Pluto hat geschrieben: Aber einen ganzen Wissenschaftszweig in Misskredit stellen zu wollen, halte ich für übertrieben.
Das wäre nicht nur übertrieben, sondern sogar inakzeptabel. - Es stellt keiner die HKM in Frage, sondern deren weltanschauliche Kontaminierung durch Agnostiker/Atheisten.
Pluto hat geschrieben:Wenn etwas historisch/archäologisch einwandfrei festgestellt wurde, was gibt es da noch zu interpretieren?
Viel. - Nehmen wir unser eingeführtes Beispiel "Parusie":
Wissenschaftlich wird man bspw. im Sinne der HKM sagen können:
* Text x ist nicht vor 80 n.Chr. entstanden (das sagen Handschriftforscher und Linguisten)
* Der Schreiber zitiert Jesus als jemand, der eine äußere Naherwartung hatte ("Das Reich Gottes ist nahe")
* Im 1. Jh. gab es eine weitverbreitete äußere Naherwartung
Diese 3 ausgesuchten Aussagen wird von der NT-Forschung (egal ob atheistisch oder christlich) einvernehmlich anerkannt.
Jetzt kommen die Interpretationen:
(a) Die Textlage zeigt uns in Verbindung mit historischen Kenntnissen, dass Jesus selbst eine äußere Naherwartung hatte.
(b) Die Textlage zeigt und in Verbindung mit korrespondierenden AT-/NT-Motiven, dass Jesus eine innere Naherwartung predigte, die aber aufgrund der zeitgenössischen geistigen Formatierung falsch rezipiert wurde.
(a) und (b) sind völlig unterschiedliche Interpretationen, obwohl die historisch-kritische Beobachtungslage exakt diesselbe ist. - Beide Interpretationen sind weltanschaulich geprägt. - Die Lösung des Problems: Man präsentiert seine Schlussfolgerungen nur zusammen mit den Bedingungen, unter denen sie zustande kommen:
(a) FALLS man unmittelbare textliche und historische Erkenntnisse zum Maßstab macht und eine Fehl-Rezeption des Schreibers ausschließt, hatte Jesus eine eigene äußere Naherwartung. - Dies ist aus meiner Sicht ein sauberer wissenschaftlicher Satz.
(b) FALLS man die das die Bibel durchziehenden Motive des "inneren Gottesreichs" (seit Salomo) und des "Der Mensch versteht Gott nicht" berücksichtigt, hatte Jesus keine äußere Naherwartung des Gottes-Reiches, sondern ein inneres Wissen desselben. - Auch das wäre wissenschaftlich sauber formuliert.