Gerade die 10. Plage mit dem Tod der Erstgeburt befremdet den modernen, aufgeklärten Humanisten und ich räume als Christ ehrlich ein, dass auch ich mit gewissen Bibelpassagen meine Schwierigkeiten habe.
Im schönen Monumentalfilm
Die Zehn Gebote wird dargestellt, wie ein erwachsener Ägypter an der letzten Plage stirbt, weil er ein Erstgeborener ist. Aber auch der andere Fall, das ein Erstgebornener, der noch im Kindesalter ist, stirbt, wird dargestellt - und damit habe ich in der Tat ein Aporem.
Bibelkritiker verweisen ja recht häufig auf die Torah und können damit Gläubige durchaus ins "Schwimmen" bringen. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass laut Zenger die Pentateuchforschung
„das derzeit schwierigste und kontroverseste Feld der Exegese“ ist.
Gem. der Bibel prophezeite Gott Moses:
19 Ich weiß aber, daß der König von Ägypten euch nicht wird ziehen lassen, wenn er nicht durch eine starke Hand dazu gezwungen wird. 20 Darum werde ich dann meine Hand ausstrecken und das Ägyptervolk mit all meinen Wundertaten schlagen, die ich in seiner Mitte verrichten werde; daraufhin wird er euch ziehen lassen.
Ex 3, Menge-Bibel
Gottes Worte an Mose verstehe ich so, dass er Pharaos Herz nicht durch irgendeinen empathischen Trick verstockte, oder gar durch telepathischen Einfluss, sondern er sah einfach voraus, wir der Herrscher reagieren würde und als die Froschplage überstanden war, heißt es gem.
Ex 8:11 über ihn:
Als aber der Pharao sah, dass die versprochene Erleichterung eingetreten war, da verstockte er sein Herz, und er hörte nicht auf sie, wie der HERR geredet hatte.
Und in
Ex 8:28 steht:
28 Aber der Pharao verstockte sein Herz auch diesmal und ließ das Volk nicht ziehen.
Die
Rotherham's Emphasized Bible (1902) gibt Ex 4:21 so wieder:
And Yahweh said unto Moses, When thou goest to return to Egypt, see as touching all the wonders which I have put in thy hand, that thou do them before Pharaoh—but, I, will let his heart wax bold, and he will not suffer the people to go.
Dies lässt sich so deuten, dass Gott zuliest, dass der Pharao sein Herz
"hart machte" - er ließ es
"hart werden" und somit offenbarte sich dessen ihm innewohnende Hartherzigkeit.
Auf diesen dahinterliegenen Gedanken nimmt Paulus in
Rö 9:18-19 gem. der Einheitsübersetzung bezug:
18 Er erbarmt sich also, wessen er will, und macht verstockt, wen er will. 19 Nun wirst du einwenden: Wie kann er dann noch anklagen, wenn niemand seinem Willen zu widerstehen vermag?*
In der Fussnote der Einheitsübersetzung steht hierzu:
19-24: Bei dem aus der alttestamentlichen Prophetie aufgegriffenen Töpfergleichnis geht es Paulus vor allem um die Langmut Gottes mit den «Gefäßen des Zorns», die zur Umkehr führen soll (2,4). Es handelt sich also nicht um eine Vorherbestimmung (Prädestination) in dem Sinn, dass ihr der Mensch völlig willenlos ausgesetzt wäre.
Die Formulierung, dass Gott das Herz des Pharaos verstockt werden ließ, ist durchaus interpretierbar. Jedenfalls glaube ich nicht, dass der Pharao seines freien Willens beraubt wurde; vielmehr blickte Gott in dessen "Herz" und erkannte (so wie Jesus bei Judas), dass es verstockt war.
