Homöopathie III

Ethik und Moral
Medizin & Krankheit
Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#1211 Re: Homöopathie III

Beitrag von Janina » Fr 10. Jul 2015, 13:33

sven23 hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Interessanter Artikel: Der Satz "Wer heilt hat recht" ist Quatsch.
http://derstandard.at/2000018659912/Alt ... -hat-recht
Dem Artikel kann man nur zustimmen.
Zitat daraus:
"Wir Menschen neigen dazu, Dinge, die zeitlich kurz hintereinander stattgefunden haben, automatisch in eine Ursache-Wirkung-Beziehung zu stellen."
Das ist exakt das, was ich hier experimentell gezeigt habe: Der Mensch ist sensorisch nicht in der Lage, Kausalität zu erkennen. Und selbst ausgewachsene Wissenschaftler unterliegen dabei im Alltag einer Täuschung.

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#1212 Re: Homöopathie III

Beitrag von barbara » Sa 11. Jul 2015, 13:38

Janina hat geschrieben:Interessanter Artikel: Der Satz "Wer heilt hat recht" ist Quatsch.
http://derstandard.at/2000018659912/Alt ... -hat-recht

nicht dort, wo es darum geht, dass Leute Beschwerden haben, und die gern loswerden möchten. Das wichtigste ist der Mensch, und nicht, dass irgendwelche Theorien oder Formalismen um ihrer selbst willen erfüllt werden. Wenn ich was habe, und ich muss um Mitternacht beim Dorfbrunnen den Kopfstand machen und "alle meine Entlein" dabei singen, und die Beschwerden sind dann weg, dann mach ich das weiterhin - und dabei ist mir übrigens völlig egal, welches Detail oder welche Kombination von Details in welcher Reihenfolge genau die Kausalkette bilden. Ich will bloss die Beschwerden weg haben, und fertig!

Ich wär ja auch mal sehr gespannt darauf, wie viel von der Schulmedizin noch übrig bleiben würde, wenn an sie dieselben strengen Standards und dieselbe Hardcoreskepsis angelegt würde, wie ihr das hier mit den Homöopathen so unermüdlich durchexerziert. Vermutlich auch nur noch homöpathisch kleine Dosen an wirklich Sinnvollem. :silent:

gruss, barbara

piscator
Beiträge: 4771
Registriert: So 21. Apr 2013, 11:18
Wohnort: Großraum Stuttgart

#1213 Re: Homöopathie III

Beitrag von piscator » Sa 11. Jul 2015, 13:51

Ich wär ja auch mal sehr gespannt darauf, wie viel von der Schulmedizin noch übrig bleiben würde, wenn an sie dieselben strengen Standards und dieselbe Hardcoreskepsis angelegt würde, wie ihr das hier mit den Homöopathen so unermüdlich durchexerziert. Vermutlich auch nur noch homöpathisch kleine Dosen an wirklich Sinnvollem. :silent:
Das kann ich mir nicht vorstellen. Meine Mutter ist inzwischen 88 Jahre alt, mein Vater fast 90 Jahre. Beide würden schon lange nicht mehr leben, wenn sie statt zum Arzt oder ins Krankenhaus zu irgendeinem Homöopathiekasper gegangen wären. Natürlich ist das eine rein subjektive Aussage, die lediglich auf meine persönlichen Erfahrungen beruht. Übrigens lebt von meiner früher zahlreichen älteren Verwandtschaft (jünger als meine Eltern) kein Mensch mehr und da sind viele nur zum Homöopathen oder Heiler gegangen und haben alles gefressen und gesoffen, was an alternativen Tees, Pülverchen und sonstigen (teuren) Mittelchen auf dem Markt war.
Meine Beiträge als Moderator schreibe ich in grün.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1214 Re: Homöopathie III

Beitrag von sven23 » Sa 11. Jul 2015, 17:10

piscator hat geschrieben: Übrigens lebt von meiner früher zahlreichen älteren Verwandtschaft (jünger als meine Eltern) kein Mensch mehr und da sind viele nur zum Homöopathen oder Heiler gegangen und haben alles gefressen und gesoffen, was an alternativen Tees, Pülverchen und sonstigen (teuren) Mittelchen auf dem Markt war.
Sehe ich genau so. Die größte Gefahr der Homöopathie oder generell sog. alternativen Heilmethoden besteht in der Unterlassung einer evidenzbasierten Medizin.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

piscator
Beiträge: 4771
Registriert: So 21. Apr 2013, 11:18
Wohnort: Großraum Stuttgart

#1215 Re: Homöopathie III

Beitrag von piscator » Sa 11. Jul 2015, 17:46

sven23 hat geschrieben:Sehe ich genau so. Die größte Gefahr der Homöopathie oder generell sog. alternativen Heilmethoden besteht in der Unterlassung einer evidenzbasierten Medizin.
Eine ältere Cousine musste sogar mal für eine gewisse Zeit in eine Klinik zur Entgiftung. Die hatte jahrelang alles an frei verfügbarer, alternativer Medizin gefressen, das in den einschlägigen Eso-Heftchen so angepriesen wurde.
Ich habe sie dann mal bei einer Familienfeier - als sie versuchte, das Essen auszupendeln :shock: - gefragt, ob man nach ihren Tod ihren Körper ein paar Jahre in Gorleben zwischenlagern muss oder gleich an Thyssen oder Siemens verkaufen kann, um daraus seltene Rohstoffe zu gewinnen.
Die war natürlich für ein paar Tage lang schwer beleidigt, aber das war nur gerecht, sie ist vorher allen Menschen mit ihren abartigen Gesundheitstipps schwer auf die Nerven gegangen.
Inzwischen hat sie dem ganzen Schmonzes abgeschworen und lebt als 75-jährige froh und munter. :thumbup:
Meine Beiträge als Moderator schreibe ich in grün.

