closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Wenn man der Auffassung ist, dass es historisch MÖGLICH ist, herauszufinden, was eine rein sprachlich überlieferte Figur "gedacht" hat, dann kann man nicht zu der Weltauffassung kommen, zu der ich gekommen bin.
Da sind wir uns einig - gerade dann, wenn wir nicht wissen, wer spricht: der Autor oder die Figur.
Ich wollte sagen:
zwei Menschen mit einem ganz unterschiedlichen Weltverstehen kommen zu unterschiedlichen Lebensfragen, denen sie nachforschen.
Wer meint, er könnte grundsätzlich wissen, wie etwas in einem anderen abläuft, der widmet sein Leben ganz anderen Dingen als der, der, sage ich jetzt mal etwas poetisch-kitschig, zu sehen meint, dass der Mensch ein Abgrund ist.
closs hat geschrieben:Insofern geht es mir nicht um definitives, gar nachweisbares Wissen, sondern um Verstehen dessen, was im Kontext dasteht.
Ich beziehe mich hier die ganze Zeit auf Deine Aussage, dass man letztlich wissen will, was Jesus gedacht hat.
Nur darüber rede ich. Wer solche Bedürfnisse hat, ist - in meinen Augen - von der Naturwissenschaft verhext. Er kann nicht anders als naturwissenschaftlich denken und naturwissenschaftliche Bedürfnisse haben.
Oder vielleicht richtiger: solche Bedürfnisse haben, die zur Naturwissenschaft, wenn sie Ideologie wird, führen. Damit meine ich die Verdinglichung. Der Mensch wird als verformelt erlebt, und man will die Formeln rausfinden. Das hat schon vor der Entwicklung der Naturwissenschaft begonnen, führte aber zur Naturwissenschaft. Das verdinglichte Denken ist die Voraussetzung für naturwissenschaftliches Denken.
Ich denke mal, dass ich mich erneut nicht verständlich machen kann.
closs hat geschrieben:
- Allerdings: wenn 100 Aussagen Jesu so zusammenpassen, dass man ein Gesamtbild hat, UND wenn diese Aussagen nicht in Täuschungsabsicht stattgefunden haben, UND wenn diese Aussagen nicht vom Autor unterschoben sind - dann würde ich subjektiv schon sagen: "Ich merke, wie diese Person denkt". - Wärest Du damit einverstanden?
Nein! Denn die überlieferten Aussagen beziehen sich in keinem Punkt auf das Denken der Person, sondern nur auf Geäußertes der Person.
Ganz abgesehen davon, dass im Fall Jesu ja gar kein Zeuge da war, sondern dass man Texte voneinander abgeschrieben hat.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Abgesehen davon, dass ich mit dem Zitat von Witttenstein - "etwas, was der Fall ist" - wirklich rein gar nichts anfangen kann
Das verstehe ich Dich nicht - nimm das Zitat doch einfach wörtlich im Sinne von "das, was 'ist'" - binär eine "1".
Und was soll das sein, "das, was ist"?
Du kennst mich doch. Für mich ist das eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Das, was Du als "ist" wahrnimmst, ist Deine eigene Projektion.
Es ist positivistisches Denken in Reinform, das ich zwar theoretisch nachvollziehen kann, dessen Irrtumhaftigkeit - oder Ideologiehaftigkeit - mir aber fast physisch wahrnehmbar ist: weil da stets der Wahrnehmende ausgeklammert wird.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:"jegliche geistige Wahrnehmung ist Versuch, etwas zu finden, was der Fall ist" -, für, wie soll ich sagen, einen Versuch, Fakten zu schaffen
Sehe ich ganz anders - ist auch nicht beabsichtigt. - Wie will man dadurch Fakten SCHAFFEN, dass man finden will? - Das hieße doch umgekehrt, dass man nur dann keine Fakten schafft, wenn man grundsätzlich nicht sucht - meinst Du das?
Du hast irgendwie dermaßen verstümmelt meine Aussage zitiert, dass sie gar keinen Sinn mehr macht.
Ich bringe das mal In Ordnung und zitere meinen ganzen Satz

->
Savonlinna hat geschrieben:also selbst wenn ich damit nichts anfangen kann, halte ich eine DEFINITION von dem, was man ja erst rauskriegen will - "jegliche geistige Wahrnehmung ist Versuch, etwas zu finden, was der Fall ist" -, für, wie soll ich sagen, einen Versuch, Fakten zu schaffen, wo es ja gerade fragwürdig ist.
Was ich also sagen wollte: Wenn ein Mensch überhaupt erst herausfinden will, was "geistige Wahrnehmung" ist, dann kann man das glorreich abwürgen, indem man schnell DEFINIERT, was das Ergebnis zu sein hat.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Statt dass man erst untersucht, was "geistige Wahrnehnung" ist
Eine rein weltanschauliche Frage - ein Naturalist wird diese Frage anders beantworten als ein Christ oder ein x.
Aber nicht das wollte ich sagen.
Es gibt schließlich auch Menschen, die sich keiner bestimmten Weltanschauung verschreiben. Und die wollen halt keine fertigen Ergebnisse vorgesetzt bekommen, wie sie ein Christ oder Naturalist uniform gelernt haben, sondern wollen hinter diese Fertigprodukte schauen.