Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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Halman
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#281 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Halman » So 19. Jul 2015, 19:19

Münek hat geschrieben:Ich habe zwei Jahre lang den Katechumen- und den Konfirmandenunterricht besucht. Unser Pastor Pfeifer
schien von der neutestamentlichen Forschung und ihren Ergebnissen nie etwas gehört zu haben.
Darf ich fragen, wann es war? Die HKM gilt meines Wissens seit ca. 50-60 Jahren als Standard und sickerte wohl erst langsam durch. In meiner Stadt kenne ich zwei evangelische Kirchen, die so unterschiedlich sind wie zwei verschiedene Konfessionen. Die eine Kirche ist recht konzervativ und bibeltreu, aber auch recht engagiert, was soziale Hilfen angeht (Kleiderspende); in der anderenn Kirche tritt der Pastor mehr als Theologie und Wissennschaftler auf und setzt die HKM als selbstverständliche Grundlage voraus.
In der katholischen Kirche mögen die Mühlen noch langsamer mahlen, doch die HKM ist inzwischen allgemein Standard. Sie beeinflusst österliche SPIEGEL-Artikel, TV-Sendungen und Websides.
Bibelwissenschaft.de ist ein gutes Beispiel für seriöse Aufklärung. Leider gibt es auf diesem Gebiet auch viel populärwissenschaftliches Blah-Blah in Zeitschriften und erwähnten TV-Sendungen und natürlich einseitige Kritik von hier so beliebten aber keineswegs unabhängigen Vertretern der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs).
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#282 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 19. Jul 2015, 19:31

sven23 hat geschrieben:Ich glaube nicht, daß so etwas in konservativen/fundamentalen Bibelkursen diskutiert wird.
Da hast Du ein falsches Bild.

sven23 hat geschrieben:Es scheint aber immer noch nicht angekommen zu sein, daß NT-Forschung diese Kriterien erfüllen muß. Welche "andere" NT-Forschung hast du im Sinn, die den Namen verdient?
Dazu mehr bei meiner Antwort auf Plutos Beitrag.

Pluto hat geschrieben:Ich kann aus (b) nicht erkennen, dass man man überhaupt etwas über die zeitgenössische Rezeption schließen kann. Das gibt gibt die HK nicht her.
Und damit sind wir beim Kern des Problem und der Frage, was HKM eigentlich ist.

Entweder man definiert HKM so, dass darin übergreifender Kontext miteinbezogen ist (bspw. Zitate im Sinne meiner zwei Punkte) - dann ist (b) möglich. - Oder man definiert HKM so, dass man lediglich den unmittelbaren Kontext berücksichtigt - dann ist (b) in der Tat NICHT möglich. - Beide Versionen sind aus meiner Sicht vertretbar - müssen aber bei einer Untersuchung erkennbar gemacht werden.

So wie ich es vom Studium kenne, wurde damals HKM sehr übergreifend verstanden:
1) Anspruchsvolle Fleißarbeit (nicht abfällig gemeint) in Bezug auf Text-Datierung, lingustische Belange, historisches Umfeld, etc.
2) Interpretations-Arbeit in Bezug auf Tradition, Rezeption, etc.

Durch 2) war eine Interpretation im Sinne von (b) möglich, ja sogar nötig (wir hätten den Hintern versohlt bekommen, wenn wir mit 1) aufgehört hätten). - Trotzdem: Man kann es auch bei 1) belassen - dann darf man aber nicht über 1) hinaus interpretieren - und genau das scheint das Problem in unserem hier lang-diskutierten Fall der Fall zu sein.

Pluto hat geschrieben:Hatte Jesus demzufolge sowohl eineiInnere als auch eine äußere Naherwartung?
Nach 1) ja - nach 2) nein. - Und das kann nicht befriedigend sein - es sei denn, man sagt ganz bewusst: Unter der Perspektive 1) kommt "dieses" raus - unter Perspektive 2) kommte "jenes" raus.

