closs hat geschrieben:Es gibt bei Spangenberg zur Sache keine Behauptungen (soweit ich gelesen habe) - es ging mir um die Analyse, die sehr sauber ist und das OBJEKTIVE Dilemma einer HKM-Untersuchung offenlegt. - Spangenberg äußerst sich hier NICHT inhaltlich (pro pder contra Naherwartung). - Lies mal so ab S. 87 ff (Herrlichkeit des neuen Bundes).
Hier noch ein paar Exegeten, die Bultmann kritisch gegenüber standen:
Da war gleich sein Schüler Ernst Käsemann, der bereits im Oktober 1953, nun selbst Professor, seinem Lehrer widersprach. So äußerte sich Käsemann zur Bergpredigt:
“Tatsächlich gehören diese Worte zum Erstaunlichsten in den Evangelien überhaupt... Entscheidend ist jedoch, daß mit dem Ich aber sage eine Autorität beansprucht wird, welche neben und gegen diejenige des Moses tritt. Wer aber Autorität neben und gegen Moses beansprucht, hat sich faktisch über Moses gestellt und aufgehört, ein Rabbi zu sein, dem ja immer nur von Moses abgeleitete Autorität zukommt. Daß sich Rabbinen gegeneinander mit solchem Ich aber sage abgrenzen, ist nur eine formale Parallele, weil hier eben nicht ein anderer Rabbi, sondern die Schrift und Moses selber das Gegenüber bilden. Dazu gibt es keine Parallelen auf jüdischem Boden und kann es nicht geben. Denn der Jude, der tut, was hier geschieht, hat sich aus dem Verband des Judentums gelöst oder... ist der Messias. Denn auch der Prophet steht nicht neben, sondern unter Moses. Die Unerhörtheit des Wortes bezeugt seine Echtheit... Die einzige Kategorie, die seinem Anspruch gerecht wird, ist... die des Messias.â€
(Vortrag “Das Problem des historischen Jesus†1953, Uni Tübingen)
Käsemann beweist, dass wegen ihrer hohen, unerbittlichen Strenge die Sätze weder religionsgeschichtlich vom Heidentum abgeleitet, noch formgeschichtlich für Produkte der Urgemeinde gehalten werden können. Aber sie spiegeln eindeutig den Ernst des erwarteten Gerichtes wider. Darum gehören sie zum eschatologisch-endzeitlichen Drittel der Evangelien. Und gerade dort kann Käsemann mit Recht zeigen, wie sehr Bultmann im Unrecht ist, wenn er behauptet, diese Schicht sei so sehr auf Zukunft bedacht, dass sie uns nichts über die Gegenwart Jesu berichten könne. Das Gegenteil ist der Fall: In messianischer Hoheit tritt ganz klar hervor.
Harald Riesenfeld war 1958 in der schwedischen Schule für Bibelwissenschaft in Uppsala. Gegen Bultmann sagte er damals bereits:
Im Judentum, auch zur Zeit Jesu, wurden Aussagen führender Schriftgelehrter so sehr als “heilige Worte†angesehen, daß sie unverändert bleiben mußten und nur in diesem Zustand weiter überliefert werden durften. Hätte daher die christliche Gemeinde Aussprüche geschaffen und erst dann in Jesu Mund gelegt, wäre sie durch ein solches Handeln beim leisesten Verdacht auf seiten ihrer hochintelligenten und genau prüfenden Gegner unglaubwürdig und damit unmöglich geworden. Die streng gebotene Gewissenhaftigkeit bei überkommenen Aussagen war im Falle Jesu umso strenger geboten, als allem, was er äußerte, wegen seines Anspruches messianischer Charakter zugesprochen werden mußte. (aus Gerhard Delling, Studien zum Neuen Testament und zum hellenistischen Judentum, Göttingen 1970). Riesenfeld war damals Protestant.
Ein weiterer Exeget, der die Grenzen der HKM recht früh erkannt hat, ist der 1977 verstorbene Neutestamentler Joachim Jeremias. Siehe etwa: Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen 1967. Zwingend konnte der Göttinger Gelehrte nachweisen, dass sämtliche gebrauchten Begriffe wie Handlungen ergeben, das letzte Abendmahl habe nichts mit einem hellenistisch-heidnisch magischen Ritual zu tun. Es komme zur Gänze aus der Gedankenwelt des Alten Bundes.
Der Exeget Jürgen Roloff schrieb 1970 in Göttingen "Das Kerygma und der irdische Jesus". Darin zeigte er u. a. auf, dass die Probleme, um welche es in den von den Evangelisten berichteten Auseinandersetzungen mit Schriftgelehrten und Pharisäern ging, gar nicht, wie die formgeschichtlichen Untersuchungen Bullmanns voraussetzten, in die Zeit der werdenden Kirche, sondern einzig in die Jahre des Wirkens Jesu passen.
Der Ordinarius für Religionswissenschaft in Göttingen Carsten Colpe widerlegt 1961 die von Bultmann behauptete Mythologisierung durch heidnisch-hellenistische Anschauungen (Die religionsgeschichtliche Schule, Göttingen 1961).
Martin Hegel war Nachfolger Käsemanns auf den Lehrstuhl in Tübingen. Auch er widerlegt Bultmann und seine Folgerungen seiner Methode der HKM.
Siehe dann noch beispielhaft Leonhard Goppelt, 1973 verstorben (in postum: Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1975/76).
Und, und, und.
Auf Bultmann bauen jüngere HKM-Forscher auf. Oftmals kann eben aus Irrtum nur Irrtum hervorgehen (wobei etwa auch Jeremias und Goppelt bei anderen Themen irrten).
Daraus erschließt sich, dass das Ende der vormaligen HKM schon längst war. Eben seit 2006 werden auch die modernen Fragestellungen Ratzingers, die Vernunft und Glaube als Eckpfeiler der HKM betrachten, mit einbezogen, denn die HKM ist ja nicht schlecht.
Servus
