Anton B. hat geschrieben:Wo ist das eine geistiger als das andere?
Die Einstellung vom GröFaZ zu bestimmten Religionsgruppen kann man aus unterschiedlichsten, voneinander unabhängigen Quellen beleuchten. - Insofern gibt es viel objektivierbares und gegenseitig abgleichbares Material - und vor allem: Es gibt auch Taten, die damit korreliert werden können - etwa Verordnungen zulasten verschiedener Religionsgruppen. - Damit kennt man geistig immer noch nicht die innere Einstellung des GröFAZ - aber man kann seine Deutung plausibel vertreten UND man kann vor allem anderen Deutungs-Versionen sachlich entgegentreten.
Schwieriger wäre es, wenn das Thema nur in Goebbels' Tagebüchern und SChriften einiger SS-Größen behandelt wäre. - Denn dann müsste man fragen, ob die Quellen eigenes Interesse hatten, um etwas so darzustellen. - Weiterhin müsste man fragen (wenn es so wäre), warum es keine Gesetze oder Verordnungen im Sinne einer Einstellung gäbe. - Am Ende käme heraus: "Es gibt Quellen, die dieses oder jenes behaupten - diese Quellen können glaubwürdig sein, werden aber nicht gestützt durch Handlungen des Betroffenen. Was der Betroffene wirklich geistig gedacht hat, können wir nur dann erschließen, wenn die Quellen zutreffend berichten. - Ob sie das tun, wissen wir nicht".
Bei der Parusie ist es noch schwieriger: Keine unabhängigen Quellen - deutliche Hinweise auf Fehl-Verständnis der Schreiber - deutliche Hinweise auf Fehl-Verständnis unserer Zeit - trotzdem ist die Möglichkeit vertretbar, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Ob es geistig (also in seiner Wirklichkeit) so war, wissen wir nicht. - Deshalb ist der Satz "Jesus hatte eine "äußere" Naherwartung" im Sinne einer Tatsachen-Behauptung wissenschaftlich nicht möglich. - Sähest Du das anders?
Anton B. hat geschrieben:Wo liegt der prinzipielle Unterschied?
Zunächst: Wenn es am Ende um das geht, was wirklich im Kopf eines Betroffenen vorging, ist es wirklich nicht falsifizierbar. - Trotzdem gibt es einen wesentlichen Unterschied wie oben beschrieben (unabhängige Quellen, etc).
Dann müsste man aber historisch-kritisch noch einen Schritt weitergehen und die Quellen prüfen. - Und wenn eine Quelle dafür bekannt war, dass sie gelogen hat (aus welchen Motiven auch immer), wäre dies zu berücksichtigen - das gehört AUCH zur HKM.
Analog müsste man im Parusie-Fall erkennen, dass es einen Motivstrang vom Äußerlichen zum Innerlichen gitb (steht alles in der Bibel) und dass Gott/Jesus im AT/NT immer wieder feststellt, dass er nicht verstanden wird (weil die Menschen noch nicht so weit sind) - das gehört AUCH zur HKM, soweit die Bibeltexte als Teil der HKM verstanden werden. - Oder schiebe es meinetwegen von der HKM zur Exegese - wo da die scharfe Grenze zwischen beiden sein soll, ist mir nicht bekannt - vielleicht weißt Du's besser.
Wenn nun am Ende der eine NT-Wissenschaftler trotzdem sagt "Jesus hatte eine eigene Naherwartung" ist dies NICHT falsifizierbar (es sei denn im Sinne des eigenen Modells, also fiktiv) - jedenfalls lässt sich nicht falsifizieren, ob Jesus WIRKLICH eine Naherwartung hatte oder nicht.
Anton B. hat geschrieben:Auf dem Suhlen in methodischen Fragestellungen basiert aber die ganze Wissenschaftspraxis.
In dem Moment, in dem das "Davor" nicht kontaminiert ist, ist das ja ok. - Wenn ein Naturwissenschaftler fragt "Wie hoch ist die Lichtgeschwindigkeit?" oder "Was ist das für ein Mineral?" gibt es keine kontaminierten "Davors".
Nochmal: Es gibt einen Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft. - Nach Deiner Definition ist es schwer, den Begriff "Geisteswissenschaft" aufrecht zu erhalten, WENN damit übers Handwerkliche hinaus Schlussfolgerungen verbunden sind.
Anton B. hat geschrieben:Hört sich nach dem allgemeinsten Argument seit Erfindung von Diskussion an: Ich habe Recht!
Nicht ganz: Es erinnert daran, dass wir hier reden können, was wir wollen, und die normative Kraft des Faktischen unabhängig davon zuschlägt.
