Dieser Darstellung kann ich in dieser Allgemeinheit durchaus zustimmen, aber das löst das Problem nicht, sondern es verlagert es nur.Savonlinna hat geschrieben: Ich kopiere mal einen Teil davon hier rüber:
Das heißt: die Grundlage für alle Wissenschaften, auch die Naturwissenschaften, ist die Sprache, und damit wird "Wirklichkeit" in ALLEN Wissenschaften problematisiert, und das ist etwas Gemeinsames, das ins Bewusstsein gehoben werden kann und von den heutigen Wissenschaftstheoretikern auch ins Bewusstsein gehoben WIRD.Hans Poser hat geschrieben:Nun bestimmt aber die Sprache in gewissem Umfang das, was wir als Wirklichkeit bezeichnen. Dieses Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit ist für die Wissenschaften von fundamentaler Bedeutung, weil Wissenschaften ihre Gegenstände sprachlich erfassen und ihre Resultate sprachlich, in Aussagen und Theorien, niederlegen. Deshalb muss jetzt schon deutlich werden, welcher Art die Probleme sind, die sich daraus ergeben, dass die wissenschaftliche Wrklichkeit immer auch eine sprachlich gefasste Wirklichkeit ist.
Hans Poser, Wissenchaftstheorie. Eine Philsophische Einführung, Stuttgart (Reclam), überarbeitet und erweitert 2012, Seite 32f
1. Sprache ist nicht gleich Sprache
Man kann Mathematik als Sprache definieren, als Sprache mit einer eindeutigen, logischen Struktur. Damit wäre der Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft auf diesen Umstand zurückgeführt.
Naturwissenschaftliche Phänomene sind solche, die sich mit einer logisch strukturierten, eindeutigen Sprache beschreiben lassen. Die meisten Geisteswissenschaftlichen Phänomene können so nicht behandelt werden. Hier gibt es auch einen engen Bezug zur Messbarkeit
Aber auch bei den "normalen" Sprachen gibt es große Unterschiede. Die Sprachentwicklung beim Menschen geschieht in den ersten Lebensjahren (vermutlich beginnend im Mutterleib). Sprache und Denken sind eng verknüpft. So gibt es Sprachen, die manche Umstände viel besser darstellen oder beschreiben können als andere. Z.B. habe ich gelesen, dass die Inuit ca 30 verschiedene Begriffe für Eis kennen. Damit sind sie viel besser in der Lage, arktische Landschaften zu beschreiben als meinetwegen ein Deutscher. Letzterer würde vermutlich nicht begreifen, welchen Unterschied ein Inuit mit zwei Ausdrücken von Eis macht. Also kann er der wissenschaftlichen Darstellung nicht folgen, er ist "vernagelt"
2. Sprache ist anpassbar
Die Sprache ist kein gesetztes Ding. Haben wir ein neues Phänomen, muss man eine neue Sprache entwickeln. Das sieht man an vielen Beispielen aus der Mathematik. Das ist auf der einen Seite gut und wichtig. Aber diese Formbarkeit der Sprache kann auch missbraucht werden.
So habe ich im Managementbereich sehr oft Beispiele gesehen, in denen mit Sprache Schindluder getrieben wurde. Es ging nicht darum, etwas wahrhaftig darzustellen, sondern den Zuhörer zu manipulieren.
Dieses "manipulieren mit Sprache" ist auch in den Wissenschaften gang und gäbe. Mein Sohn studiert Germanistik und gerade in diesem Gebiet ist es usus, viele Worte um Nichts zu machen.
3. Sprache ist nicht gleich begreifen
Sehen wir ein neues Phänomen (oder geben vor, etwas Neues gesehen zu haben), dann erfinden wir einen neuen Begriff. Aber das heisst noch lange nicht, dass wir auch verstehen, was das bedeutet, was das ausmacht. Sprache allein genügt nicht, es muss noch etwas dazu kommen. Was zu oft fehlt.
4. Sprecher und Hörer sind unterschiedlich
Wenn jemand etwas sprachlich formuliert, dann heißt das noch lange nicht, dass der Hörer das versteht, was formuliert wurde. Eher im Gegenteil. Das behindert die Intersubjektivität, die meines Erachtens bei Wissenschaft unumgänglich ist (sonst wäre es keine Wissenschaft, sondern eine persönliche Anschauung).
Intersubjektivität muss bedeuten, diesen persönlichen Kontext, in dem Verstehen entsteht, zu minimieren oder ebenfalls klarzustellen. Was zu oft in einen Zirkel führt, weil die sprachliche Darstellung des Kontextes wieder einen Kontext erfordert usw.