Abtreibungsverbot unethisch?

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Savonlinna
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#151 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Savonlinna » Mo 24. Aug 2015, 12:03

Rembremerding hat geschrieben: In der Mystik kann man mit Gott nur eins werden, wenn man zuvor mit sich eins ist, also all seine Fehler und Vorzüge erkennt und akzeptiert.
Das scheint mir auch so zu sein. Die Mystik versteht einiges mehr als Christen, die diese nicht kennen oder verstehen.

Rembremerding hat geschrieben:Diese Selbstverwirklichung betrifft also nicht den eigenen Willen, der den eigenen Emotionen folgt, sondern den eigenen Willen, welcher der Vernunft folgt, die von einem liebenden Gott und der Liebe geprägt ist.
Hier folge ich Dir nicht, und hier folge ich auch closs nicht.

Es gibt keinen separaten "eigenen Willen". Der Mensch hat nur einen einzigen Willen, und seine Emotionen sind nicht eingeteilt in solche, die einem Egoismus entspringen und solchen, die das nicht sind.
Entweder sind ALLE Willensäußerungen, ALLE Emotionen ein Weg hin zu dem, was Ihr als "Gott" bezeichnet, oder keines von allen.
Das übrigens verstehe nun ich als Mystik.

Rembremerding
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#152 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Rembremerding » Mo 24. Aug 2015, 12:23

Savonlinna hat geschrieben:Es gibt keinen separaten "eigenen Willen". Der Mensch hat nur einen einzigen Willen, und seine Emotionen sind nicht eingeteilt in solche, die einem Egoismus entspringen und solchen, die das nicht sind.
Entweder sind ALLE Willensäußerungen, ALLE Emotionen ein Weg hin zu dem, was Ihr als "Gott" bezeichnet, oder keines von allen.
Das übrigens verstehe nun ich als Mystik.
Nein, das ist nicht Mystik, weder im christlichen oder buddhistischen Sinn. Es gibt tatsächlich nur einen einzigen Willen, aber in jedem Augenblick die Möglichkeit einer Willensäußerung zu folgen oder nicht.
Beispielsweise Hass und Unversöhnlichkeit ist ein Gefühl, eine Emotion, vielleicht sogar schon ein Verlangen. Stimme ich ihr zu und lebe sie, bleibt der Weg zu Gott verschlossen, weil der Mensch ein Beziehungswesen ist, das Liebe benötigt. In dieser Emotion stellt mein Wille (Teil meines Wesens) sich gegen mein ganzes Wesen, es wird geteilt, geschieden, sündig (um den Wortsinn fortzuführen).
Im Hass oder in der selbstsüchtigen Gier kann man sich nicht einem liebenden Gott mystisch nähern, weil sich Gegensätze abstoßen.
Allerdings lässt uns Gott in dieser Teilung, Sündhaftigkeit nicht allein, dafür sandte er seinen Sohn und den Hl. Geist.
Es geht also aus christlicher Sicht nicht darum negative Emotionen abzustellen (hier trennt sich der Weg vom Buddhismus), sondern ihnen letztendlich nicht zuzustimmen, indem man seinen Willen hier in die Hand Gottes gibt, der sie positiv in Liebe verwandelt.
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Savonlinna
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#153 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Savonlinna » Mo 24. Aug 2015, 12:44

Rembremerding hat geschrieben: Beispielsweise Hass und Unversöhnlichkeit ist ein Gefühl, eine Emotion, vielleicht sogar schon ein Verlangen.
Ich weiß nicht, wie GENAU Du Tolkien kennst.
Aber seine Größe sehe ich darin, dass er - vor allem im Silmarillion-Komplex - immer und immer wieder (mythische) Menschen geschaffen hat, deren Hass aus dem Verlangen, das Göttliche zu erreichen und daran zu scheitern, entstanden ist.
Das ist die menschliche Tragödie.

Es ist genau der Sprung zwischen "etwas sein" und es nicht sein können - und darum etwas "haben wollen".
Melkor - Satan nachempfunden - wird von Tolkien so beschrieben, dass er den Silmaril - einen Stein, in dem das göttliche Licht eingefangen ist - in sener Hand krampfhaft festhält, obwohl er seine Hand verbrennt. Er kann von dem Licht nicht lassen, auch wenn es ihm Qualen bereitet.

