
Auf die deuterokanonischen Schriften der kath. Bibel (gelten meist als "apokryphe" Spätschriften z. AT in ev. Bibeln) und die Anaginoskomena der östlich-orthodoxen Tradition (gelten in der kath. Kirche Teilweise deuterokanonisch, ansonsten außerhalb der orthodoxen Kirche meist als "apokryphe" Spätschriften z. AT) kann selbstverständlich verwiesen werden, allerdings sei angemerkt, dass sie nicht von allen Christen als Teile des Bibelkanons akzeptiert werden (ich bin so einer).
Doch nun zu Zeus' kritischen Beitrag aus dem bibelkritischen Unterforum:
Die Kernbotschaft ist eine frohe Botschaft, welche die Liebe und Nächstenliebe im Zentrum hat.Zeus hat geschrieben:Jesus pflegte einen mehr oder weniger entspannten Umgang mit dem weiblichen Geschlecht und selbst eine Ehebrecherin, bis dahin das verdammungswürdigste Geschöpf unter dem Himmel, verurteilte er nicht. Aber das war wohl kaum der Kern der Botschaft Jesu.
Zumindest haben das die frühen Christen und der große Paulus, auf dessen Briefe sich die lieben Gläubigen hier im Forum gerne berufen, anders gesehen.
Im Folgenden werde ich versuchen, auf Deine angeführten Verse und Deine kritischen Bemerkungen Stellung zu beziehen. Ferner werde ich auf die wissenschaftliche Auslegung verweisen.
Hier spielt "Paulus" wohl auf den zweiten Schöpfungsbericht an, gem. der die Frau aus dem Manne genommen wurde. (Diesen Punkt können wir hier gesonders diskutieren, doch zunächst weiter mit Paulus.)Zeus hat geschrieben: Erst die frühen Christen und später die ganze Institution Kirche, angefangen beim Kirchengründer Paulus, drehten das Rad der Emanzipation zurück und vertraten die Überzeugung, dass die (1. Kor 11,9) "Frau um des Mannes willen" geschaffen sei.
Dies relativiert Paulus in 1Kor 11:12 mit den Worten:
12 Denn wie die Frau vom Mann ist, so ist auch der Mann durch die Frau; alles aber von Gott.
Im Abschnitt V. 3 / Beobachtungen wird der Begriff "Haupt“ hinterfragt.
Unter dem "weißen Kasten" "Versuche Gott Zu Finden?" und "Weiterführende Literatur" wird im Folgeabsatz die These vertreten:Die Verbindung des Begriffes "Haupt“ mit Herrschaft und Ehrerbietung ist allerdings nicht zwingend. Es könnte auch gemeint sein, dass das "Haupt“ für jemanden eine besondere Bedeutung hat oder der Ursprung von jemandem ist.
Walker Jr. (1989) vertritt die These, dass es sich bei 1Kor 11,3-16 um einen sekundären Einschub handelt.W. O. Walker Jr. 1983, 101-112 vertritt die These, dass alle Abschnitte des NT, die die Vorherrschaft des Mannes und die Unterordnung der Frau aussagen, auf eine einzige gemeinsame Quelle, Herkunft oder Tradition zurückgeführt werden könnten. Diese stamme nicht aus apostolischer Zeit und sei in der frühen Kirche auch nicht weit verbreitet gewesen, sondern stamme aus einem "Flügel“ der frühen Christenheit, und zwar aus dem "paulinistischen Flügel“. Die auf diesen "Flügel“ zurückgehenden Passagen spiegelten einen Aspekt nachpaulinischer Reaktion auf den "radikalen Egalitarismus“ des Paulus wieder.
Interessant finde ich die Exegese von F. Watson, welcher im paulinischen Verhältnis von Mann und Frau eine gegenseitige Abhängigkeit beschrieben sieht:
Diese gegenseitige Abhängigkeit zeige sich in der gemeinsamen Ausübung von Prophetie und Gebet, worin der Dialog zwischen Gott und der Gemeinde ausgedrückt werde. In der von Paulus vorgeschlagenen Abänderung dieser Praktiken diene die weibliche Kopfbedeckung − wahrscheinlich ein Schleier − als ein Symbol der Freiheit der Frauen von einer auf Erotik basierenden Partnerschaft von Mann und Frau, wie sie aus den Schöpfungsberichten abgeleitet worden sei.
Im nächsten Absatz kannst Du dich davon überzeugen, dass unter den Exegeten eine kontroverse Debatte über die Frage bezüglich der Bedeutung des griechischen Wortes kephalê ("Haupt", s. 1Kor 11:10) geführt wird.
Bemerkenswert erscheint mir die Argumentation von A. C. Perriman:
Er selbst meint, dass es in V. 3 weder um Autorität noch um Herkunft gehe. Vielmehr stehe die Frage im Mittelpunkt, ob das Verhalten der Frau im Gottesdienst Ruhm oder Schande über den Mann bringt. Das Verhalten der Frau werfe auch ein entsprechendes Licht auf den Mann, der als ihr "Haupt“ ihr Repräsentant, der dominierende Partner der Beziehung, sei. So wie der Status und die Wertschätzung seiner Frau ist, so sei auch der Status und die Wertschätzung des Mannes. Dementsprechend hätten die Aussagen "Der Mann ist das "Haupt’ der Frau“ und "Die Frau ist der Ruhm/Glanz des Mannes“ wechselseitigen Charakter.
Im Abschnitt V. 5 werden folgende "Beobachtungen" gemacht:
G. Theißen vermutet, dass es sich bei der weiblichen Kopfbedeckung um das traditionelle Himation (Obergewand) handelte, welches "einfach über den Hinterkopf gezogen" wurde.Auch bezüglich der Frauen wird davon ausgegangen, dass sie im Gottesdienst beten und prophezeien. Darin unterscheiden sie sich nicht von den Männern. Eine solche Gleichstellung scheint Paulus auch nicht problematisch zu finden. Er lehnt jedoch ab, wenn eine Frau mit unverhülltem (oder: mit ganz bedecktem) Haupt betet oder prophezeit.
D. W. J. Gill (1990) meint diesbezüglich:
Mit seiner Ermahnung an die Frauen, im Gottesdienst eine Kopfbedeckung zu tragen, ziele Paulus auf das Bewahren bestimmter Wertesysteme der säkularen römischen Gesellschaft ab.
Fortsetzung folgt ...