Warum fordern Atheisten Beweise?
#111 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Ich bin einfach zu faul zehn Bücher zu lesen um einen Begriff zu nutzen, wenn ich annehmen kann, dass meine Gesprächspartner diese zehn Bücher auch nicht gelesen haben.
- Savonlinna
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#112 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
closs hat geschrieben:Man könnte auch problemlos darauf verzichten, wenn es nicht Mode geworden wäre, eigene Weltanschauungen (gar Ideologien) als "wissenschaftlich" zu verkaufen.Andreas hat geschrieben: Ich vermeide den Begriff mittlerweile, wo es irgend geht.
Um das aufzuklären, braucht man meiner Sicht nach nicht den Begriff "Hermeneutik".
Wenn es also darum geht, zu zeigen, wo die Weltanschauung oder Ideologie beginnt, kann man Beispiele bringen.
Die sind hier auch schon gebracht worden, irgendwo vergraben in den Tiefen des Forums.
Beispiel also:
Man stellt fest, dass im Gehirn das und das zu beobachten ist. Ist wissenschafltiche Erkenntnis.
Und irgendein Idiot folgert daraus: Die Freiheit des menschlichen Willens ist nun widerlegt. Oder: Es gibt kein Selbst.
Da ist die Grenze klar markierbar.
Ein anderes Beispiel habe ich mal gebracht:
Wenn man einem am Daumen nuckelnden Baby konsequent auf den Daumen schlagt, wenn es nuckeln will, nuckelt es irgendwann nicht mehr am Daumen.
Irgendein Idiot folgert daraus: Der Mensch ist ein Tier, weil schon Babies dressierbar sind.
Das bereits im Bereich der Naturwissenschaft.
Jetzt wackele ich rüber in die Geisteswissenschaft.
Beispiel:
In meiner Studentenzeit kam der "Strukturalismus" an die Unis und durchtränkte so langsam alle Wissenschaften.
Günter Schiwy, der ein Buch darüber geschrieben hat - von mir hoffnungslos zerflettert, so oft habe ich das gelesen -, hat den Titel samt Untertitel:
"Der französische Strukturalismus. Mode Methode Ideologie".
Methode - Ideologie: das waren damals klare Abgrenzungen, und ich habe die von Schiwy wahrscheinlich in mein Repertoire bis ans Lebensende aufgenommen. Er benutzte nicht den Begriff "Hermeneutik".
Aber wie er die Abgrenzung genau hingekriegt hat, müsste ich wieder nachlesen.
Mache ich wahrscheinlich auch.
Mensch, Schiwy. Bei Wiipedia lese ich, dass er 2008 gestorben ist, und ich habe es nicht einmal mitgerkriegt.
Der Tod ist mein Todfeind. Abgesehen von meinem eigenen Tod.
#113 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Das ist ja alles gut und schön (besonders der letzte Satz). Was das mit Hermeneutik nach Schlag mich Tod zu tun hat, erschließt sich mir irgendwie nicht.
- Savonlinna
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#114 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Andreas hat geschrieben:Das ist ja alles gut und schön (besonders der letzte Satz). Was das mit Hermeneutik nach Schlag mich Tod zu tun hat, erschließt sich mir irgendwie nicht.
Ich habe meiner Trauer um Günther Schiwy Ausdruck verliehen. Ganz OT, ganz persönlich. Mitten in der Nacht. Schlag mich tot.
Von ihm habe ich offenbar kapiert, was der Unterschied zwischen Methode und Ideologie ist.
Dass der Begriff "Hermeneutik" dafür nicht erforderlich ist, habe ich vorher erläutert. Und bei Schiwy spielt das auch keine Rolle.
Das war mein Beleg, den ich aber noch belegen muss.
#115 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Hermeneutik hat was damit zu tun, wie man sich einen Text erschließt, wie man ihn versteht. Ok, da gab es vielleicht Moden: dreifacher Schriftsinn, vierfacher Schriftsinn, eine Methode scheint die HKM zu sein und eine Ideologie könnte vielleicht die Ratzinger-Exegese sein. Wobei spielt jetzt die Hermeneutik keine Rolle?
Mir ist auch nicht klar, worauf du hinaus willst. Mode, Methode und Ideologie sind zunächst mal wertfrei. Man kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Textauslegung. Alle drei verändern sich ständig, haben aber auch etwas Verlangsamendes oder auch Synchronisierendes in sich. Moden, Methoden und Ideologien scheinen mir in der menschlichen Gruppendynamik unumgänglich. Vielleicht sind sie sogar notwendig, weil zu viel Neues auf einmal nicht mehr integrationsfähig wäre. Dann würde es chaotisch werden.
Gut Ding will Weile haben, muss ich bewähren und scheitern können. Wir brauchen Zeit zum vernetzen, lernen, zweifeln, prüfen, umdenken, vernetzen, lernen, zweifeln, prüfen, umdenken, vernetzen, lernen, zweifeln, prüfen, umdenken. Ist das Hermeneutik? Ist Mensch so?
Mir ist auch nicht klar, worauf du hinaus willst. Mode, Methode und Ideologie sind zunächst mal wertfrei. Man kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Textauslegung. Alle drei verändern sich ständig, haben aber auch etwas Verlangsamendes oder auch Synchronisierendes in sich. Moden, Methoden und Ideologien scheinen mir in der menschlichen Gruppendynamik unumgänglich. Vielleicht sind sie sogar notwendig, weil zu viel Neues auf einmal nicht mehr integrationsfähig wäre. Dann würde es chaotisch werden.