Natürlich ist Hass, wenn man in ihm verharrt, selbstzerstörerisch. Aber er ist von der Substanz her die Sehnsucht nach Licht.
Wenn man das durchschaut, kann man vom Hass lassen. Er ist, wie alles im Menschen, im Kern konstruktiv.
Bei Tolkien verbietet der oberste Gott - Eru - dem Melkor die Entwicklung seiner Gaben. Eru macht ihm klar, dass nur er der Boss ist. Das, was aber mittels Eru in Melkor angelegt ist, wird an seiner Entwicklung verboten.
Daraus resultiert Melkors Hass.

Darin sehe ich eine Beschreibung, was in einer religiösen Kultur falsch läuft: Hie Gott - da Mensch. Der Mensch soll klein bleiben, und das, was in ihm das sprengen möchte, wird künstlich kleingehalten.
Das führt zu Hass. Das ist, als wenn man einen Menschen lebenslang in einen Kerker einsperrt, wo er nur geduckt sitzen kann.
Der daraus resultierende Hass ist insofern konstruktiv, als er dieses Geduckte nicht bejaht, rebellisch ist.
Wenn der Hass aber als einziges bleibt - statt den Kerker zu öffnen -, wird er destruktiv.

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#154 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Rembremerding » Mo 24. Aug 2015, 13:08

Savonlinna hat geschrieben:
Natürlich ist Hass, wenn man in ihm verharrt, selbstzerstörerisch. Aber er ist von der Substanz her die Sehnsucht nach Licht.
Wenn man das durchschaut, kann man vom Hass lassen. Er ist, wie alles im Menschen, im Kern konstruktiv.
Aber genau das ist es doch: Hass wird als Leid empfunden und dies kann zum Impuls werden sich der Liebe (in Gott) zu nähern.
Bei Tolkien verbietet der oberste Gott - Eru - dem Melkor die Entwicklung seiner Gaben. Eru macht ihm klar, dass nur er der Boss ist. Das, was aber mittels Eru in Melkor angelegt ist, wird an seiner Entwicklung verboten.
Daraus resultiert Melkors Hass.
Und hier ist einer der Punkte, warum ich unlängst schrieb, dass Tolkien christliche Allegorien verneint. Der christliche Gott ist ein liebender Gott, der aufgrund seiner Allmächtigkeit schwach sein kann. Vinzenz Pallotti ruft aus: "Gott, Du machst Dich zum Narren Deiner Liebe"
Hass resultiert aus Selbstsucht, Stolz, mangelnder Versöhnlichkeit. Der Hass ist Resultat einer falschen Selbstliebe. Die Liebe will sich verschenken. Darum hilft Gott den Menschen dadurch, dass er sein eigenes Wesen, die Liebe erkennt und allein für diese seine Energie zu verwenden und nicht für zerstörerischen Hass. Es ist also falsch seinen Hass als gegeben hinzunehmen und seine Energie dafür zu verschwenden, sondern sich seinem Wesen als Wesen der Liebe zu stellen. Es geht also viel tiefer.
Darin sehe ich eine Beschreibung, was in einer religiösen Kultur falsch läuft: Hie Gott - da Mensch. Der Mensch soll klein bleiben, und das, was in ihm das sprengen möchte, wird künstlich kleingehalten.
Du beschreibst hier eine Leistungsreligion, die ständig etwas erreichen will, was sie nicht erreichen kann, ja gar nicht erreichen soll. Dies mag tatsächlich einem falschen Gottesbild zugrunde liegen, dass über Jahrhunderte vorherrschte und auch heute noch einige Sekten bevorzugen. Aber genau das ist christlicher Glaube doch gar nicht. Es geht in ihm einzig allein um persönliche Beziehung. In Liebe zu sich und dem Nächsten und in Glaube und Liebe zum persönlichen Gott. Man fragt sich natürlich: Wie kann ich etwas lieben, dass ich nicht sehe (und kenne). Und genau hier greift die persönliche Erfahrung mit Gott. Sie ist individuell und einzigartig und für den Gläubigen real. Sie jemand anders zu erklären ist so, als verlange ich von Dir, Du sollst mir Deine Liebe zu Deinem Partner "erklären".
Das ist, als wenn man einen Menschen lebenslang in einen Kerker einsperrt, wo er nur geduckt sitzen kann.
Der daraus resultierende Hass ist insofern konstruktiv, als er dieses Geduckte nicht bejaht, rebellisch ist.
Wenn der Hass aber als einziges bleibt - statt den Kerker zu öffnen -, wird er destruktiv
Und genau darum kam Jesus Christus: Um uns in die Freiheit zu führen. Die Kerkertür ist seit 2000 Jahren offen, man muss wagen an seiner Hand hinauszugehen.
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sven23
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#155 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von sven23 » Do 27. Aug 2015, 19:49

