Die Gefahr besteht durchaus. Wobei ich es jetzt nicht für "ich-zentriert" halte, wenn jemand Gesetze und Gebote als Richtschnur nimmt um besser zu verstehen. Gefährlich wird es erst, wenn jemand total fixiert auf Gesetze ist und meint, man müsse sie wörtlich überall und immer anwenden, egal wie die Situation ist.Magdalena61 hat geschrieben:Das ist eine Ich- zentrierte Haltung. Ich halte die Gebote Jesu, weil sie ein Maßstab sind für mich, ein Korrektiv, ein Ideal, das mir behilflich ist, meine Lebensqualität zu steigern. Dabei werte ich nach Gutdünken, und ordne das Gesetz nach meinem Geschmack, weil ich es als Motivationsfaktor sehe und nicht zwingend als "verbindliche Hausordnung" für die Kinder Gottes.Naqual hat geschrieben:Vielleicht lässt es sich schnell ausräumen: Es ist eine Frage der Perspektive.
Gesetze können das Gute konkretisieren und sind insofern hilfreich zur Anschauung und zur Prüfung von einem selbst.
Das mit dem eigenen Gutdünken kenne ich meist als Argument, das mir in der Vergangenheit um die Ohren geworfen wurde, weil ich die Bibel nicht als verbindliches Gesetz sehe, sondern als eine im großen und ganzen gottbegnadete Richtschnur zum Verständnis des Weges zu Gott. Man würde jetzt die Texte nach eigenem Gutdünken auslegen. Die Gefahr besteht immer, selbst bei dem, der die Bibel für absolut verbindlich hält (durch den relativ großen Interpretationsspielraum in vielen Dingen).
Das andere ist, dass man das eigene Gutdünken m.E. gut in den Griff kriegen kann, wenn man sich bei einer Fragestellung immer wieder prüft, was das eigene Interesse nun ist und dann bewusst Möglichkeiten einbezieht und offen prüft, bei denen man innerlich manchmal gar nicht so wenig zusammenzuckt. Die Vergebungslehre Jesu ist so eine Sache. Für meinen Eindruck lehnen die meisten Christen diese ab und schieben alle möglichen Gründe vor, warum diese in der praktischen Anwendung irrational wäre. Ist sie aber nicht. Sie ist extrem anspruchsvoll und hart, sie provoziert einen bis auf die Knochen (spätestens bei der Feindesliebe und Vergebung in diesem Zusammenhang). Die Lehre Jesu ist hier aber absolut konsquent und auch wirksam. Auch wenn wir nur immer einen Bruchteil realisieren können, in Gänze nie.
Das Doppelgebot Jesu ist die allgemeinere Form, die 10 Gebote sind eine Möglichkeit der Konkretisierung. Jesus selbst sieht die Konkretisierungen im Doppelgebot umfasst.Die Gebote Jesu "Liebe Gott und liebe deinen Nächsten" orientieren sich am (alten) moralischen Gesetz (des Mose), komprimiert dargestellt in den "10 Geboten".Naqual hat geschrieben:...Eigentlich lässt sich alles betrachten unter einem einzigen Gesichtspunkt: Ist das Wohl des anderen beabsichtigt und bin ich bereit dafür auch von mir etwas zu geben.
Diese bestehen aber nicht nur aus Fairness und Fürsorge gegenüber dem Nächsten, sondern die ersten drei Gebote regeln die Beziehung zwischen dem Menschen und GOTT.
Den Part Gottesliebe hatte ich nur erst einmal außen vorgelassen, da man erst einmal die Vergebung auf der menschlichen Ebene (von Mensch zu Mensch) betrachten sollte. Umgekehrt wird es komplizierter, weil Gott für unsere Gedanken viel abstrakter ist (das schließt jetzt religiöse Erlebnisse mit Gott nicht aus!).
Weil ich es nicht WILLNaqual hat geschrieben:Erlaubt ist alles, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.Magdalena61 hat geschrieben:angenommen, einer meiner Bekannten, der auch gläubig ist, leiht sich einige meiner Bücher und gibt sie mir nicht mehr zurück. Diese Bücher sind mir wertvoll, und sie sind vergriffen, ich kann sie nicht ersetzen. Meinen Fragen, wann ich sie wieder haben kann, weicht der Bruder aus und geht mir aus dem Weg.
