithin der Duft sich breitet!

Er hat kein Ende,
nichts steht ihm im Weg.
Die Gestalt dieser Melodie
ist leuchtend
wie eine Million Sonnen.
Unvergleichlich ertönt die Vina –
die Vina der Töne der Wahrheit.

Manche Menschen haben Selbstmord gemacht, weil sie "die Wahrheit" nicht finden konnten.

Wie es bei mir beinahe der Fall gewesen wäre. So ist das: die Wahrheit geht uns unbedingt an. Die Naturwissenschaft kann uns das nicht geben, sie lässt uns in ihrer reinen Vernunft sogar ausgesprochen kalt.
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Andreas
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#1022 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Andreas » Di 13. Okt 2015, 13:04

Novalis hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Wenn man das Herstellen von Faustkeilen oder die Kunst des Feuermachens als den Beginn der Naturwissenschaft ansetzt, hättest wiederum du recht.

Das sind nützliche (technische) Fertigkeiten, aber was hat das mit Wahrheit zu tun? Für mich rein gar nichts. Null und nichts.
Du bist ein moderner Philosoph. Wenn du in der Kälte hockst und frierst, mit klammen Händen versuchst ein wärmendes Feuer in Gang zu bringen, wirst du deine Fähigkeit des Feuermachens bewahrheiten müssen, oder du musst dran glauben und erfrieren. Kannst ja mal nur mit einem Faustkeil rausgehen und checken, wie lange du es aushältst und dir die Grenze deiner Wahrheit von der Natur zeigen lassen.

Die Menschen haben wohl 500 000 Jahre gebraucht um vom Feuerbewahren den "Sprung" zum Feuermachen zu schaffen. Das ganze Leben ist Trial and Error. Das lehrt schon die Evolutionstheorie.

Savonlinna hat geschrieben:Es hieße dann also: jeder benaupteten Wahrheit die Verfolgschaft zu verweigern. Gott steht dann für dieses Nein-Sagen.
Das mit dem Nein-Sagen ist ein guter Ansatz. Ja und Nein dürfte mit zu den ersten sprachlichen Begriffen gehört haben. Da ist der Sinn von Wahrheit quasi schon eingebaut.
Zuletzt geändert von Andreas am Di 13. Okt 2015, 13:06, insgesamt 1-mal geändert.

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Savonlinna
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#1023 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 13. Okt 2015, 13:05

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Meiner Meinung nach, meiner Einsicht und meinem Verstehen nach ist "Wahrheit" ein Begriff, der aus dem Bereich der Naturwissenschaft stammt und später in die Philosophie übertragen wurde.
In der Bibel steht auf Jesus bezogen: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben."
An diesen Satz habe ich nicht gedacht.

Da müsste ich jetzt übersetzungstechnisch und kuturtechnisch an die Sache ran gehen. Denn mit Sicherheit kann der Jesus des Johannesevangeliums mit "Wahrheit" nicht das gemeint haben, wenn Christen oder andere Religionsvertreter heute sagen: dies und jenes sei die Wahrheit. Oder: Es gebe bei existentiellen Fragen nur eine einzige richtige Antwort: sie sei entweder richtig oder falsch.

"Ich bin der Weg", das kann ich schon besser als nicht-naturwissenschaftlich einordnen, auch: "Ich bin das Leben".
Das griechische Wort für das deute "Wahrheit" müsste also in seiner Wertigkeit so weit möglich rekonstruiert werden.

SilverBullet
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#1024 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Di 13. Okt 2015, 13:08

Savonlinna hat geschrieben:Weil jeder das als Gott bezeichnet, was ihm das Höchste ist.
So beliebig scheint mir das nicht zu sein.

Schau mal genau hin:
„Gott sagt dies und das“
„Gott will dies und das“
„Gott macht dies und das“
„Mit uns geschieht dies und das, wenn wir Gott gefallen bzw. wenn nicht dann…“
„Gott herrscht über alles“
„Gott ist gross“
„Gott wird uns richten“
usw. usw.

Diese Behauptungen gibt es in schier endloser Zahl.
Und sie hatten und haben drastische Auswirkungen auf das Leben.

Dem gegenüber steht, dass offenbar niemand sagen kann, was „Gott“ sein soll, damit all diese Aussagen einen Ausgangspunkt bekommen.

