Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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sven23
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#921 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Fr 7. Aug 2015, 18:02

closs hat geschrieben:Dann müsste ich seitenweise zurückscrollen - das ist mir zuviel Arbeit. - Es gibt diese von Foristen vorgelegten Zitate in diesem Thread oder im Parusie-Thread.
Muß man nicht, dafür gibt es die Suchfunktion.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#922 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 7. Aug 2015, 18:29

Pluto hat geschrieben:m Alltagsgespräch kann man diese Aussagen doch ziemlich gleich interpretieren, nämlich, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass der in der Bibel beschriebene Jesus durchaus eine Naherwartung hatte.
Das ist genau das Problem: Du überträgst vom Modell auf die Wirklichkeit, als sei das selbstverständlich - es gibt aber nur eine Wirklichkeit, aber viele Modelle.

Wenn Du recht hättest, müsste man pro Modell eine Wirklichkeit schaffen.

Anton B. hat geschrieben: Wenn, dann geht es um empirische/nicht-empirische Wissenschaft.
Ist besser so - ja.

Anton B. hat geschrieben: Und je nach Struktur, der Kohärenz mit anderem Wissen usw. wird es zu zeitgenössischem wissenschaftlichen Wissen.
Positivistisch-hermeneutisch und kanonisch-hermeneutisch gibt es aber unterschiedliche Kohärenzen - insofern kann es unterschiedliches zeitgenössisches Wissen zum selben Thema geben - modell-bedingt bzw. perspektiven-bedingt.

Pluto
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#923 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Fr 7. Aug 2015, 18:34

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:m Alltagsgespräch kann man diese Aussagen doch ziemlich gleich interpretieren, nämlich, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass der in der Bibel beschriebene Jesus durchaus eine Naherwartung hatte.
Das ist genau das Problem
Ein sehr theoretisches Problem, was in der Alltagspraxis gar nicht wahrgenommen wird.

closs hat geschrieben:Positivistisch-hermeneutisch und kanonisch-hermeneutisch gibt es aber unterschiedliche Kohärenzen - insofern kann es unterschiedliches zeitgenössisches Wissen zum selben Thema geben - modell-bedingt bzw. perspektiven-bedingt.
Ja. Aber wenn eines der Modelle falsifizierbar ist, und das andere nicht, welchem soll man dann vertrauen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#924 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 7. Aug 2015, 18:47

Pluto hat geschrieben:Aber wenn eines der Modelle falsifizierbar ist, und das andere nicht, welchem soll man dann vertrauen?
Es gibt kein falsifizierbares Modell in der Frage der Parusie-Erwartung - es gibt unterschiedliche Deutungen aufgrund unterschiedlicher Modelle/Perspektiven. -

So ist bspw. die Perspektive und Argumente der Positivisten in dieser Frage wie auch deren Schlussfolgerung nachvollziehbar - aber eben bei anderer Perspektive UND auf Basis derselben HKM-Erkenntnisse nicht möglich.

Falsifizierbare Modelle sind in der Geisteswissenschaft Mangelware.

Anton B.
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#925 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Fr 7. Aug 2015, 18:48

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Positivistisch-hermeneutisch und kanonisch-hermeneutisch gibt es aber unterschiedliche Kohärenzen - insofern kann es unterschiedliches zeitgenössisches Wissen zum selben Thema geben - modell-bedingt bzw. perspektiven-bedingt.
Ja. Aber wenn eines der Modelle falsifizierbar ist, und das andere nicht, welchem soll man dann vertrauen?
Wenn es nicht dem Kriterium der Falsifizierbarkeit genügt, ist es kein wissenschaftliches Modell der empirischen Wissenschaften. Das ist unser heutiger Wissensstand innerhalb der Wissenschaftstheorie, der sich wiederum auf die Untersuchungen Poppers hinsichtlich des Abgrenzungskriteriums stützt. Umgangssprachlich wird sowas als Pseudowissenschaft bezeichnet.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Pluto
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#926 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Fr 7. Aug 2015, 19:02

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber wenn eines der Modelle falsifizierbar ist, und das andere nicht, welchem soll man dann vertrauen?
Es gibt kein falsifizierbares Modell in der Frage der Parusie-Erwartung...
Aber natürlich gibt es solche wissenschaftliche falsi/verifizierbare textkritische Modelle.

