Warum fordern Atheisten Beweise?

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closs
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#71 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von closs » Do 3. Sep 2015, 16:22

Münek hat geschrieben:Die kanonische Hermeneutik setzt als Prämisse eine übernatürliche, d.h. göttliche Inspiriertheit
der biblischen Texte, einen Plan Gottes.
Damit hat sie den Boden der Wissenschaft verlassen.
Übernatürlichkeit wird auch bei der kanonischen Hermeneutik nicht wissenschaftlich untersucht. - Es werden Quellen und Aussagen der Bibel wissenschaftlich untersucht und exegetisch ergebnisoffen entschlüsselt - die danach folgende Hermeneutik arbeitet zwar ebenfalls methodisch, hat aber ihre SChwerpunkte auf Interpretation.

Wenn es wissenschafts-theoretisch möglich wäre, würde ich den Wissenschaftsbegriff auf (HKM- und kanonische) Exegese beziehen, nicht aber auf (HKM- und kanonische) Hermeneutik - einfach um den Unterschied zwischen Beobachtung und Interpretation deutlich werden zu lassen. - Leider kann ich nicht sagen, wie dieser Vorschlag im wilden Meer ständig wandelnder Wissenschafts-Begrifflichkeit ankommen würde.

closs
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#72 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von closs » Do 3. Sep 2015, 16:31

Münek hat geschrieben:Die Frage, ob die in den Evangelien wörtlich dokumentierte Botschaft Jesu, seine mündliche Verkündigung, seine Predigt- und Gleichnisworte, authentisch sind, d.h. von ihm tatsächlich gesprochen worden sind oder ob ihm die "Ankündigung des nahen Gottesreiches", seine Mahnung
der Umkehr, sein Appell an seine Landsleute, dieser Botschaft zu glauben, sein Missionsauftrag an die 70 Jünger usw., von Urchristen oder den Evangelisten nachträglich in den Mund gelegt wurden, ist eine historische Frage
Einverstanden - nur:

Diese historische Frage des wie und ob wird von der kanonischen Exegese und auch Hermeneutik nicht unhistorischer angegangen als von historisch-kritischer Seite - auch der kirchlíchen Theologie liegt daran, "was vor 2000 Jahren historisch der Fall war". - Allerdings geht die kanonische Hermeneutik noch einen Schritt weiter, indem sie im Bewusstein einer geistigen Substanz interpretiert.

Unterm Strich (ich wiederhole mich):
Würde man sich um 2000 Jahre zurück-beamen lassen oder würden überraschender Weise originale handschriftliche Mitschriften eines Jesus-Assistenten auftauchen, hätten die Kanoniker nicht weniger Chancen mit ihrem historischen Jesus-Bild richtig zu liegen wie die HKMler - allein schon deshalb, weil die HKM für die Kanoniker unverzichtbar ist.

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Halman
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#73 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Halman » Do 3. Sep 2015, 16:31

Pluto hat geschrieben:Unter Wissenschaft verstehe ich eigentlich zwei Gruppierungen von Disziplinen.
1.) Eine kleine Gruppe empirischer Wissenschaften wie bspw. Chemie, große Teile der Physik, die Mikrobilogie, Neurobiologie & Hirnforschung, usw.
2.) Die weit größere Gruppe historischer Wissenschaften, zu der Geschichte, Archäologie, Paläontologie, Geologie, Evolutionsbiologie oder nicht zuletzt auch die HKM gehören.
Arbeiten Geologen etwa nicht mit empirischen Daten? In einem anderen Forum kenne ich einen Geologen, der sich mehr als Naturwissenschaftler, denn als Geschichtswissenschaftler sieht. Er half mir übrigens dabei, hier diesen Beitrag zu schreiben. Ist dies für Dich empierisch?
Die Evolutionsbiologie steht doch auf zwei Standbeinen: Der naturwissenschaftlichen Biologie und der Geschichtswissenschaft.

Pluto hat geschrieben:Weitere Disziplinen die sich gern mit dem Mantel der Wissenschaftlichkeit kleiden, wie z. Bsp. Literatur, Malerei, Musik, Bildhauerei, Religion, usw. gehören zum kulturellen Gut unserer Gesellschaft, sind aber nach heutiger Definition keine Wissenschaften.
Natürlich nicht, diese Phänomene können und werden allerdings von Kulturwissenschaften untersucht. Ein Musiker ist kein Musikwissenschaftler, ein Künstler kein Kunstwissenschaftler usw.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#74 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von closs » Do 3. Sep 2015, 16:35

Halman hat geschrieben:Die Auslegung ist doch kein Synonym für die Hermeneutik.
Da muss ich mal Pluto insofern beispringen, dass wir vor 30 Jahren überm Daumen genau so gearbeitet haben (allerdings bei literarischen Texten):

1) Text-Analyse (historisch/sprachlich/verfasser-bezogen(etc.) war für uns "exegetisch"
2) Deutung auf Basis dieser Analyse war für uns "hermeneutisch".