Gut Ding will Weile haben, muss ich bewähren und scheitern können. Wir brauchen Zeit zum vernetzen, lernen, zweifeln, prüfen, umdenken, vernetzen, lernen, zweifeln, prüfen, umdenken, vernetzen, lernen, zweifeln, prüfen, umdenken. Ist das Hermeneutik? Ist Mensch so?
#116 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Wer freundet sich mit meiner Definition an:
Exegese = Methodik auf ideologiefreier Ebene
Hermeneutik = methodische Interpretation, die im schlimmeren Fall ideologisch sein kann
Exegese = Methodik auf ideologiefreier Ebene
Hermeneutik = methodische Interpretation, die im schlimmeren Fall ideologisch sein kann
#117 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
closs hat geschrieben: Ist aus Deiner Sicht der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" eine exegetische oder eine hermeneutische Aussage? - Ich meine, es sei eine hermeneutische Aussage. - Falls meine Meinung unzutreffend wäre, hieße dies, dass bereits in der Exegese die Weltanschauung stattfinden würde - dies würde ich gerne vermeiden.
Sie ist eine exegetische Aussage; sie ergibt sich erst und unmittelbar aus der Analyse der Evangelientexte.
Sie ist der historische Befund - unabhängig davon, ob einem dieses Ergebnis in den Kram passt oder nicht.
Die Exegese ist als Interpretation historischer Texte ein Sektor der Geschichtswissenschaft und insofern in ihrer Forschung
grundsätzlich frei. Das heißt: sie ist an kein dogmatisches bzw. kirchliches Urteil gebunden, das sie von vornherein festlegt.
Sie kennt kein religiöses oder kirchliches Tabu.
Die Frage etwa nach der Naherwartung Jesu ist eine historische, die nur historisch beantwortet werden kann. Maßgebend für
die Beantwortung, der Frage nach historischen Fakten, sind nicht Glaubensurteile, sondern kontrollierbare Argumente. Denn
historische Fakten sind als solche nicht Gegenstand des Glaubens, sondern des historischen Erkennens. Die historische Exegese
ist im Gegensatz zur dogmatischen grundsätzlich vorurteilslos, insofern ihr Ergebnis prinzipiell offen ist.
Zuletzt geändert von Münek am Fr 4. Sep 2015, 09:40, insgesamt 1-mal geändert.
#118 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Dann gibt es hier keine Grenzziehung zwischen Wissenschaft und Weltanschauung - dies wäre aus meiner Sicht bedauernswert.Münek hat geschrieben:Sie ist eine exegetische Aussage
Im allgemeinen Verständnis des Wortes ist es KEIN historischer Befund, da damit fälschlicher der Eindruck erweckt wird, es entspreche dem, was zur Zeit Jesus Wirklichkeit war. - Allerdings kann man "historisch" auch als virtuellen Methodenbegriff verstehen - aber damit täuscht man die Öffentlichkeit.Münek hat geschrieben:Sie ist der historische Befund.
Um es konkret zu machen: Der Jesus aus Sicht der kanonischen Exegese hat genauso gute Chancen, mit dem wirklichen Jesus vor 2000 Jahren übereinzustimmen, wie der Jesus aus Sicht der historisch-kritischen Exegese. - Es wird jedoch medial und beim nicht spezialisierten Menschen der Eindruck erweckt, der historisch-kritische Jesus entspräche prinzipiell dem wirklichen Jesus vor 2000 Jahren mehr als der kanonische Jesus. - Dieser Eindruck ist irreführend (ob absichtlich oder unabsichtlich).
#119 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Was Jesus sagte steht unmissverständlich in den Evangelien.closs hat geschrieben: Ist aus Deiner Sicht der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" eine exegetische oder eine hermeneutische Aussage? -
Was ist denn genau der Unterschied zwischen Bibel-Hermeneutik und Exegese?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
- Savonlinna
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#120 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?
Der Gesprächsweg war folgender ->Andreas hat geschrieben:Hermeneutik hat was damit zu tun, wie man sich einen Text erschließt, wie man ihn versteht. Ok, da gab es vielleicht Moden: dreifacher Schriftsinn, vierfacher Schriftsinn, eine Methode scheint die HKM zu sein und eine Ideologie könnte vielleicht die Ratzinger-Exegese sein. Wobei spielt jetzt die Hermeneutik keine Rolle?
Mir ist auch nicht klar, worauf du hinaus willst.
closs argumentierte:
closs also meinte, zu Recht: Viele versuchen, Weltanschauungen als Wissenschaft zu verkaufen.closs hat geschrieben:Man könnte auch problemlos darauf [auf die Hermeneutik] verzichten, wenn es nicht Mode geworden wäre, eigene Weltanschauungen (gar Ideologien) als "wissenschaftlich" zu verkaufen.
Und dann meinte er, meiner Meinung nach zu Unrecht: Um dem entgegenzusteuern, brauche man den Begriff Hermenenutik.
Meine Position dazu war:
Um aufzudecken, wo Weltanschauung als Wissenschaft verkauft wird, braucht man nicht den Begriff der Hermeneutik, sondern Ideologiekritik.
Günter Schiwy habe ich angeführt, um zu zeigen, dass er nicht den Begriff Hermeneutik brauchte, um den Unterschied zwischen Methode und Ideologie zu beschreiben, in dem Fall beim Strukturalismus.
Worauf closs wahrscheinlich anspielte - den Naturalismus oder neuen Atheismus - kann man also ebenfalls ohne den Begriff Hermeneutik (der in meinen Augen die Diskussion verwässert und nichtssagend macht) in seiner Ideologiehaftigkeit nachweisen.