Rembremerding hat geschrieben:Wurde die Kirche bis Konstantin verfolgt, kämpfte sie danach darum nicht vom Staat vereinnahmt zu werden.
Pauschal würde ich Dir da NICHT zustimmen.
Es ist sehr wohl richtig, dass die Kirche immer darum gekämpft hat, nicht vom Staat vereinnahmt zu werden - die Krönung dazu war der Investiturstreit. - Andererseits hat es die Kirche immer geschafft, ihr materielles Interesse wahrzunehmen, also weltliche Macht auszuüben.
Was wäre die Alternative gewesen? - Die Antwort darauf ist theoretisch genauso einfach wie sie praktisch unmöglich ist - nämlich: Die Kirche hätte sich als reiner Betverein aus dem weltlichen Getriebe heraushalten können. - Und weil dies praktisch unmöglich war, war die Kirche immer im Spannungsfeld zwischen dem "Reich Gottes" und dem "Fürstentum der Welt" - eine einzigartige Konstellation.
Rembremerding hat geschrieben:Es ist eine der tückischen Fallen im Rückblick auf historische Ereignisse, wenn man sie mit heutigen Normen oder Blickwinkeln betrachtet.
Zustimmung.
Rembremerding hat geschrieben:Was wird man in 500 Jahren von unserer Generation sagen, die im Überfluss lebend, Strukturen schafft, damit Flüchtlinge im Meer ertrinken können? Die, trotz Reichtum und große Wohnungen, ihre Großeltern in Heime abgibt und Eltern nicht mehr für fähig hält ihre Kinder zu erziehen? Die Natur als Ver- und Gebrauchsgegenstand betrachten?
Das ist genau der Punkt - und wäre eine gute Vorlage für einen Roman.
Man stelle sich vor, man würde dann Helmut Schmidt als Massenmörder bezeichnen, weil nachweisbar in seiner Regierungszeit die Indikationsregelung mit straffreiem Schwangerschaftsabbruch fällt. - Oder Helmut Kohl, der als christlich-demokratischer Regierungschef diese Regelung nicht revidiert hat. - Man würde dann in 500 Jahren rückwirkend ermitteln, wieviele Indikations-Abtreibungen stattgefunden haben und dementsprechend ein hartes Urteil fällen. - Aus heutiger Sicht wäre eine solche Beurteilung undenkbar.
Rembremerding hat geschrieben:Hoffen wir darauf, dass in Zukunft mildere Zeitgenossen über unser atheistisches und kapitalistisches System urteilen werden und differenzierend auch die Vorzüge und Umstände dieser Zeit erkennen.
Die wird es geben - und die gibt es auch heute schon. - Aber dazu müsste man sich selber de-ideologisieren, was offenbar sehr schwer fällt.