Wenn ich darauf hinweise, dass ich vor diesem Hintergrund die Behauptungen eher nur als Vermutungen ansehen würde, gibt es einige, die dadurch „ganz schwer zu atmen beginnen“.

Savonlinna hat geschrieben:Was eigentlich verstehst Du daran nicht? Stellst Du Dich bewusst dumm, um die anderen zu ärgern?
Ich verstehe ( :-) ) du willst jetzt provozieren.

Savonlinna hat geschrieben:Dir ist möglicherweise das Gehirn das Wichtigste, also ist für Dich das Gehirn Dein Gott - egal, ob Du das so bezeichnest oder nicht.
Du bist hingerissen vom Gehirn, siehst in ihm lauter ungeahnte Möglichkeiten - nur gibt es eben keine Religion dieses Namens. Aber es ist Deine Religion.
Das Gehirn soll meine Religion sein?
Na dann hoffe ich mal, dass mir diese Religion niemand wegnimmt – einer Wahrnehmung geht es ohne Gehirn nicht so besonders „dolle“.

Savonlinna hat geschrieben:Es ist einfach in jedem Menschen angelegt, irgend etwas als ihr Wichtigstes anzusehen und sich dafür einzusetzen.
Das ist so allgemein formuliert, dass sich das Wort „Gott“ regelrecht auflöst – du hast es ja noch nicht einmal benötigt – sehr gut.

Savonlinna hat geschrieben:Die einen nicht, weil sie selber nicht wissen, was genau ihnen das Höchste ist, die anderen nicht, weil ihr Schamgefühl ihnen das öffentlich zu schreiben verbietet.
Moment, wenn man etwas nicht weiss, dann ist es doch eindeutig eine Vermutung.
Wieso kann man es dann nicht so formulieren?
Sind religiöse Leute, die viel behaupten aber keine Antworten haben, Opfer der Unwissenheit, was ihnen das Höchste ist?

Schamgefühl?
Gibt es gesellschaftlichen Druck von der Seite, die nicht weiss, was „Gott“ sein soll?

Savonlinna hat geschrieben:Christen werden verhöhnt
Wie kommst du jetzt auf die „Verhöhnung von Christen“?

Pluto
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#1025 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Di 13. Okt 2015, 13:10

Novalis hat geschrieben:Nur jeder kann für sich selbst Wahrheit entdecken.
Wahrheit kann man nicht "entdecken" oder besitzen.
Der amerikanische Philosoph William James schon erkannte: Die Definition von Wahrheit hängt mit dem Wahrheitskriterium zusammen.

Das Schöne und Gute, was unser Leben nicht als einen absurden Zufall ansieht, sondern als einen Ausdruck des Unendlichen Einen.
Das halte ich für eine sehr einseitige Sicht.
Woher kommt das Böse, Schreckliche und Hässliche?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#1026 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Novas » Di 13. Okt 2015, 13:23

Andreas hat geschrieben:Du bist ein moderner Philosoph. Wenn du in der Kälte hockst und frierst, mit klammen Händen versuchst ein wärmendes Feuer in Gang zu bringen, wirst du deine Fähigkeit des Feuermachens bewahrheiten müssen, oder du musst dran glauben und erfrieren. Kannst ja mal nur mit einem Faustkeil rausgehen und checken, wie lange du es aushältst und dir die Grenze deiner Wahrheit von der Natur zeigen lassen.

Die Menschen haben wohl 500 000 Jahre gebraucht um vom Feuerbewahren den "Sprung" zum Feuermachen zu schaffen. Das ganze Leben ist Trial and Error. Das lehrt schon die Evolutionstheorie.

Das sind nützliche Fertigkeiten. Nicht mehr und nicht weniger.

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Savonlinna
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#1027 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 13. Okt 2015, 13:23

Novalis hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Manche Menschen haben Selbstmord gemacht, weil sie "die Wahrheit" nicht finden konnten.

Wie es bei mir beinahe der Fall gewesen wäre. So ist das: die Wahrheit geht uns unbedingt an. Die Naturwissenschaft kann uns das nicht geben, sie lässt uns in ihrer reinen Vernunft sogar ausgesprochen kalt.
Nicht nur die Naturwissenschaft kann uns das nicht geben, auch die Philosophie nicht, wenn sie fragt: "Was ist die Wahrheit"?
Sie lenkt unser Suchen in eine Richtung, die uns nur scheitern lassen kann. Ich habe lange gebraucht, das zu durchschauen.
Denn "Wahrheit" ist kein Begriff, der menschliche Vorgänge beschreibt. Er ist ein leerer Begriff.

