Andreas hat geschrieben:
Die Christliche Lehre glaubt, dass das Gewissen von Gott im Menschen angelegt wurde - Ebenbildlichkeit.
Ist zwar jetzt nicht weiter wichtig für die Argumentation, aber von diesem Punkt der "Christlichen Lehre" habe ich auch noch nie gehört.
Aber es ist gut möglich, dass manche das als Weiterentwicklung des Christentums inzwischen so sehen, und dagegen habe ich nichts.
Ganz im Gegenteil: das ist das einzig wirklich Gute am Christentum, dass es sich entwickelt, dass Menschen sich das rausholen, was sie akzeptieren und anderes aussortieren.
Ob das Gewissen tatsächlich von Natur aus vorhanden ist, halte ich noch für umstritten. Ich sehe es zu deutlich, wie das Gewissen durch Erziehung gebildet wird.
Dennoch gibt ein Etwas in mir dieser Aussage Recht: Wenn man sich von dem anerzogenen Gewissen befreit - und das geht bis zu einem gewissen Grad -, dann wird man sensibler für das Recht der anderen, inklusive Mücken...
Aber ich nenne das eben nicht Gott, weil das ein viel zu enger Begriff ist, der vieles erstickt und auch vieles ersticken will. Jeder will dann Gott gerne definieren, und schwupps, hat man mittels dieser Definition Macht über andere, wie schön.
Von der Sache her aber halte ich es für möglich, dass virtuell im Menschen ein Gespür dafür da ist, was für Rechte alle Lebewesen haben.
Andreas hat geschrieben:(Meine Privatmeinung ist, dass auch die von Gott gewollte Erkenntnisfähigkeit von Gut und Böse oder besser "dessen was gut ist für den Menschen" und "dessen was schlecht ist für den Menschen" dazu gehört.)
In dieser Formulierung ist mir das zu plump, und darum lehne ich es ab. Ich würde es auch als Christ ablehnen, denn es spielt letztlich keine Rolle, welches Etikett man sich aufdrückt.
Es ist eben nicht klar, was gut und was böse ist, weil der Mensch praktisch immer zwischen zwei Übeln entscheiden muss. Soll ich meine Eltern verlassen, damit ich mich selber finden kann - und damit meine Eltern vielleicht in die Verzweiflung treibe - oder soll ich meiner Bestimmung folgen und, was erfinde ich jetzt mal, Sängerin werden und mich weit weg von meinen Eltern engagieren lassen?
Solche Fragen stellen sich ständig im Leben, einfach weil man seelisch nicht gesunden kann, wenn man seiner Berufung nicht folgt, andererseits damit viel Leid bei anderen schafft.
Andreas hat geschrieben:Du bist ja nicht Christ Savonlinna und glaubst nicht daran.
An was glaube ich nicht?
Glaubst Du auch, dass Nicht-Christen verrohte Typen sind, während die Christen die Feinfühligen sind?
Andreas hat geschrieben:Dennoch kann man so verstanden doch sagen, dass das Gewissen universal im diesseitigen Menschen angelegt und wirksam ist - vom jenseitigen oder transzendentalen Gott.
Das kann man so formulieren, aber diese Formulierung hat eben keinen Anspruch auf Universalität.
Da steckt ja sozusagen jede Menge Kleingedrucktes noch drin, das man im Sack heimlich mitverkaufen will.
Das Diesseitige und das Jenseitige ist Teil eines jeden Menschen, es ist mit ihm geboren.
Mir ist jeder Christ willkommen, der das mit seinen Worten auch sagen will.
Legt er aber Wert darauf, dass nur die christliche Begrifflichkeit Universalität beanspruchen kann, dann folge ich dem nicht.
Andreas hat geschrieben:Das meint closs, wenn er von der ontologischen Differenz spricht. Sofern ich ihn richtig verstanden habe. Darum geht es im Christentum doch auch, oder nich?
Jetzt bin ich überfragt. "Ontologische Differenz" wird von closs oft gesagt, aber ich kann damit nichts anfangen.
Wurde das in den letzten Beiträgen wieder erwähnt? - die habe ich jetzt nicht gelesen.
Ich sehe in solchen Begriffen einen Versuch, irgendein System zu bauen, in dem alles aufgeht.
Aber es geht eben nichts im Leben auf. Wenn ich zwischen dem Wunsch meiner Eltern und dem Bedürfnis nach Selbstwerdung entscheiden muss, dann wird man je nach Situation mal das eine, mal das andere in Kauf nehmen. "Schuldig" macht man sich in jedem Fall.
Der Mensch trägt den Auftrag in sich, sich selber zu indivdiualisieren, und er trägt den Auftrag in sich, sich mit allen Lebenwesen dieser Erde zu vernetzen und so das Interesse der Gesamtheit mitzurealisieren.
Das wird in jeder Sekunde unseres Lebens gleichzeitig vorangetrieben und gleichzeitig verletzt.
Die Begriffe "gut-böse" oder auch "gut-schlecht" können diese Schwierigkeit nicht abbilden. Es ist alles und jedes stets gleichzeitig gut und schlecht.
Das muss man lernen auszuhalten. Man kann daran manchmal fast zerbrechen.