Münek hat geschrieben:Halman hat geschrieben: So eindeutig, wie Du es darstellst, ist die Aussage aber keineswegs. Dass die Leute Jesus für den Sohn Josephs hielten, bedeutet nicht, dass er dessen leiblicher Sohn war.
In der Tat. Für Lukas war er es jedenfalls nicht (Jungfrauengeburt, geistgezeugt, Sohn Gottes). Deshalb formulierte der Evangelist
es so, wie man es nachlesen kann und deshalb gebrauchte ich oben in Bezug auf Josef den Begriff "Stiefvater".
Okay.
Münek hat geschrieben:Aber darum geht es nicht. Du hattest in Abrede gestellt, dass Lukas im Gegensatz zu Matthäus die Vorfahren Josefs aufzählt. So steht es aber wortwörtlich in seinem Evangelium. Die Bibelstelle habe ich zitiert. Das wollte ich lediglich klarstellen.
Danke für die Klarstellung, lieber Münek. Dies wäre eine Interpertationsmöglichkeit. Doch die Genialogie von Lukas unterscheidet sich von der matthäischen u.a. bezüglich ihres Ausgangspunktes.
Bei Matthäus führt der Stammbaum von Abraham hin zu Joseph, der dann Maria heiratete, von der Jesus geboren wurde. Der Evangelist drückt sich hier sehr klar und eindeutig aus.
Doch bei Lukas beginnt der Stammbaum nicht bei Joseph, sondern bei
Jesus *, daher gehe ich davon aus, dass hier im Gegensatz zu Matthäus die Vorfahren von Jesus aufgeführt werden. In der etwas genaueren
Schlachter-Bibel heißt es:
Luk 3:23-24:
23 Und
Jesus war ungefähr 30 Jahre alt, als er begann; er
war, wie man meinte,
ein Sohn Josephs,² 24
des Eli, des Matthat, des Levi, des Melchi, des Janna, des Joseph,
In diesem Fall ist die
Schlachterbibel genauer als die
Elberfelder oder die
Einheitsübersetzung. Die blau markierten Wörter bilden meiner Meinung nach einen Sinnzusammenhang, gem. dem Jesus hier als der leibliche Enkelsohn von Eli dargestellt wird. Stimmst Du damit überein? Falls nicht, so stellt sich m. E. die Frage, warum Lukas sein Geschlechtsregister mit Jesus beginnt und nicht mit Joseph.
Die Interpretation, dass Jesus hier als der leibliche Sohn Josephs und Jospeh als der leibliche Sohn Elis dargestellt wird, wäre natürlich auch noch möglich (welche wir Beide, wenn ich Dich recht verstanden habe, ausgeschlossen haben), doch in dem fall müsste man Widersprüche zu
Luk 1:35 u.
Luk 3:22 konstatieren.
Der Evangelist beherrschte die altgriechische Sprache hervorragend und berichtete im Stile eines antiken Historikers und schrieb das längste und komplexeste Evangelium. Ich halte es nicht für glaubhaft, dass im so peinliche Widersprüche unterlaufen sein sollen, denn sowohl aus der berühmten "Weinachtsgeschichte", so auch aus
Luk 2:49 geht hervor, dass "Lukas" uns Jesus als den Sohn des himmlischen VATERS und Marias verkündet. Im Vers direkt vor der Genialogie wird dies von GOTT aus dem Himmel selbst noch mal bestätigt.
Die logische Frage ist also: Wer ist Eli?
Wenn Du im altgriechischem Grundtext der
Interlinear-Übersetzung schaust, möchte ich Dich auf Lukas' Verwendung des bestimmten Artikels
του aufmerksam machen, welches "Lukas" konsequent vor jedem Vorfahren verwendet, bis hin zu του θεου (des Gottes). Natürlich war Adam ein Sohn Gottes, doch sehe ich hier auch eine geschickte Anspielung des Evangelisten auf die Gottessohnschaft Jesu³, Beginn und Abschluss der Genialogie deuten also darauf hin, dass hier von Jesu leiblichen Vorfahren die Rede ist.