Genau so wird es hier aber NICHT vermittelt - Augstein fasst (in einem hier geposteten Text) Behauptungen zusammen, die Tatsachen-Charakter in Anspruch nehmen, obwohl sie nur den Kriterien von 1) entsprechen (zumindestens wird dieser dringende Verdacht trotz mehrmaligem Nachfragens nicht entkräftet). - Mit dem (fälschlichen) Anschein einer wissenschaftlichen Tatsachen-Behauptung handelt es sich somit nicht mehr um wissenschaftliche Aussagen, sondern um weltanschauliche Aussagen. - Und damit wird aus meiner Sicht die HKM diskreditiert - die kann sich nämlich nicht wehren.

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sven23
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#283 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 19. Jul 2015, 19:43

closs hat geschrieben:Nach 1) ja - nach 2) nein. - Und das kann nicht befriedigend sein - es sei denn, man sagt ganz bewusst: Unter der Perspektive 1) kommt "dieses" raus - unter Perspektive 2) kommte "jenes" raus.
Einspruch. Du ignorierst mal wieder, daß das innere Gottesreich als innere Gottesgegenwart sehr wohl schon thematisiert wurde. Du ignorierst weiterhin, daß diese seit Weiss/Schweizter von der äußeren, ereignishaften unterschieden wurde und heute mehrheitlich als zentrale Botschaft in der Verkündigung Jesu angesehen wird.
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#284 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 19. Jul 2015, 19:51

sven23 hat geschrieben: Du ignorierst weiterhin, daß diese seit Weiss/Schweizter von der äußeren, ereignishaften unterschieden wurde und heute mehrheitlich als zentrale Botschaft in der Verkündigung Jesu angesehen wird.
Unterscheiden die jeweiligen Schreiber ebenfalls dementsprechend?

Davon abgesehen: Es gibt theologisch natürlich AUCH eine äußere Erwartung - aber die ist nicht nah und bezieht sich auf die Offb. - wenn alles Beschriebene "durch" ist bis zum Ende der "Weltzeit".

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sven23
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#285 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 19. Jul 2015, 20:06

closs hat geschrieben:Unterscheiden die jeweiligen Schreiber ebenfalls dementsprechend?
Ja natürlich, das Versuche ich doch seit gefühlten 3000 Seiten zu vermitteln.
Es wäre doch höchst unprofessionell und methodisch inkorrekt, wenn man solche Texte nicht berücksichtigen würde.
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#286 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 19. Jul 2015, 20:51

sven23 hat geschrieben:Es wäre doch höchst unprofessionell und methodisch inkorrekt, wenn man solche Texte nicht berücksichtigen würde.
Meine Frage war, ob in jeweils EINEM Text zwischen Naherwartung und Fernerwartung unterschieden wird.

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sven23
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#287 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 19. Jul 2015, 20:53

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es wäre doch höchst unprofessionell und methodisch inkorrekt, wenn man solche Texte nicht berücksichtigen würde.
Meine Frage war, ob in jeweils EINEM Text zwischen Naherwartung und Fernerwartung unterschieden wird.
Ja logisch, das war doch gerade der frühere Steitpunkt in der HKM.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#288 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 19. Jul 2015, 20:57

sven23 hat geschrieben: das war doch gerade der frühere Steitpunkt in der HKM.
Bisher wurden nur Texte zitiert, bei denen der Schreiber diese Unterscheidung innerhalb seines Textes NICHT gemacht hat. - Aber vielleicht gibt es das ja - würde mich interessieren.

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Münek
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#289 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » So 19. Jul 2015, 21:12

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das wird doch von niemandem - außer Dir - ernsthaft bezweifelt.
Die christliche Theologie bezweifelt das

WO? :o Der von Dir befragte Pastor Heinrich Heinrichsen repräsentiert nicht DIE Theologie. :lol:

Und belegen kannst Du Deine Behauptung auch nicht. Mit der Präsentation von Belegen scheinst Du
überhaupt die allergrößten Schwierigkeiten zu haben. Da kommt einfach so gut wie nix. Schwach!

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Münek
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#290 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » So 19. Jul 2015, 21:23

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich habe zwei Jahre lang den Katechumen- und den Konfirmandenunterricht besucht. Unser Pastor Pfeifer
schien von der neutestamentlichen Forschung und ihren Ergebnissen nie etwas gehört zu haben.
Darf ich fragen, wann es war? Die HKM gilt meines Wissens seit ca. 50-60 Jahren als Standard und sickerte wohl erst langsam durch.

Das war in den Jahren 1962/63 n.Chr.

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