closs hat geschrieben: Eine Schwangeren-Beratung hat zum Ziel, dass die potentielle Mutter kurz-, mittel-, langfristig nicht in Widerspruch mit sich selbst gerät. - Dies geschieht dadurch, dass man sagt: "Schau in Dich hinein und überprüfe, ob Du mit einer Abtreibung oder mit dem Austragen kurz-, mittel-, langfristig in Widerspruch mit Dir selbst gerätst". - Das reicht - wer will, kann dies "christlich" nennen.
Man sollte die Haltung der Kirche nicht verhamlosen, denn die Kirche betrachtet den Schwangerschaftsabbruch immer noch als eine schwere Sünde.
"Die katholische Kirche lehnt die direkte Tötung eines unschuldigen Menschens immer ab und bezeichnet Abtreibung als ein "verabscheuungswürdiges Verbrechen" (II. Vatikanum)"
Quelle: Kathpedia

closs hat geschrieben: Die Frage wäre hier allenfalls, ob der Katholizismus hilfreich zum Verständnis ist. - Wie auch immer: Der Katholizismus wäre im besten Fall eine Gebrauchsanleitung, aber nicht die Sache selbst.
Eine Gebrauchsanweisung, die von einem chinesischen Übersetzungsprogramm geschrieben wurde.
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#156 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von sven23 » Do 27. Aug 2015, 20:00

ThomasM hat geschrieben: Staatsrechliche Ethik mit der Individualethik des Themas Abtreibung zu vermischen, ist ziemlich willkürlich.
Richtig, es hat nichts mit Abtreibung direkt zu tun, sondern war nur eine Replik auf die Behauptung, Gott würde das Töten von Unschuldigen verurteilen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#157 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von sven23 » Do 27. Aug 2015, 20:06

Savonlinna hat geschrieben: Du willst anderen einsuggerieren, dass dieser Gott existiert und dass das ein böser Gott ist.
Schlechte Nummer.
.
Nein, wie schon gesagt, war das nur eine Replik auf die Behauptung, daß Gott das Töten von Unschuldigen verurteilt.
Das ist doch das immer wieder aufkommende Dilemma, daß man einem angeblich gütigen und liebenden Gott zutraut, die geamte Schöpfung in einer Flut zu ersäufen, incl. unschuldiger Kinder und Säuglinge.
Das Angebot, daß eine weltweite Sintflut in der in der Bibel beschriebenen Form gar nicht stattgefunden haben kann, wird von vielen regelmäßig empört ausgeschlagen. Im Gegenteil, verteidigen sie den Genozid als gerechtfertigt, da der Mensch ja so furchtbar sündig war.
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closs
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#158 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von closs » Do 27. Aug 2015, 22:24

sven23 hat geschrieben:"Die katholische Kirche lehnt die direkte Tötung eines unschuldigen Menschens immer ab und bezeichnet Abtreibung als ein "verabscheuungswürdiges Verbrechen" (II. Vatikanum)"
Ist der Urtext in Deutsch? - Mich würde die lateinische Version interessieren.

"Verbrechen" finde ich gar nicht gut - "Sünde" im fundamentalten Sinne wäre besser.

sven23 hat geschrieben:Man sollte die Haltung der Kirche nicht verhamlosen
Man muss zwischen Fundamental-Theologie und Pastorale unterscheiden. - Die seelsorgerische Realität findet in der Pastorale statt - und da geht es um Ermutigung und Trotzdem-Helfen, auch wenn es nicht gelingt.

Catholic
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#159 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Catholic » Do 27. Aug 2015, 22:35

Closs,ich denke das Wesentliche ist das,was ich hier hervorhebe.
"Die katholische Kirche lehnt die direkte Tötung eines unschuldigen Menschens immer ab."

Pluto
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#160 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Pluto » Do 27. Aug 2015, 23:48

Catholic hat geschrieben:Closs,ich denke das Wesentliche ist das,was ich hier hervorhebe.
"Die katholische Kirche lehnt die direkte Tötung eines unschuldigen Menschens immer ab."
Der wirklichen Frage stellt sich aber die rkK nicht: Ab wann IST ein Mensch.
Ihre Weigerungshaltung zeigt sie besonders gut mit dem Kondomverbot.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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