closs hat geschrieben:Das kann ja nur derjenige sein, der in den Bibel-Texten ersichtlich wird. Nun ist aber die Bibel keine Geschichtsschreibung, sondern ein geistiges Buch mit historischen Elementen - weshalb Kubitza ja von einem unzuverlässigen Buch (o.ä.) spricht. - Wie will man aus einem historisch unzuverlässigen Buch eine historisch zuverlässige Person herausarbeiten? - Was nun?
Natürlich, wer sonst? Wie oft muß man denn noch sagen, daß es unmöglich ist, einen "echten" historischen Jesus zu rekonstruieren. Das Thema ist doch seit Weiß/Schweitzer gegessen, schon wieder vergessen?
closs hat geschrieben:
Das nächste: Da es ein geistiges Buch ist, ist naheliegend, es geistig zu interpretieren. - Dann sagen aber andere: "Geht nicht - unwissenschaftlich". - Was nun?
Deshalb beschränkt man sich auf den biblischen Jesus und überprüft höchstens historische Bezüge, wenn diese thematisiert werden. (siehe Geburtsort)
Wenn man eine Fälschung identifiziert hat, heißt das ja noch nicht, daß man das Original kennt. Doch die Absicht der Fälschung sagt ja auch schon einiges aus.
closs hat geschrieben:
Wie kann man dann unter wissenschaftlicher (!!) Flagge sagen: "Jesus hat sich in seiner Naherwartung geirrt" oder "die historisch-kritische Methode hat uns den historischen Jesus zurückgegeben" (oder so ähnlich) ----????----
Falsche Behauptungen werden durch Wiederholung nicht wahrer. Die historisch-kritische Methode hat das Projekt des "echten" biografisch-historischen Jesus längst aufgegeben.
Sie sagt höchstens: der Jesus der Evangelien hatte eine Naherwartung, Punkt.
closs hat geschrieben:
Deshalb nochmals: Der historisch-kritische Jesus ist Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchung von Projektionen, aber nicht wissenschaftliche Untersuchung von Jesus. - Das ist kein Vorwurf, sondern eine Klarstellung. - Insofern sind die hier zitierten Aussagen Kubitzas unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten mehr als verwunderlich. - Er erweckt den Eindruck, als würde er den Projektions-Jesus mit dem historischen Jesus (= der Jesus, der in seiner Zeit so und nicht anders gelebt hat - ob wir's wissen oder nicht) verwechseln.
Jetzt bewegst du dich auf dünnem Eis. Entweder verkündet die Bibel die Wahrheit oder die Bibelschreiber haben alles erfunden. Ein bißchen schwanger gibts hier nicht.
closs hat geschrieben:
1) Es gibt tatsächlich Widersprüche in der Bibel, wenn man verstreute Zitate herausnimmt und unmittelbar miteinander vergleicht.
Dann muß man eben untersuchen,
warum es diese Widersprüche gibt. Im Falle der Naherwartung kommt die Forschung eben zu dem Schluß, daß die anfängliche Naherwartung durch Jesus selbst mit zunehmend verstreichender Zeit in eine unbestimmte Fernerwartung umgedeutet wird. Deshalb spricht man ja von
Parusieverzögerung.
closs hat geschrieben:
2) Die Botschaft Jesu ist eigentlich so eindeutig, dass man erst durch die agnostische Zerpflückung auf die Idee kommt, es könnte etwas unverständlich sein.
Du sagst doch selber immer: ... und sie verstanden ihn nicht. Also so eindeutig war es wohl doch nicht.
closs hat geschrieben:
Insofern ist die Aussage, Jesus (also der wirkliche Jesus) habe sich in seiner Naherwartung geirrt, ein wissenschaftliches Unding. - Nicht weil diese Aussage falsch sein MÜSSTE, sondern weil sie historisch-kritisch überhaupt nicht geleistet werden kann.
Kannst du denn Belege dafür bringen, daß sie das tut. Die Aussage wäre nur korrekt, wenn man vorraussetzt, daß der biblische Jesus mit dem historischen identisch ist. Sind es denn nicht die Gläubigen, die diesem Irrtum aufsitzen, auch weil sie von den Kirchen darin bestärkt wurden?
"Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, die Sittlichkeit des Gottesreiches verkündete, das Himmelreich auf Erden gründete und starb, um seinem Werke die Weihe zu geben, hat nie existiert. Es ist eine Gestalt, die vom Rationalismus entworfen, vom Liberalismus belebt und von der modernen Theologie in ein geschichtliches Gewand gekleidet wurde".
(Albert Schweitzer, dt. Theologe, Mediziner & Philosoph, 1875-1965)
closs hat geschrieben:
Man MUSS wissen, dass mit diebezüglichen Aussagen Jesu ein Bezug auf Verklärung, Auferstehung und Pfingsten gemeint sein kann. - Man MUSS wissen, dass die Textverfasser traditionell (!!) Jesus falsch verstanden haben können und deshalb "Nähe" nicht nur zeitlich und "Wiederkunft" nicht nur äußerlich gemeint sein muss. - Man MUSS das Motiv "Und sie verstanden ihn (egal ob Gott oder Jesus) nicht" in seiner Tradition aus dem AT heraus verstanden haben und die diesbezüglichen Textstellen kennen und bewerten können.
Das ist eine Selbstverständlichkeit, die man nicht extra erwähnen muß. Lies mal Küng, Schweitzer, Weiß etc.