closs hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:Und warum dann die (Zwangs-) Missionierung?
Da geht es nicht um "Moral" - das ist eine Nebenerscheinung -, sondern um die Fragen
* "Wo komme ich her/Wo gehe ich hin"?
* "Wer BIN ich als Mensch?"
In der letzten ZEIT steht ein Artikel mit der Frage: Wie kann man Bach, Goethe, Th.Mann verstehen, ohne die christlich-abendländische Kultur zu verstehen? (In der ZEIT kommen gelegentlich auch Christen zu Wort).
Natürlich kann man diese Fragen con variazione auch buddhistisch oder islamisch beantworten - aber da werden die Antworten kulturell anders ausfallen. - Insofern: Das Christentum mit seinem Menschenbild, das die letzten 2000 Jahre (mit all seinen Pannen) geprägt hat, ist die Quelle dessen, was wir heute "Europa" nennen. - Das wird immer wieder vergessen.
Vielleicht noch einige Gedanken dazu, also abseits des bildungsbürgerlichen Philistertums.
Goethes Gesamtwerk ist eher ein Beispiel dafür, wie sich der Mensch aus den Ketten eines konfessionell versklavten Christentums befreit. Wobei allein schon Goethes weltanschauliche Gedichtzyklen hier einen genialen Gedanken-Kosmos offenbaren, der mit dem dogmatisierten und egomaniserten Christentum nichts, aber auch garnichts mehr gemein hat. Goethes Gottesverständnis dürfte ihn, einige Jahrhunderte früher geboren, sicherlich auf den Scheiterhaufen gebracht haben.
Thomas Mann sang in seinen Werken, auch in den Schriften mit christlichen Hintergrund, das Hohelied des Humanismus und schon im ersten Kapitel seiner Josephus-Tetralogie (Höllenfahrt), also seines mythenschwangeren Epos, da malt uns Thomas Mann dann eine Genesis vor die Sinne, die den meisten Christen gewiss nicht schmecken dürfte. Gott durchschleicht sozusagen auch das Werk Thomas Manns, aber dieser Gott ist ein Gott der Menschen und der Menschlichkeit, nicht der unterjochte und gezähmte Gott der Theologen, der selbsternannten Propheten und religiösen Misanthropen.