Savonlinna hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:closs hat geschrieben:
Das ist wirklich die Krone der Unverschämtheit. - Man definiert den Kern der christlichen Lehre einfach weg und macht mit dem Rest sein Ding. - Das wäre "Wissenschaft"?
Moment, da hast du sicher was mißverstanden. Das "innere Gottesreich" gehört ja zum Glaubensinhalt und das wird von der Forschung nicht bewertet, sondern lediglich beschrieben.
Die Forschung wird ja aber wohl noch nach Deinem Verständnis die Texte untersuchen dürfen?
Oder zensierst Du den Text und glaubst, das würde die Forschung auch tun?
Doch wohl eher nicht, oder?
Ich nehme als Beleg die Übersetzungsmöglichkeiten von Lukas 17,21b ->
Davon gibt es im Prinzip zwei Übersetzungsvarianten, was einen dazu zwingt, das "Original" hinzuzuziehen,
siehe weiter unten.
Vorausgehend muss aber dies erwähnt werden:
Jede Übersetzung ist bereits Deutung. Das gilt vor allem dann, wenn bereits das Original mehrdeutig ist. Der Übersetzer muss sich für eine Variante entscheiden und damit die andere für den Leser unsichtbar machen.
Darum sollte man sich nicht nur auf eine einzige Bibelübersetzung stützen.
Hinzu kommt, dass auch das griechische "Original" bereits Deutung ist. ->
Wikipedia hat geschrieben:Die Texte des Neuen Testaments sind überliefert in
über 5000 griechischen Handschriften. Keine von ihnen ist das Autograf einer neutestamentlichen Schrift. In einem
über Jahrhunderte währenden Tradierungsprozess haben sich beim fortwährenden Kopieren Textvarianten (so genannte Lesarten) ergeben, die teils auf
Schreib-, Hör- oder Verständnisfehler zurückgehen, teils
bewusste Änderungen darstellen, weil dem Kopisten die Vorlage nicht (mehr) verständlich, oder er mit der Textgestalt nicht einverstanden war (Revision, bzw. Rezension).
http://de.wikipedia.org/wiki/Novum_Testamentum_Graece
Der verlinkte Wikipedia-Artikel zeigt in dem Abschnitt "Textkritische Methode" auf, wie die historische Textkritik dabei vorgeht.
Die neueste Ausgabe des griechischen Neuen Testamentes ist die 28. Auflage aus dem Jahr 2012.
Sie beinhaltet einen Textapparat, in dem alle oder die wesentlichen Varianten der Handschriften verzeichnet sind und begründet wird, warum man sich in der Rekonstruktion des nicht überlieferten Originals jeweils für die eine oder die andere Variante entschieden hat.
Die 28. Auflage ist auch online, aber wohl nur auf Griechisch, wenn ich das richtig gecheckt habe.
In Buchform kann man sie mit einem griechisch-deutschen Vokabular kaufen:
http://www.amazon.de/gp/product/3438051 ... 3438051419
Interlinear-Versionen - griechischer Text, darunter Wort für Wort die Übersetzung - gibt es ebenfalls online, sind aber älter.
Ich werde eine davon gleich nutzen und hier zitieren, um
Lukas 17, Vers 21 zu problematisieren.
Ich sagte schon, das es im Prinzip zwei deutsche Übersetzungsvarianten in unseren Bibelübersetzungen gibt.
Die eine Übersetzungsvariante finden wir zum Beispiel in der Lutherübersetzung von 1545 (letzte Hand):
Luther 1545 (letzte Hand) hat geschrieben:21. Man wird auch nicht sagen / Sihe hie / oder da ist es. Denn sehet / Das reich Gottes ist inwendig in euch.
Die zweite Übersetzungsvariante finden wir beispielweise in der Elberfelder Bibel:
Elberfelder Bibel hat geschrieben: 21 auch wird man nicht sagen: Siehe hier! Oder: Siehe dort! Denn siehe, das Reich7 Gottes ist mitten unter8 euch.
Die Anmerkung 8 hinter "mitten unter" lautet:
oder "
ist innerhalb von euch".
Die eine Übersetzung scheint mehr zu betonen, dass das Reich Gottes in jedem Menschen selber liege, die andere, dass es innerhalb der Menschen liege.
Guckt man sich die lateinische
Vulgata an - Latein kann ich im Gegensatz zum Griechischen lesen -, kann man etwas deutlicher sehen, woher die beiden Deutungsmöglichkeiten kommen:
Vulgata hat geschrieben:21 neque dicent ecce hic aut ecce illic ecce enim regnum Dei intra vos est
"Das Reich des Gottes ist nämlich innerhalb (="intra") euch".
Die Mehrdeutigkeit beider Übersetzungsvarianten liegt in meinen Augen in diesem "intra vos".
Entweder man versteht das so, dass das Reich Gottes in einem selber liege, also in jedem der Angesprochenen,
oder man versteht das so, dass das Reich Gottes
zwischen den Angesprochenen liege.
Ungefähr so, wie Matthäus 18, Vers 21 sagt:
"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen."
Ich selber neige mehr dazu, das so zu verstehen, dass der Plural "vos" bei "intra vos" meint: "zwischen euch" oder eben "innerhalb von euch" - und nicht: "in euch". Dass es also eine Sache der zwischenmenschlichen Beziehung sei - so wie die Betonung der "Nächstenliebe" von Jesus dies ja auch bestätigen könnte.
Wie auch immer: das Reich Gottes ist bei allen Deutungen dieses Verses kein "Kommen", auch keine "Erwartung auf eine äußere Handlung", sondern die Möglichkeit des Herstellens des Reiches Gottes - entweder im Einzelmenschen oder in den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Nun der griechische Text in der erwähnten neuesten, 28., Auflage von 2012
Griechisches Neues Testament hat geschrieben:21 οá½Î´á½² á¼Ïοῦσιν, Ἰδοὺ ὧδε ἤ, Ἐκεῖ, ἰδοὺ Î³á½°Ï á¼¡ βασιλεία τοῦ θεοῦ á¼Î½Ï„ὸς ὑμῶν á¼ÏƒÏ„ιν
In der online vorhandenen Interlinearübersetzung steht es, wie es für mich aussieht, Wort für Wort auch so, und da steht als wörtliche Übersetzung drunter:
"THE Kingdom Of-THE God INside (="Entoc") OF-YOU (=Plural) IS.
Hier kommt nun drauf an, was das altgriechische "entoc" alles bedeuten kann.
So, wie die englische Übersetzung es ausdrückt, scheint es eher in die Richtung zu gehen von:
"in euch". Also: Das Reich Gottes sei jeweils in euch.
Vers 20 und 21 werden in dieser Interlinearfassung in guter englischer Syntax so ausgedrückt:
"And when he was demanded of the Pharisees, when the kingdom of God should come, he answered
them and said, The kingdom of God cometh not with observation:
Neither shall they say, Lo here! or, lo there! for, behold, the kingdom of God is within you."
Mit anderen Worten:
Die Pharisäer fragen Jesus nach dem Zeitpunkt, und Jesus sagt:
Beobachtbar ist das nicht, denn das Reich Gottes ist in euch bzw. innerhalb euch.