closs hat geschrieben:Naqual hat geschrieben: "Ich bin ein sündiger Mensch". Tolle Erkenntnis. Nur da käme ich auch ohne Bibel drauf.
Möglicherweise nicht. Heute würde man sagen: "Ich bin nicht perfekt, arbeite aber daran". - Ein ganz anderes Weltbild.
Gehört hier zwar nicht her, aber nicht ganz uninteressant, wenn man den Begriff "Sünde" ganz fallen lasst. Also es gibt "für andere oder einen selbst ungünstiges Verhalten". Quasi wertfrei und vorurteilsfrei, funktional. Aus dem kann man sogar alles ableiten bis hin zur Nächstenliebe.
Naqual hat geschrieben:Welche Erkenntnisse hast Du bekommen, die man nur aus der Bibel gewinnen kann?
Zwar an Novalis gerichtet, aber ich sag mal trotzdem was dazu: Bspw. 1.Kor. 13. - Die Mischung dort aus ...
1) Nichtigkeit des eigenen Wissens: Wer alles Wissen der Welt hätte, ist "Nichts", wenn er nicht die Liebe hat,
2) die Liebe läßt sich nicht erbittern, sie trägt das Böse nicht nach,
3) jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin,
... findet man nicht überall.
Sehe ich auch so. Wobei man andere Literatur durchaus auch empfehlen kann.
Mir geht es teilweise so, dass wenn ich Schriften anderer Religionen lese, sehr oft beeindruckende Aha-Erlebnisse habe. Dies liegt aber auch daran, weil man mit einem ungewohnten Blickwinkel die Dinge betrachtet. In der christlichen Religion bin ich aufgewachsen, sehr intensiv sogar. Da fällt mir auch nix mehr auf und vieles sehe ich gerade wegen Selbstverständlichkeiten und Gewohnheiten nicht mehr.
Außerdem habe ich durch die Bibel eine Lösung gefunden zur Frage des unendlichen Regresses der Dialektik - aber so was kann man nicht in den Gemeinden verwenden.
Unterscheidest Du inifinitiven Regress von unendlichem Regresss
der Dialektik?
Welche Lösung? (gerne nur Stichworte, normerweise komme ich damit aus)
Insofern darf man aus meiner Sicht die Gottesbilder des AT als archaische Versuche verstehen, sich heilsgeschichtlich Richtung NT zu bewegen - der erste Schritt ist oft genauso wichtig (ein Anfang muss gemacht werden) wie jämmerlich.
Sehe ich auch so. Da finde ich Ken Wilber gut, der auf philosophischer Ebene recht gut rüberbringt, wie ganze Länder und Kulturen Entwicklungen unterliegen, die langfristig weiterführen, wenn auch immer wieder kurzfristig Rückschritte zu verzeichnen sind, die aber dann die weitere Entwicklung teilweise sogar beschleunigen. Also nicht nur Mensch entwickelt sich, sondern die Menschheit als Ganzes.
Schriftreligionen haben da allerdings ne ziemliche Bremse eingebaut wegen dem Verhaftetsein an antike Texte und der unglaublichen Angst, in tausend Fraktionen zerspringen zu können.
Weiterhin sind im AT Staat und "Kirche" identisch ("Gottesstaat") - der Souverän des Staates ist Gott. - Im NT ist das ganz anders - Jesus trennt beides ja (dass es ab Mitte des 1.Jt. wieder mehr oder weniger zusammengeführt wird, halte ich für einen Rückschlag).
Ja. Im NT ist m.E. der einzelne Gläubige im Vordergrund der Betrachtung, im AT das Ganze (das Volk Israel und letztlich die Geschicke der ganzen Menschheit). Irgendwie kreuzen sich da AT-Politik und NT-Psychologie. Aber letztlich müsste man beides wieder zuzusammenbringen zur Vollkommenheit.
Wir können dies deutlich auch bei ganz modernen Themen finden:
Muss der Staat für die einzelnen da sein, oder die einzelnen für den Staat?
Auffallend ist, wenn man zu ersterem oder zweiterem STARK neigt, kommen recht gefährliche Sachen bei raus.
Wenn beide Blickwinkel in der Praxis verzahnt werden wird's recht angenehm das Ganze.
Unterm Strich würde ich sagen: Das AT sollte man überhaupt nur dann lesen, wenn man NT-mäßig geistig abgesichert ist - ansonsten wird man verrückt.
Wir ähneln uns insofern in den Anschauungen, weil Du 1 Kor 13 absolut setzt und ich das Doppelgebot Jesu (Mt 22,37ff). Widersprüche hiergegen dürfen dann weder rational noch emotional auftauchen bei anderen Textstellen oder Interpretationen von diesen.