Dies mag nicht unserem modernen Sprachverständnis entsprechen, doch beim Lesen sollten wir nie vergessen, dass sie anderen Kulturkreisen entstammt (von der Zeit nomadisierender Stämme bis hin zur Spätantike). In der
QUELLE - luett hatte ich folgende Erklärung gefunden:
Im Anhang der Übersetzung Rotherhams wird gesagt, daß im Hebräischen die Möglichkeit oder Zulassung eines Geschehens oft als dessen Ursache dargestellt wird und daß „sogar ausdrückliche Befehle mitunter lediglich als Zulassung aufzufassen sind“. Daher heißt es in 2. Mose 1:17 gemäß dem hebräischen Text z. B. wörtlich, die Hebammen „veranlaßten die männlichen Kinder zu leben“, während sie in Wirklichkeit jedoch zuließen, daß die Kinder am Leben blieben, indem sie es unterließen, sie zu töten. Zur Bestätigung führt Rotherham dann die Hebraisten M. M. Kalisch, H. F. W. Gesenius und B. Davies an und erklärt im weiteren die Bedeutung der sich auf Pharao beziehenden hebräischen Texte folgendermaßen: „Gott ließ zu, daß Pharao sein Herz verhärtete — er verschonte ihn —, er gab ihm die Gelegenheit oder die Möglichkeit, die ihm innewohnende Bosheit zu offenbaren. Das ist alles“ (The Emphasised Bible, Anhang, S. 919).
Obige Erklärung passt zu dem Wort, dass Gott selbst gem.
Ex 3:19 zu Moses redete:
Aber ich weiß wohl, dass der König von Ägypten euch nicht ziehen lassen wird, auch nicht durch eine starke Hand gezwungen.
Im Sinne dieses Vorherwissens ist die hebräische Redewendung, gem. der Gott das Herz des Pharaos verhärtete, zu verstehen.
Auch Jesus sah am letzten Abend voraus, dass Judas ihn verraten und Petrus ihn drei mal verleugnen würde. Es war aber nicht Jesus, der ihnen diese Dinge in die Herzen legte - er erkannte nur, was die Beiden tun würden.
Ähnlich verhält es sich mit Gott und Pharao.
So ganz alleine bin ich mit meiner Deutung übrigens nicht. Bei seinen Überlegungen zur Torah folgerte Eli Erich Lasch (der
QUELLE zufolge vermute ich, dass er ein Jude ist):
Der Aspekt Gottes, der Moses am Chorev offenbart wurde, hat nur vorausgesagt, was geschehen würde.
Wie mir scheint, stimmt hier eine jüdische Lesart mit meiner christlichen Rezeption überein.
Ergänzend füge ich zwei Links zu Buchseiten hinzu.
Die Schuld lag ja nicht beim Pharao allein. Da wir hier ja über die Thora reden, mag es passend sein, hier einen Juden antworten zu lassen:
Zitat von Eli Erich Lasch:
Ohne die Zustimmung seines eigenen Volkes, ohne dass dieses mitgemacht hätte, hätte Pharao seine böse Absicht nicht durchführen können.
ZITATQUELLE
Dem Buch Exodus zufolge hatte ER sich den Ägyptern offenbart. So sah nicht nur der Pharao, wie sich der Stab des Mose in eine Schlange verwandelte und die Schlangen der ägyptischen Priester verschlanng. Dies sah der ganze Hofstab.
Die Plagen waren "Zeichen", welches ganz Ägypten betrafen - (die ersten drei betrafen auch die Hebräer). Nach jeder Plage gab es die Gelegenheit, auf Moses zu hören - so der Bibelbericht.
Es sei noch daran erinnert, dass gem. der Genesis Jahrhundete zuvor Joseph ein hoher Beamter in Ägypten war und sich durch ihn JHWH bereits offenbart hatte (Vermeidung der Hungersnot durch göttliches Vorherwissen).
Hier scheint es eine kollegtive Schuld Ägyptens zu geben.
Vielleicht bewahrte Gott die Ägypter auch einfach nicht vor einer natürlichen Folge der neun vorangegangenden Plagen. Es gibt auch die Möglichkeit, die 10 Plagen natürlich zu erklären. Das Sterben der Erstgeburt wäre demnach die Folge von Schwarzschimmelvergiftung, denn die Erstgeborenen bekamen eine "doppelte" Ration und zwar bevorzugt. Wenn nun durch die siebente Plage unzählige Hagelsteine auf dem Getreide lagen, das Eis schmolz und so das Getreide einnässte, dann kann so Schwarzschimmel entstanden sein. Ferner ging der 10. Plage die dreitägige Finsternis voraus, in der das feuchte Getreide in den Krügen nicht hinreichend trocknen konnte. Der Schimmel bildetete sich bevorzugt im oberen Teil, von denen die Erstgeburt aß. Davon war Mensch und Tier betroffen. Dass jüdische Passah schütze die Israeliten vor dieser Plage, ganz so wie in der Bibel beschrieben.