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#1216 Re: Homöopathie III

Beitrag von barbara » Sa 11. Jul 2015, 19:26

Hygienethemen, Unfälle, akut lebensbedrohliche Situationen - darin ist die Schulmedizin sehr gut. In den Bereichen gibt es ja auch routinemässig sehr hohe Erfolgsquoten.

und für den Rest... nun, da gibt's durchaus auch noch Erfolge bei den Symptombehandlungen (Diabetes, Herz-Kreislauf), durch die Pille hat die Medizin der Emanzipation der Frau einen riesigen Schub gegeben, und das war gut, aber beim ganzen grossen Rest gibt es nicht nur die Erfolge, sondern auch Schattenseiten - teils grosse, schwerwiegende Schattenseiten.

gruss, barbara

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#1217 Re: Homöopathie III

Beitrag von Janina » Sa 11. Jul 2015, 23:56

barbara hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Interessanter Artikel: Der Satz "Wer heilt hat recht" ist Quatsch.
http://derstandard.at/2000018659912/Alt ... -hat-recht
nicht dort, wo es darum geht, dass Leute Beschwerden haben, und die gern loswerden möchten.
Gerade dort!

barbara hat geschrieben:Ich wär ja auch mal sehr gespannt darauf, wie viel von der Schulmedizin noch übrig bleiben würde, wenn an sie dieselben strengen Standards und dieselbe Hardcoreskepsis angelegt würde
Exakt das was sie ist. Dadurch ist sie ja definiert.

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#1218 Re: Homöopathie III

Beitrag von barbara » So 12. Jul 2015, 06:15

Janina hat geschrieben:
barbara hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Interessanter Artikel: Der Satz "Wer heilt hat recht" ist Quatsch.
http://derstandard.at/2000018659912/Alt ... -hat-recht
nicht dort, wo es darum geht, dass Leute Beschwerden haben, und die gern loswerden möchten.
Gerade dort!

Gerade dort, wo es um Menschen gheht, sollen die Resultate irrelevant sein? Der Satz "wer heilt, hat recht" bezieht sich ja auf die Resultate. Und nicht darauf, dass man die Kausalketten korrekt benennen kann. Kausalketten benennen können ist ein nettes Spiel, aber letztendlich für die klinische Arbeit wenig relevant. Wenn Korrelationen zuverlässig und regelmässig entstehen, reicht das völlig aus.


Janina hat geschrieben:
barbara hat geschrieben:Ich wär ja auch mal sehr gespannt darauf, wie viel von der Schulmedizin noch übrig bleiben würde, wenn an sie dieselben strengen Standards und dieselbe Hardcoreskepsis angelegt würde
Exakt das was sie ist. Dadurch ist sie ja definiert.

Das stimmt eben nicht. Eine ganze Menge schulmedizinischer Anwendungen sind nicht evidence based geprüft im formalen Sinn (ist auch sehr sehr viel Arbeit, das für die GANZE Medizin zu tun, für alles, was schon lange existiert - da brauchen wir Geduld), sondern sehr oft ist es die persönliche, subjektive Erfahrung des Arztes, die den Ausschlag gibt. Was im informellen Sinn natürlich auch "evidence based" ist, aber eben nur im informellen Sinn. Und auch da können Kausalketten keineswegs immer benannt werden. Müssen sie übrigens auch nicht.

Das Ziel ist, dass die Beschwerden verschwinden, im Idealfall für immer und ohne dass der Patient lebenslang Therapie braucht.

gruss, barbara

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#1219 Re: Homöopathie III

Beitrag von Janina » So 12. Jul 2015, 09:28

barbara hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:
barbara hat geschrieben:nicht dort, wo es darum geht, dass Leute Beschwerden haben, und die gern loswerden möchten.
Gerade dort!
Gerade dort, wo es um Menschen gheht, sollen die Resultate irrelevant sein? Der Satz "wer heilt, hat recht" bezieht sich ja auf die Resultate.
Das hatten wir doch schon. Natürlich sind Einzelfälle irrelevant, weil sie kein Anzeichen für eine Kausalität sind. Eine Kausalität ist das einzige, was dabei relevant ist. Und genau das ist es, was der Artikel nochmal schön auf den Punkt gebracht hat.

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#1220 Re: Homöopathie III

Beitrag von barbara » So 12. Jul 2015, 09:58

Janina, bist du sicher, dass du die Prioritäten richtig hast?

Der kranke Mensch, oder der verunfallte Mensch, ist immer der EINZELNE kranke Mensch. Es wird immer das Individuum behandelt, und nicht eine Statistik. Der kranke Mensch interessiert sich nicht die Bohne dafür, wenn man sagt "aber die evidence based medicine belegt, dass das in 99.9% der Fälle wirkt" - wenn dieser Mensch eben der Ausnahmefall in den 0.1% ist.

und nein, die Kausalität ist nicht relevant. Die Kausalität zu kennen, ist intellektuell reizvoll und befriedigend, aber in der Medizin geht es nun mal nicht in erster Linie um intellektuell befriedigende Spielchen (wer das tun will, soll sich bitte in einen Elfenbeinturm einschliessen), sondern es geht darum, dass die Menschen - jeder Einzelne, jeder Einzelfall mit seinen Besonderheiten - besser drauf ist, wenn er die Praxis verlässt, als wenn er sie betritt.

Evidence based medicine schert sich übrigens auch nicht darum, die Kausalitäten zu kennen, sondern fragt nur "wenn ich bei Diagnose X die Therapie Y anwende, welche Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Mensch *hier das gewünschte Ziel der Therapie einsetzen* erlebt?"

gruss, barbara

Antworten