Bezüglich Joseph weicht "Lukas" jedoch davon ab und verzichtet auf den Artikel του, es heißt schlicht: "υιος ιωσηφ" (Sohn Josephs), aber του ηλι (des Eli).
Freilich könnte man auch argumentieren, dass "Lukas" natürlich bei Jesus begann, weil er ja Hauptthema des Evangeliums ist, aber er dennoch eigentlich Josephs Stammbaum aufführt, doch diese Interpretation überezeugt mich nicht, denn schließlich wurde der Genealogie die lukanische Kindheitsgeschichte vorangestellt ist, gem. der Joseph nicht der leibliche Vater Jesu ist.
In dem Geschlechtsregister verwendet "Lukas" die Wendung "ων ως ενομιζετο" (
"oh-sei hos enomizeto"). Dies bedeutet in etwa:
"war so wie [man] annahm." Soweit ich [bei aller Bescheidenheit herausfinden] konnte, ist der Begriff á¼Î½Î¿Î¼Î¯Î¶ÎµÏ„ο verwandt mit νομίζω (
nomizó) und hat die Bedeutung von
meinen oder
annehmen.
Auf die Wendung ""ων ως ενομιζετο" folgt direkt "υιος ιωσηφ" (
Sohn Josephs) ohne bestimmten Artikel. Die Vorväter werden hingegen mit dem bestimmten Artikel του (
des) genannt.
Die Genealogie ist genau genommen eine andere Textgattung als der erzählerische Kontext und erfüllt gewissermaßen die Funktion eines "rechtlichen Dokuments" (ähnlich wie Pauli Zeugenliste im 1. Korintherbrief 15). Dass der [Schwieger]Sohn Joseph anstelle von Maria als Sohn des Eli (oder Hẹli) genannt wird, trägt - dies ist meine Meinung - dem spätantiken Kulturkreis Rechnung (s.
Frédéric L. Godet).
Zitat von Frédéric Louis Godet (1812-1900):
"This study of the text in detail leads us in this way to admit 1. That the genealogical register of Luke is that of Heli, the grandfather of Jesus; 2. That, this affiliation of Jesus by Heli being expressly opposed to His affiliation by Joseph, the document which he has preserved for us can be nothing else in his view than the genealogy of Jesus through Mary. But why does not Luke name Mary, and why pass immediately from Jesus to His grandfather? Ancient sentiment did not comport with the mention of the mother as the genealogical link. Among the Greeks a man was the son of his father, not of his mother; and among the Jews the adage was: 'Genus matris non vocatur genus ( "The descendant of the mother is not called (her) descendant")' ('Baba bathra,' 110, a)."
*
Die lukanische Genialogie läft rückwärts, die matthäische - vorwärts.
²
Viele Ausleger sehen in dem folgenden Geschlechtsregister die leibliche Abstammung Jesu über Maria bezeugt, während in Mt 1,1-17 die Abstammung Josephs dargestellt wird, als dessen rechtlicher Erbe der Herr von der menschlichen Seite her Anspruch auf den Thron Davids hat. (Die Fussnote der Schlachter-Bibel favorisiert offenbar eine andere Erklärung, als die der Einheitsbibel.)
³Abschließend noch ein Gedanke zur Jesu Gottessohnschaft. Nach christlichem Verständnis unterscheidet sie sich von der anderer Gottessöhne durch ihre Einzigartikeit. Das Bemerkenswerte an Jesus ist, dass er als ὠμονογενης υιος (
ho monogenḗs hyiós), d.h.
"der einziggezeugte Sohn", bezeichnet wird, was seine Einzigartigkeit hervorhebt. In Joh 1:18 wird er gem. Papyri P^
75 u. P^
66 sogar als ὠμονογενης θεός (
ho monogenḗs theós), "der einziggezeugte Gott", betitelt. [Laut anderen Textzeugen steht dort μονογενὴς υἱός (
monogenḗs hyiós), d.h.
"einziggezeugter Sohn".]