Man kann z. Bsp. das Modell erstellen, dass es bei Jesus eine Naherwartung gab und diese Vorhersage des Modells mit den Inhalten der Bibel vergleichen. Und siehe da... das Modell wird immer wieder in der hlg. Schrift bestätigt.
Z. Bsp.
Matthäus 10,7
Lukas 24,21
1. Korinther 7,29

Sicher gibt es spätere Aussagen im NT die der Naherwartung Jesus' widersprechen, aber das war lange nach der Kreuzigung, als man merkte, dass es vielleicht doch etwas länger dauern würde.

closs hat geschrieben:Falsifizierbare Modelle sind in der Geisteswissenschaft Mangelware.
Genauer gesagt, es gibt keine.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#927 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Fr 7. Aug 2015, 19:32

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Und je nach Struktur, der Kohärenz mit anderem Wissen usw. wird es zu zeitgenössischem wissenschaftlichen Wissen.
Positivistisch-hermeneutisch und kanonisch-hermeneutisch gibt es aber unterschiedliche Kohärenzen - insofern kann es unterschiedliches zeitgenössisches Wissen zum selben Thema geben - modell-bedingt bzw. perspektiven-bedingt.
Von mir aus. Aber korrekt wollen wir es dann ein "Ergebnis" nennen, und keinesfalls "Wissen". Zumindest nicht als Wissen im Sinne von wissenschaftlichem Wissen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Andreas
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#928 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Andreas » Fr 7. Aug 2015, 19:56

Pluto hat geschrieben:Wer soll denn die Erkenntnisse auslegen? Doch wohl kaum Spirituelle, oder?
Es wäre absurd den Sinn eines Buches das von Gott handelt theologisch erfassen zu wollen. Spirituelle Texte sollten auf keinen Fall von spirituellen Menschen ausgelegt werden. Anhänger des evolutionären Humanismus bieten die Gewähr dafür, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse der Historisch-Kritischen-Methode keinesfalls spirituell ausgelegt werden.

Kubitza ist Mitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels und gehört dem Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung an, deren Mitbegründer und Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon ist. Dieser sieht sich auch als Mitglied der Brights-Bewegung. Gibt es bessere Garanten dafür, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse der Historisch-Kritischen-Methodik, nicht ideologisch kontaminiert ausgelegt werden? Eine feindliche Übernahme der Päpstlichen Bibelkommission ist im Gespräch. Das Kartellamt prüft derzeit den Fall.

Unterdessen ist das Strohmannargument "Historisch-Kritische-Methodik"="Wissenschaftliche Methodik" längst auf dem Scheiterhaufen der Vernunft zu Asche geworden.

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closs hat geschrieben:Es gibt kein falsifizierbares Modell in der Frage der Parusie-Erwartung...
Pluto hat geschrieben: Aber natürlich gibt es solche wissenschaftliche falsi/verifizierbare textkritische Modelle.
Es gibt sie also ...
closs hat geschrieben:Falsifizierbare Modelle sind in der Geisteswissenschaft Mangelware.
Pluto hat geschrieben:Genauer gesagt, es gibt keine.
Es gibt sie doch nicht ...

Fürs menschliche Auge ging das zu schnell. Die präzise Technik dieses Salto mortale erkennt man erst in der Zeitlupe:
Falls das Ergebnis ist: Jesus hatte eine Naherwartung - gibt es sie die falsi/verifizierbaren textkritischen Modelle.
Falls das Ergebnis ist: Jesus hatte keine Naherwartung - gibt es keine falsi/verifizierbaren textkritischen Modelle.

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Scrypt0n
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#929 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Scrypt0n » Fr 7. Aug 2015, 20:16

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:m Alltagsgespräch kann man diese Aussagen doch ziemlich gleich interpretieren, nämlich, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass der in der Bibel beschriebene Jesus durchaus eine Naherwartung hatte.
Das ist genau das Problem: Du überträgst vom Modell auf die Wirklichkeit
Aufgrund vieler innerbiblischen Darlegungen, welche NICHT in deinem Sinne interpretiert werden können, ist die Wahrscheinlichkeit tatsächlich hoch, dass es so war.

Auch wenn dir das nicht schmeckt.
Einige Verse widersprechen dir und lassen sich nicht in deinem Sinne auslegen.
Du kannst lediglich auf Verse verweisen, die du in deinem Sinne auslegen kannst - die selben kann man jedoch auch für deine gegenteilige Position auslegen.

Das Problem: Bei deiner Auslegung kommt es zu Widersprüchen mit den anderen.
Da kommst du nicht drum herum. Warum gehst du auf diesen Umstand nicht ein?
:)


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