Und dann soll ich so tun, als sei nichts gewesen?![]()
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Warum schenkst Du sie ihm nicht?. Warum sollte ich denn, noch dazu, wenn er mich überhaupt nicht fragt und mir keine Vorschläge macht, wie man das Problem aus der Welt schaffen kann?

Aber nun geht es um das Gutdünken des einzelnen. Ich habe nun die Möglichkeit mein eigenes Wollen auf die Seite zu schieben (extrem widerwillig, okay) und zu schauen, was Jesus gesagt hat. Wenn Dich einer genötigt hat eine Meile zu gehen, dann gehe zwei Meilen mit ihm. In Deinem konkreten Beispiel wäre das: schenke ihm die Bücher und leg noch ein paar Exemplare oben drauf! - Und bei der Vorstellung fängt man schon an verärgert zu qualmen.
Im Endeffekt verhält sich nun ein Christ in der Regel nicht anders, wie ein Nichtchrist.
Liebe in seiner VOLLENDETEN Form ist wirklich göttlich. Manchmal frage ich mich, warum viele unbedingt in den Himmel wollen. Je näher man bei Gott ist, desto näher auch an dieser vollendeten Form. Und wir sträuben uns schon bei viel kleineren Sachen gegen die Gottesnähe.
Das wird wohl auch richtig und adäquat sein, wiederspricht aber nicht dem vorher Gesagten.Wenn mein Bekannter sich- ohne Not- nicht an eine getroffene Vereinbarung hält, und mein Vertrauen auf diese Weise übel ausnützt, dann ist er jemand, auf dessen Wort man sich nicht verlassen kann. Nachdem ich mich zur Sache geäußert habe (den Gerechten, der sich von seiner Gerechtigkeit abkehrt, warnen) die Bücher ab, aber den unehrlichen, egoistischen Bekannten auch.Soll er zuschauen, wie er seine Haltung vor Gott rechtfertigt... das ist sein Problem und nicht meines.
DEM werde ich bestimmt nichts mehr leihen. Und falls er nochmals mit Wünschen an mich herantritt, werde ich ihm ggf. anbieten, die Objekte zu kaufen.
Wir sollten hier die Perspektiven trennen. Wir haben eine, das geht es um uns. Also was tun wir (zuerst einmal innerlich) damit, wenn uns Böses widerfährt. Wer mir Böses tut ist erst einmal mein Feind und den soll ich nun lieben? Wie schaut das konkret aus? Ich kann ihn nur lieben, wenn ich ihm innerlich vergebe.
Die zweite Perspektive da geht es um den "Täter". Hier wird Vergebung nur wirksam, wenn der Täter das falsche Tun eingesehen hat und umkehren will. Und der Zustand vor Tat (als umfassende und wirksame Vergebung) kann nur hergestellt werden, wenn der Täter dies auch tut.
Begleitend habe ich nun eine Verantwortung (Liebe Gottes wirkend durch mich) gegen den Täter. Lass Dich jetzt nicht gefühlsmäßig die Palme hochtreiben bitte, sondern gehe den Gedankengang einfach mal durch aufs erste.
Wenn ich den anderen (den Täter) liebe, dann geht es mir natürlich darum, dass er richtig handelt vor mir und damit vor Gott.
In konsequentester Anwendung des Feindesliebesgebots überlege ich mir nun, was ich tun kann, damit es für den anderen am besten ist. Da gibt es aus meiner Sicht verschiedene Möglichkeiten, die auf den ersten Blick gar nicht so liebevoll wirken: Androhung Anzeigerstattung bei Nichtrückgabe der Bücher, Versuch dem anderen die Betroffenheit durch den Vertrauensverlust zu vermitteln ohne das rhetorisches Moralin tropft (ist ne Kunst, gebe ich zu), aber auch die Konsequenzen hieraus, usw. den auch bei diesen Handlungsmöglichkeiten bestehen Aussichten auf Erfolg, also den anderen auf die rechte Spur zu bringen. Liebe ist nicht die Vermittlung von Angenehmen, wenn das Unangenehme zum Guten dient.
Der springende Punkt ist nun aber, dass dies nicht der Legitimation von hartem Vorgehen dient (Damit wurden bekanntlich schon Gruselige Sachen legitimiert). Sondern Ursache des Unangenehmen, das ich dem anderen tue, müssen liebevolle Absichten ihm gegenüber sein. Die Legitimation für unser Handeln kann nur über Gott (Gottes Liebe, wirkend durch uns) erfolgen.