Wir haben in uns das Bedürfnis, die EINE Antwort zu finden, das zweifellos.
Dieses Bedürfnis stammt aus dem kollektiven Unbewussten, das uns alle verbindet und nach wie vor in uns ist.
Wir wollen buckeln und wir wollen treten - das eine nach oben, das andere nach unten.

DAS steht hinter der Frage nach der "Wahrheit". Der Unisono-Schrei: "Führer sprich, wir folgen dir!" vermittelt noch heute eine "Gänsehaut".
Da liegt eine tiefe Sehnsucht, bedingungslos zu gehorchen, bedingungslosen Gehorsam einzufordern.

Die andere tiefe Sehnsucht: Genau das nicht zu tun, sondern zu achten und wertzuschätzen.

Ersteres ist in Anlehnung an naturwissenschaftliches Denken - an den Missbrauch naturwissenschaftlichen Denkens - möglich.

Novas
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#1028 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Novas » Di 13. Okt 2015, 13:27

+
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SilverBullet
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#1029 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Di 13. Okt 2015, 13:33

closs hat geschrieben:Wenn man setzte, dass "Gott" das/der ist, aus dem das Universum ist, wäre dies aus meiner Sicht sehr wohl eine in sich geschlossene Aussage - eine Funktions-Aussage, die kein weiteres Wissen über Gott bedraf - oder nicht?
Wo siehst du da ein geschlossenes System?
„Gott“ = „aus dem das Universum ist“
Und woraus soll das Universum aus deiner Sicht sein?
(Tipp: jetzt nicht „Gott“ oder „Geist“ einsetzen – dadurch entsteht kein geschlossenes System)

closs hat geschrieben:Du sprichst immer von sinnlicher Funktionsweise im Sinne des Naturalismus - davon kann bei Fragen nach Gott keine Rede sein. Hier geht es um "geistige Wahrnehmung", also die Fähigkeit, einen Bezug zu dem zu spüren, was Du "unzugängliche Welt" und andere "Gott" nennen - auch dies ist keine hinreichende Definition, gibt aber Rahmenbedingungen.
Nein, ich spreche von dem, wovon ich ein Teil bin: ein Wahrnehmungssystem.

Deine Vermutung einer „geistigen Wahrnehmung“ benötigt eine solide Basis.
Du möchtest damit den Zugang zu einem anderen Welt-Konzept festlegen.

Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht, wie wasserdicht und stichhaltig die Hinweise sein müssten, damit man sich darauf einlassen sollte. War auch noch nicht notwendig, denn du lieferst ja keine.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Warum vermutest du, dass dies ein vernünftiger Vorgang für ein Wahrnehmungssystem sein könnte?
Weil es dann wüsste, dass es sehr relativ ist.
Was soll das für eine Antwort sein?
Durchdenke die Wahrnehmungstechnik und schlussfolgere, was sich daraus für die Existenz und die Bedeutung von Bewusstsein ergibt – dann weisst du, wie relativ du „bist“.
(vorsicht: danach stellt man Fragen wie: was soll „Geist“ sein und was soll „Gott“ sein)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Zeigt nicht die Physik, dass unser Existenzverständnis in Extremumgebungen „problematisch“ ist?
Eben - sogar in der Physik.
Was ist deine Konsequenz – dass du mit dem offensichtlich zweifelhaften Existenzerständnis neue „Existenzkategorien“ voraussetzt, von denen du nichts wissen kannst?
Das wäre nicht besonders schlau.

closs hat geschrieben:Umso mehr sollte klar sein, dass wir ALLE nur mit Vermutungen leben.
Die Nicht-XXXX-Welt-Vermutung ist aber unvollständig und hat eine extrem schlechte Qualität…

closs hat geschrieben:Du wirst von keinem etwas Falsifizierbares bekommen - eigentlich würdest Du am ehesten etwas bekommen können, wenn Du mal ein Jahr lang abgeschottet unter echten Christen lebst, mit denen Du zudem die logischen Modelle pro Gott besprechen könntest, die es gibt
Ich staune, so viele „Modelle“ – auf geht’s, da musst du doch irgendwo eine Antwort finden…

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NIS
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#1030 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von NIS » Di 13. Okt 2015, 13:38

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