Das mag nach heutigen Maßstäben vereinfacht sein - aber es hat geklappt, weil es inhaltlich alles Wesentliche beinhaltet hat (= Unterschied zwischen wissenschaftlicher Analyse und weltanschaulicher Deutung). - Würde mir heute immer noch reichen - was könnte man mehr brauchen?

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#75 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von ThomasM » Do 3. Sep 2015, 16:49

Pluto hat geschrieben: So können wir bspw. die Frage stellen, ob das römische Reich existierte und welche Ausmaße es hatte, und dann jede Menge Artefakte finden, die dessen Ausbreitung bestätigen.
Gut, dann gebe ich dir für dieses Beispiel ein Beispiel aus der Theologie.
Man kann die Frage stellen, ob der 1. Kor. Brief von Paulus stammt. Und wird viele sprachliche und inhaltliche Hinweise finden, dass das wohl der Fall ist.
Also scheint Theologie doch eine Wissenschaft zu sein, genauso wie Geschichtswissenschaft eine Wissenschaft ist.

Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Würdest du z.B. sagen, dass die Aussage:
"Zwei parallele Geraden haben keinen Schnittpunkt" falsifizierbar ist?
Diese Aufgabe überlasse ich gerne den Mathematikern.
Das ist Feigheit, Pluto.
Du sollst die Aussage ja nicht falssifizieren, sondern mir nur sagen, ob du sie als falsifizierbare Aussage ansiehst, also ob du Mathematik als Wissenschaft ansiehst.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#76 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Münek » Do 3. Sep 2015, 18:14

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die kanonische Hermeneutik setzt als Prämisse eine übernatürliche, d.h. göttliche Inspiriertheit
der biblischen Texte, einen Plan Gottes.
Damit hat sie den Boden der Wissenschaft verlassen.
Übernatürlichkeit wird auch bei der kanonischen Hermeneutik nicht wissenschaftlich untersucht. -

Wie sollte das auch gehen? Nein, die Existenz Gottes sowie die Gottessohnschaft Jesu werden als Prämisse gesetzt.

Auf einer solchen hermeneutischen Glaubensbasis kann keine wissenschaftliche Exegese betrieben werden.
Da wäre in etwa so, als wollte man Astrophysik auf der Annahme betreiben, Gott sei der Schöpfer des Univer-
sums.

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Andreas
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#77 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Andreas » Do 3. Sep 2015, 18:45

Münek hat geschrieben:Die Frage, ob die in den Evangelien wörtlich dokumentierte Botschaft Jesu, seine mündliche Verkündigung, seine Predigt- und Gleichnisworte, authentisch sind, d.h. von ihm tatsächlich gesprochen worden sind oder ob ihm die "Ankündigung des nahen Gottesreiches", seine Mahnung
der Umkehr, sein Appell an seine Landsleute, dieser Botschaft zu glauben, sein Missionsauftrag an die 70 Jünger usw., von Urchristen oder den Evangelisten nachträglich in den Mund gelegt wurden, ist eine historische Frage.
Das ist keine Frage, das ist längst geklärt. Die ganze Bibel AT und NT gibt das wieder, was die Autoren ausdrücken wollen - was denn sonst?

Die HKM klammert bei ihrer Arbeit "Mephisto" und "Gott" nicht aus, nur weil beide nicht als historische Personen nachweisbar sind.

Ihr stellt es immer so dar, als würde sich das "Historisch" in HKM auf die Wirklichkeit der beschriebenen Inhalte beziehen und das "Kritisch" in HKM diese Wirklichkeit kritisch untersuchen.

Das Gleiche macht ihr mit den Begriffen "Wissenschaft" und "Forschung", wenn ihr vom Konsens in der "wissenschaftlichen NT-Forschung" redet, um zu suggerieren, dass dabei selbstverständlich herauskommen würde, dass "Gott" ein "wissenschaftliches" Spaghettimonster sei und Jesus sich geirrt haben müsste, weil die Welt nicht mit Pauken und Trompeten an ihr Ende gekommen ist.
Falls sich jemand geirrt hätte, wären es maximal die Autoren - falls man sie so und nur so interpretieren müsste. Da gibt es aber weite Spielräume und deswegen mit Sicherheit keinen Konsens.

Die HKM untersucht historische Texte unter anderem mit Textkritik bzw. Literarkritik. Außerdem untersucht sie das historisch greifbare Umfeld zur Zeit der Abfassung der Texte und versucht unter anderem zu verstehen, was die Verfasser, aus ihrem historischen Kontext verstanden, gemeint haben könnten und wie die damaligen Leser diese Texte verstanden haben könnten.

Es geht bei der wissenschaftlichen Exegese nicht um die Existenz Gottes, bei der kanonischen Exegese übrigens auch nicht, denn das lässt sich ohnehin nicht beweisen oder irgendwie auslegen - sondern nur glauben. Es geht in jedem Fall nur um die Interpretation des Textes. Auch bei der wissenschaftlichen Exegese kommt ein "Gottesbild" heraus und nicht Apfelstrudel, weil die Bibel nunmal kein Kochbuch ist.

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#78 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Pluto » Do 3. Sep 2015, 19:18

Andreas hat geschrieben:Ihr stellt es immer so dar, als würde sich das "Historisch" in HKM auf die Wirklichkeit der beschriebenen Inhalte beziehen und das "Kritisch" in HKM diese Wirklichkeit kritisch untersuchen.
Was wäre denn deiner Meinung nach das richtige Vorgehen?

Andreas hat geschrieben:Das Gleiche macht ihr mit den Begriffen "Wissenschaft" und "Forschung", wenn ihr vom Konsens in der "wissenschaftlichen NT-Forschung" redet, um zu suggerieren, dass ... Jesus sich geirrt haben müsste, weil die Welt nicht mit Pauken und Trompeten an ihr Ende gekommen ist.
...und sie dreht sich immer noch... ;)

Andreas hat geschrieben:Falls sich jemand geirrt hätte, wären es maximal die Autoren - falls man sie so und nur so interpretieren müsste. Da gibt es aber weite Spielräume und deswegen mit Sicherheit keinen Konsens.
Also... was einige Bibelstellen betrifft gibt es keine Spielräume. Mt. 10,23 oder Mk. 13,30 sind da ziemlich eindeutig, in der Berichterstattung.
Und es gibt immer noch jede Menge Christen, die deiner Interpretation (es waren die Autoren) nicht zustimmen.

Andreas hat geschrieben:Die HKM untersucht historische Texte unter anderem mit Textkritik bzw. Literarkritik. Außerdem untersucht sie das historisch greifbare Umfeld zur Zeit der Abfassung der Texte und versucht unter anderem zu verstehen, was die Verfasser, aus ihrem historischen Kontext verstanden, gemeint haben könnten und wie die damaligen Leser diese Texte verstanden haben könnten.
... und zu welchem Schluss kommt die HKM?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#79 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von closs » Do 3. Sep 2015, 19:31

Pluto hat geschrieben:Was wäre denn deiner Meinung nach das richtige Vorgehen?
Sorry, Andreas, wenn ich dazwischen-senfe:

Lieber Pluto: Aus meiner Sicht ist das nicht die Frage - es geht vielmehr darum, dass sich "kanonisch" in gleicher Weise auf die Wirklichkeit beschriebener Inhalte bezieht wie "kritisch". - Vergiss nicht: Die HKM ist Grundlage auch des kanonischen Zugangs - nur dass letzterer weiter interpretiert, da er qua Perspektive weiter interpretieren darf/kann.

Pluto hat geschrieben: was einige Bibelstellen betrifft gibt es keine Spielräume
Das gilt für BEIDE Seiten - dieser Weg funktioniert nicht.

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Andreas
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#80 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Andreas » Do 3. Sep 2015, 19:34

Pluto hat geschrieben:Was wäre denn deiner Meinung nach das richtige Vorgehen?
Na das, was die HKM macht.
Die HKM untersucht historische Texte unter anderem mit Textkritik bzw. Literarkritik. Außerdem untersucht sie das historisch greifbare Umfeld zur Zeit der Abfassung der Texte und versucht unter anderem zu verstehen, was die Verfasser, aus ihrem historischen Kontext verstanden, gemeint haben könnten und wie die damaligen Leser diese Texte verstanden haben könnten.
Pluto hat geschrieben:...und sie dreht sich immer noch...
Daran wird die Auslegung von Büchern auch nichts ändern.
Pluto hat geschrieben:Also... was einige Bibelstellen betrifft gibt es keine Spielräume. Mt. 10,23 oder Mk. 13,30 sind da ziemlich eindeutig, in der Berichterstattung.
Zu Mt 10,23 (aus der Sicht Homer Simpsons)
Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere. Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschensohn kommt.
Nach der Auferstehung kam Jesus (der Menschensohn) zu seinen Jüngern. Da waren die Jünger noch nicht mit den Städten Israels zum Ende gekommen.

Was ist an meiner Interpretation deiner Meinung nach falsch?

Pluto hat geschrieben:Und es gibt immer noch jede Menge Christen, die deiner Interpretation (es waren die Autoren) nicht zustimmen.
Das hat mit unterschiedlichen Auslegungen nix zu tun, ob man an Gott glaubt oder nicht.

Pluto hat geschrieben:... und zu welchem Schluss kommt die HKM?
Zu gar keinem - was die Existenz Gottes angeht. Das ist eine Meinung mehr, ein Gottesbild mehr. Davon gibt es viele. In jedem Leser der Bibel entsteht ein anderes, je nach dem wie er den Text versteht. Die Gottesbilder die mittels der HKM entstehen, sind wissenschaftlich korrekt begründet - das ist alles. Gott ist mit keinem Gottesbild fassbar, beweisbar, widerlegbar.

Ob man an Gott glaubt oder nicht ist ein ganz anderes Thema.

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